Über die Sirenen des Selbstbetrugs, alltäglichen Faschismus und die Läuterung
Kürzlich ging von einem Leser die Bitte ein, doch in diesem Blog einmal einen Artikel zur möglichen individuellen oder persönlichen Entwicklung und Bewusstseinssteigerung zu schreiben. Dazu ist zunächst einmal zu sagen, dass es in diesem Blog bisher um nichts anderes ging.
Die Verpackung ist nicht der Inhalt, was sich nur dadurch verifizieren lässt, dass man sie öffnet. Auch die Artikel dieses Blogs haben beides und sind nur mit beidem erhältlich: Verpackung und Inhalt. Die gleichen Inhalte ohne Verpackung wären für die meisten Leser nicht verdaubar und könnten nicht mehr als mediumadäquate Blogartikel veröffentlicht werden.
Wir nehmen ja auch lebenswichtige Vitalstoffe nicht als Destillate und Essenzpulver zu uns, sondern „verpackt“ in Lebensmitteln, Obst, Gemüse, Getreide usw., die auf bestimmte Weise zubereitet und kombiniert werden müssen, um verdaulich zu sein. Auch die Art des Servierens, die Reihenfolge, das Gedeck und das Ambiente tragen dazu bei, dass wir die Kernsubstanzen gut aufnehmen können. Wenn wir letztere nur als Tablette schlucken, kann es passieren, dass wir sie gar nicht absorbieren und sie uns nur Magenschmerzen bereiten. Die intellektuelle Nahrungsaufnahme bedarf ebenso der richtigen Zubereitung und Servierung, sonst kann es Kopfschmerzen geben.
Aufklärer und spirituelle Lotsen beißen sich die Zähne daran aus, objektives Wissen zu vermitteln. Wer nur objektiv ist, bleibt vollkommen subjektiv und bemerkt es nicht einmal. Echte Objektivität beginnt mit dem Subjekt. Das Subjekt ist der Eingang in die Objektivität. Bewusstsein zu studieren liegt jenseits von fantasievoller Quantenphysik, von der ein kleiner ernstzunehmender Teil immerhin die Grenzen des nur-rationalen Denkens erweitert, an diesen aber leider auch dazu neigt, in mytho-fiktionale Bilderwelten abzugleiten. Der eigentliche Sprung über das rationale Denken hinaus besteht darin, sich des (denkenden, fühlenden, wahrnehmenden) Subjektes bewusst zu werden. Sobald dies aber wiederum pseudo-objektiv nur „von außen“ beschrieben wird, wie das dreidimensionale rationale Bewusstsein es nun mal nicht anderes kann und kennt, bleibt man in dieser Bewusstseinsstruktur gefangen.
Eine sinnvolle Vermittlung von Subjekt-Wissen über das rational-betrachtende Bewusstsein hinaus ist nicht durch Bezeichnung und Erklärung möglich. So wie jede Bewusstseinsstruktur ist auch die rational reflektierende Struktur erst einmal durch ihr eigenes Paradigma fixiert und kann sich daher höheres Bewusstsein nur als Ausweitung und Intensivierung des bereits Bekannten vorstellen. So sucht sie Bewusstseinssteigerung durch mehr Information, mehr Analyse, mehr Präzision, Begriffsbildung und Beschreibung. Darin jedoch liegt nur Wachstum, kein Dimensionssprung.
Wie bei einem Stereobild ändern sich die Inhalte solcher Artikel wie der dieses Blogs mit dem Fokus des Lesers. Der rein rationale Fokus mag sich auf der informationellen und analytischen Ebene erschöpfen, der form- und richtungsgebende Fokus der Texte liegt jedoch nicht auf den Inhalten selbst, sondern auf dem Bezug zu den Informationen und Analysen, also auf der Beziehung zwischen Gedachtem und Denkenden.
Dass dies schwer zu erfassen ist, bedeutet nicht, dass es ein Geheimnis ist. Es ist jedoch geheimer, d.h. intimer als die rein rationale, distanziert-informationsfokussierte Lesart und bedarf daher einer anderen Art von Anstrengung, um die psychoaktive Kernsubstanz aus der harten Schale zu lösen.
Dass diese Aufgabe auch das geschulteste rationale Denken übersteigt, sollte nicht als Einladung missverstanden werden, sich den Texten auf irrationale Weise, mit der „Intuition“ oder mytho-assoziativem Denken zu widmen – darin liegt einer der verbreitetesten und unheilvollsten Irrtümer rationaler Bewusstseinsadepten, der sie sich oft meilenweit in ausweglosen mentalen Labyrinthen verlieren lässt, aus denen die meisten dann auch alleine nicht wieder herausfinden.
Wir werden im vorliegenden Text im Übrigen auch etwas darüber erfahren, was passieren kann, wenn Menschen solche Artikel mit sub-rationalem Bewusstsein lesen und als Folge darin nur die emotionalen Schatten und ausgegrenzten Fragmente ihrer eigenen Psyche wiederfinden. Dann lösen sie als ungreifbare, unheimliche Materie Angst und zuweilen Aggressionen aus.
Über die Herausforderung der erweiterten Lesart ist also anders zu denken: so wie das emotional-soziale Bewusstsein von nur logisch-begrifflich erfassbaren Faktoren gestaltet und moduliert wird, so wird auch das logisch-rational Erkennbare wiederum von inhärenten Faktoren bestimmt, die nur psycho-logisch erfassbar sind. So manches muss also in „komplizierter“ Form serviert werden, damit es nicht übereilt in „ein-Fach“ abgelegt wird, sondern stattdessen der essentielle Raum zwischen den gedanklichen Schubladen und vertraut klingenden Konzepten geweitet und möglichst weit offen gehalten wird. Das tatsächlich Neue muss zunächst als Unbekanntes erkannt werden.
Diese Texte, die im Grunde bloß die Verschriftlichung von „lautem Denken“ bzw. Selbstgesprächen sind, können als Informations- und Erklärungsangebot gelesen werden. Sie können jedoch darüber hinaus auch als Selbst-Reflexion gelesen werden, wobei der Lesende in den Vordergrund rückt und zum eigentlichen Tatmotiv des Textes wird. Dafür braucht der Text zunächst den Leser, bevor der Leser den Text gebrauchen kann. Die quantenfreie Verschränkung von Text und Leser könnte ein Schlüssel sein, sich in eine neue Dimension einzulesen.
Ein anderer Schlüssel könnte es sein, Wirkungen und Nachwirkungen auf den Leser zu beobachten, um zu bemerken, wohin die Aufmerksamkeit gelenkt werden muss, damit das, worum es hier auch geht, erkannt werden kann. Nämlich nicht primär Objekte, sondern das Subjekt. Auf dem Weg zur psychischen Kernenergie zeigt sich das wahrgenommene Subjekt zwar mit einer schrumpfenden Halbwertszeit, weil es bei jeder Neutronen-Kollision in simple Objekte zerfällt, aber die Richtung stimmt. Und das erste, was wir richten und richtigstellen können, ist nun mal die Aufmerksamkeit.
Wer die Artikel dieses Blogs in diesem Sinne nutzen möchte, der wird außerdem sein Augenmerk darauf richten wollen, welche Bedeutung gerade diejenigen Stellen haben, die scheinbar nichts oder wenig „zur Sache tun“. Sie können sich als vertikale Abzweigungen erweisen. Das Ziel ist nur über Umwege erreichbar.
Im Übrigen ist es aber auch unmöglich, sich gegen die Vertikale in solchen Texten zu wehren, außer, man liest sie gar nicht – was sich für viele Besucher schon bewährt hat und in diesen Fällen auch weiterhin zu empfehlen ist. Alle anderen müssen mit unwiderruflichen Injektionen und Langzeitfolgen rechnen. Die Option, sich real oder virtuell am Autor abzureagieren, haben nur sehr wenige, die dann jedoch zuweilen die Erfahrung machen, dass nicht der Autor, sondern die Texte „zurückschlagen“ und die Feder den Knüppel in den Keller schickt.
In diesem Artikel greift der Autor eine ihm häufiger schon angetragene Bemerkung auf, nämlich dass in seinen Artikeln bisher doch „die Liebe“ fehle. Wir werden uns damit beschäftigen, was es mit diesem „Fehlen“ und dieser „Liebe“ auf sich hat und anhand einer wahren Alltagsbagatelle untersuchen, was hinter den Masken der bekennenden „Liebe“- und „Licht“-Verkünder zuweilen alles so hervorkommt, wenn man sich von ihren makellosen Narrativen und blendenden Attrappen nicht an der Nase herumführen und sie stattdessen von der Realität mit ihren Schlingen und Schlaglöchern einmal auf Herz und Nieren prüfen lässt.
Der Artikel wird versuchen, einen großen Bogen zu spannen vom konkretesten Kleinkram hin zu einer übergeordneten Gesamtschau, die recht hoch in abstrakt-ethische Gefilde aufsteigt. Ist die Verbindung zwischen beidem einmal geknüpft, könnte es leichter werden, die Wurzel des Übels auch in den trivialen Fratzen des Alltags zu erkennen und sich von diesen kleinen Störgeistern nicht mehr vom größeren Überblick ablenken zu lassen, psychische, moralische und soziale Richtigstellungen beherzt anzupacken.
Der Leser möge also die vorgestellteProtagonistin des beschriebenen Erlebnisses als plastische Stellvertreterin für eine grundsätzliche und tiefgehende psychische Korruption unserer Gesellschaft, insbesondere der allgemeinen sozialen Intelligenz in allen modernen Gesellschaften betrachten und – wann immer sie genannt wird – an eigene Erfahrungen mit Repräsentanten dieser Störung denken.
Was die Themen „Licht“ und „Liebe“ angeht, so werden wir sehen, dass es bereits anspruchsvoll ist, Licht und Liebe zu empfangen und die dafür notwendige Durchlässigkeit zu entwickeln, welche Menschen selten auszeichnet. Um aber Licht auszusenden, bedarf es einer Menge Dunkelheit, die vorher „gegessen“, verdaut und umgewandelt werden muss. Um Liebe aussenden zu können, muss man dementsprechend zuvor eine Menge Feindseligkeit und Kälte kauen und verstoffwechseln.
Der Artikel kann in dem Sinne auch als Übung betrachtet werden, Stroh in Gold zu verwandeln. Jenes sprichwörtliche Gold, das zum Schweigen befähigt, während die täglichen Geschäfte der Menschen untereinander mit Silber abgegolten werden, das bekannter Weise Reden ist. Aufrichtiges, integeres Schweigen muss erst einmal redlich verdient werden.
Wir wollen in unser Thema mit einer wahren Begebenheit des letzten Jahres einsteigen, das uns die Vorlage und das Material zu unserer weiterführenden, allgemeineren Reflexion liefern wird. Der Vorteil dieser Begebenheit ist, dass der Autor sie selbst miterlebt und somit „aus erster Hand“ nutzen kann. Die schreibende Hand ist ja immer schon zweite Hand.
Die im Folgenden beschriebenen Handlungen und Personen sind in keinster Weise frei erfunden. Die Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen ist zufallsfrei und im Sinne der Realitätstreue sowie der sozialen Fairness beabsichtigt.
Maruma ist Heilpraktikerin und Yogalehrein in unserem kleinen Städtchen. Sie bietet ihren Praxisraum, den Sie „Lichtraum“ nennt, auch für externe Gruppen zum Mieten an, was ich für eigene Gruppen seit 2019 regelmäßig und mehrfach im Jahr nutzte. Über die Zeit entwickelte sich ein fast freundschaftliches, sehr kollegiales Vermieter-Mieter-Verhältnis, die Kommunikation und alles lief reibungslos, es gab mehrfach Situationen der gegenseitigen Unterstützung – besonders zu Beginn der Drangsal durch das globale Virus-Programm – und die Teilnehmer meiner Gruppen fühlten sich in dem Raum immer sehr wohl.
Der Tonfall der Beziehung begann sich jedoch rapide zu ändern, nachdem ich einmal eine spontane Raumnutzung für ein Zweiergespräch mit Dr. W. Toel angefragt hatte, dessen Team mich dazu angefragt hatte. Maruma gab mir den Raum dafür frei und ergänzte schriftlich später:
„Zudem habe ich mich in einige Vorträge von Prof. William Toel auf Youtube reingehört, vielem was er vermittelt kann ich zustimmen, kritisch sehe ich seine Betonung der deutschen Seele, des deutschen Geistes, der deutschen Selbstermächtigung. Das ist mir viel zu völkisch. Ich stehe für die Freiheit und Selbstermächtigung aller Menschen und aller Seelen und aller Freien Geister und dafür steht auch der Lichtraum offen.“
Dem konnte ich mich sehr gut anschließen und antwortete dementsprechend:
„… habe ich mir gedacht, dass Du das (auch) so siehst, deshalb habe ich Dich vorab dazu gefragt. Zwar aus etwas anderen Gründen, aber ich bin mit der Toel-Kampagne auch nicht weiter involviert und gehe nur auf deren Gesprächswunsch mit mir ein.“
Den Verlauf und Wortlaut des Dialogs hier exakt wiederzugeben ist relevant für unsere spätere Analyse. Die unmittelbare Antwort auf meine Zeilen war:
„Nein Philipp, das nehme ich dir nicht ab, dass du das auch so siehst wie ich, dass dir die Ideen die Herr Toel verbreitet zu Deutsch völkisch sind! Deine catwise Seite offenbart etwas anderes!!!“
Wenn wir uns später fragen, an welcher Stelle ein Bruch und jäher Kurswechsel in der Beziehung zu finden ist, dann wird es dieser Moment sein. Nennen wir ihn den Moment der drei Ausrufezeichen – es hatte in unserer Kommunikation zuvor nie solche Interpunktion gegeben. Es hatte es bisher auch nicht gegeben, dass Maruma mir unterstellt, ich würde mich verstellen, sie quasi belügen, und – das wird noch wichtig sein – dass sie mir eine bestimmte politische Gesinnung unterstellt, die es rechtfertigt, mich unter höchsten Verdacht zu setzen.
Ich versuchte das richtig zu stellen: „… das habe ich auch nie gesagt.“ und fragte nach: „Warum ist das so wichtig bzw. was daran ist es?“
Postwendend kam – zwar keine Antwort, aber eine zumindest interessiert klingende Einladung zum Gespräch: „Gerne möchte ich dann einmal mit dir in einem persönlichen Treffen über deine Inhalte der catwise Seite sprechen.“
Ich bestätigte: „Ja, dass wir uns zusammensetzen wollen, steht ja schon seit einiger Zeit schon aus. […] Wir können dann natürlich auch über Themen meiner Blogseite sprechen, wenn Dich davon etwas interessiert. Ich will aber auch schon mal vorab sagen, dass ich seit Monaten ständig Anfragen von Menschen bekomme, die mit mir über oder zu meinem Blog sprechen wollen und deren Anfragen ich alle immer absage. Denn meine Texte stehen für sich und sollen ihren eigenen Weg da draußen gehen, ohne dass ich mich darum kümmern möchte (ich bekomme auch mit, dass sie sehr unterschiedliche Reaktionen auslösen und die Leser länger beschäftigen). Wenn wir uns aber sowieso treffen, was ich schön finde, dann können wir die Themen natürlich auch anschneiden…“
In meiner Naivität war ich tatsächlich – trotz der schon deutlichen Zeichen überbordender Emotionalität und Misstrauens – davon ausgegangen, Maruma hätte echtes Interesse an den Inhalten dieser Seite.
Den kalten Waschlappen der Realität bekam ich dann im Gespräch direkt um die Ohren gehauen: Maruma war fest davon überzeugt, ich hätte (in meiner E-Mail) jegliches Gespräch über meine Blogseite abgelehnt, und hatte sich auf dieser Basis entschlossen, jeglichen Kontakt mit mir zu beenden. Ihr Bezug zu mir war also ohne Kontakt und Gespräch ins Paranoid-Irreale gerutscht. Später schrieb sie:
„Zunächst einmal entschuldige ich mich bei dir. Es stimmt, du hast mir ein Gespräch über deine catwise Seite ganz offen angeboten. Es war meine selektive Wahrnehmung, die nur herausgelesen hat, dass du grundsätzlich nicht darüber sprechen möchtest. Tut mir leid.“
Das sieht auf den ersten Blick wie der Versuch zu einer Wiederherstellung einer realen, respektvollen Beziehung aus. Aber die andere Seite meldete sich gleich in den Zeilen darauf wieder zu Wort und übernahm das Zepter:
„Dennoch ich kann deine Nähe zu Q-anan [sic!] nicht nachvollziehen! Ich habe mich mit diesem Phänomen eingehend befasst, da einige meiner Freund*innen diesen Mythos glauben. Für mich zeigt sich darin ein kindlicher Wunsch, die komplexen Situationen des Lebens, das Unvorhergesehene und die Widerfahrnisse des Lebens in ein einfaches Erklärungsmodell zu packen um mit dem Unerklärlichen leichter zurechtzukommen. Eine Art “Über-Vater-Erzählung”, sozusagen. [hier folgte ein Link zum „QAnon“-Eintrag von Wikipedia] Und dieser “Über-Vater” ist für mich eindeutig rechtsradikal motiviert.“
Wir stellen also fest: Maruma konnte hier eine Nähe von mir zu „Q-Anon“ nicht nachvollziehen, also zu einer medial kolportierten und verfolgten Bewegung, zu der ich nie eine „Nähe“ behauptet habe. Was tut ein gesunder, souveräner Mensch, wenn er die – sei es auch nur vermeintliche – Haltung eines guten Bekannten nicht nachvollziehen kann? Er fragt nach und wird versuchen zu verstehen. Das hatte Maruma gar nicht nötig. Sie „weiß“ bereits ohne Rückfragen und korrekte Recherche, dass es ein „Mythos“ ist und sie hat auch schon ein psychologisches Erklärungsmodell parat: eine kindliche Über-Vater-Projektion, um die komplexe Welt auf einfache Erklärungsmodelle zu reduzieren. Und nicht nur das! Das Ganze Ding ist auch noch „rechts-radikal motiviert“.
Wir werden auf die Bedeutung gerade dieser Kategorisierung und Psychologisierung zurückkommen. Zunächst einmal stellen wir fest, dass Maruma sich gar nicht neutral und ausführlich informiert hat, sonst würde sie die Bezeichnung jener vermuteten „Bewegung“ erstens nicht falsch schreiben und zweitens herausgefunden haben, dass diese Betitelung eine Erfindung genau jener Kartell-Mainstreammedien ist, gegen die sich die anonyme Informationsquelle namens „Q“ wegen derer systematischen Desinformation unter anderem wendet. Maruma versteht das und den himmelschreienden Konflikt dahinter nicht. Sie macht es sich einfach und übernimmt nicht nur das Weltbild von Wikipedia und Co, sondern praktischerweise auch gleich deren pseudo-psychologische Marginalisierung und Pathologisierung mit.
Mit wenigen Zeilen hatte sie bewiesen, dass sie nicht das Geringste wusste über das Artefakt „Qanon“, dass sie von dessen eigentlichen Hintergrund und Gehalt, nämlich der nachprüfbaren Informationsquelle „Q“, und von der dort benutzten Bezeichnung gewisser Akteure als „Anons“ keine Ahnung hatte und dass sie auch kein Interesse hatte, darüber etwas Authentisches zu erfahren. Ein paar primitive und leicht nachprüfbar falsche Informationsschnipsel aus den fragwürdigsten System-Informationsseiten des Internets reichten ihr und schlossen den Fall für sie ab. Warum so oberflächlich und simpel pauschalisierend? Weil es so ihr persönliches schlechtes Gefühl bestätigte. Mehr wollte sie gar nicht.
(Hinweis: „Qanon“ ist eine Bezeichnung, die von der Systempresse erfunden wurde, um die anonyme und ganz offensichtlich militär-geheimdienstliche Quelle „Q“, ihre Leser und vor allem ihre Inhalte zu diskreditieren. Nicht durch Argumente, sondern durch manipulative Rhetorik, die den ungeschulten Leser dazu bringt, negative Emotionen, vor allem Angst vor sozialer Stigmatisierung, mit dem Thema und den Bezeichnungen zu assoziieren, so dass er sich reflexartig abwendet und das Thema als sozial unerwünscht und psychologisch anrüchig meidet. Eine billige Masche, die aber bei der medial induzierten intellektuellen Total-Kapitulation der Masse kombiniert mit ihrem chronischen Angst- und Stresszustand in der Breite sehr gut funktionierte.)
Marumas Zeilen befinden sich bereits so tief in der Irrationalität und jenseits von Logik und Verstand, dass sich eine Analyse von „Argumenten“ erübrigt. Es gibt keine. Die Logik ihrer Begründungen ist so schlampig und unredlich, dass es keinen Ansatz für eine rationale Überprüfung mehr gibt. Es sind keine Argumente mehr, in denen Begriffe einen klaren Bezug zur Realität herstellen, sondern wir hören nur noch Wort-Schablonen, deren Zusammenhang sich nicht aus logisch-kritischer Überprüfung ergibt, sondern aus einer Grundemotion, die immer deutlicher wird und sich nur noch hinter einem dünnen Schleier der Rationalisierung versteckt: Paranoia – blanke, denk- und wahrnehmungs-lähmende Angst. Hier bereits deutlich erkennbar in ihrer aggressiven Variante – Angriff ist die beste Verteidigung – nämlich als psychologische und soziale Abwertung und Erniedrigung in Form des alten rhetorischen Tricks: „Wer so etwas denkt/sagt/glaubt, ist kindisch, dumm, unreif und ‚gestört‘“. Außerdem bekommt er die stärkste soziale Stigmatisierung, die im deutschen Raum möglich ist, verpasst: „rechtsradikal“. Damit ist jeglicher Ansatz einer rationalen Kommunikation ausgeschlossen und es bleibt für die Interaktion nur noch das Feld von affektiven Reaktionen, Dominanz und Gewalt – wie wir noch sehen werden.
Der eigentliche Konflikt, den Maruma zum Ausdruck brachte, war kein politischer, weltanschaulicher oder moralischer, sondern ein emotionaler Beziehungskonflikt. Da war etwas bei ihren Freunden und guten Bekannten, das sie nicht kannte und das ihr Angst machte. In so einer Situation haben wir ja grundsätzlich die Wahl, uns den anderen Menschen zuzuwenden, um ihre Gedanken und Haltungen besser nachvollziehen zu können, auch wenn sie ungewohnt oder unbequem für uns sind, oder uns in unsere vertrauten Konzepte, Glaubenssätze und Denkschemata zurückzuziehen, uns an sie zu klammern und alle anderen, die nicht konform damit sind, von uns wegzustoßen.
Diese Dynamik hält die Menschheit nun seit über zwei Jahren mehr als jede andere in ihrem Bann.
Was aber motiviert jemanden, Freunde und gute Beziehungen aufzugeben und von sich zu stoßen, nur um an bestimmten, vage definierten und sehr abstrakten Konzepten festzuhalten die keinen Bezug zur gemeinsam erlebten Realität (der Beziehung) haben? Wieso gibt jemand reale, freundliche, konstruktive Beziehungen auf, nur weil er glaubt, dass irgendetwas Ideologisches nicht kongruent ist? Was ist psychologisch wichtiger als reale freundschaftliche Beziehungen?
Die Antwort lautet: Identität. Menschen sind bereit, alles aufzugeben, nur um ihr gewohntes Gefühl von Identität zu bewahren. Und wenn ihr Identitätsgefühl an bestimmte Glaubenssätze oder Konzepte geknüpft ist, dann werden sie mit der gleichen Verbissenheit an ihnen festhalten wie an ihrem Leben. Alles andere macht ihnen existenzielle Angst.
Aber nun müssen wir in der Chronologie des Geschehens noch einmal einen Schritt zurück, denn die zuletzt zitierten Zeilen waren ja schon nach dem persönlichen Gespräch zwischen Maruma und mir gesendet worden. Dieses Gespräch hier vollständig wiederzugeben, wäre zwar aufschlussreich, um das Phänomen der Angst und Irrationalität noch deutlicher zu sehen, würde aber zu viel Raum einnehmen.
In dem Gespräch über eine Stunde war es bis zum Ende unmöglich, Maruma davon zu überzeugen, dass ich tatsächlich bereit war, mit ihr über meine Texte zu sprechen. Sie bestand darauf, Ihr selbstgestricktes Bild von mir und meiner Haltung relevanter einzustufen als meine unmittelbare persönliche Erklärung. Es spielte überhaupt keine Rolle mehr, was ich sagte, sie war nicht mehr zu erreichen.
Ihr später eingestandenes „Missverständnis“ war so dominant, dass ihre gesamte Argumentation während des Gesprächs darauf beruhte, dass ich „Gespräche ablehnen würde“. Dass ich ihr über 60 Minuten hinweg immer wieder beteuerte, dass ich für jegliches Gespräch, jegliche Fragen grundsätzlich offen bin und dafür ja überhaupt erst gekommen sei und nun vor ihr sitze – hatte gar keine Bedeutung mehr für sie.
Wie wollen wir das nennen, wenn für jemanden die wiederholten und in aller Ernsthaftigkeit beteuerten Aussagen anderer und sogar deren reales Verhalten weniger Bedeutung haben als seine eigenen rein fiktiven Vorstellungen von den Anderen? In der Psychiatrie nennt man die Dominanz von Einbildung und Fiktion über die (soziale) Realitätswahrnehmung psychotisch. Es ist unmöglich, mit einer psychotoiden Person ein rationales Gespräch zu führen, denn sie reagiert nicht auf reale Signale, Inhalte und Tatsachen, sondern nur auf ihre eigenen Gefühle und die spontanen Fantasien (biografische Erinnerungsfetzen), die von ihnen ausgelöst werden. Das ist wirklich gruselig!
Die Situation war gruselig. Da saß eine vermeintlich erwachsene Frau vor mir, die offensichtlich von Sorgen und Ängsten getrieben war, die aber auf keine meiner Klärungsangebote oder Nachfragen einging, sondern nur immer wieder ihren Entschluss wiederholen konnte: sie musste mich alsbald aus ihrem Leben und ihren Räumen entfernen. Von mir ging für sie ihren Aussagen nach zu urteilen eine diffuse, nicht benennbare Gefahr, eine Art Vergiftungsgefahr aus, vor der sie sich und „ihrem Raum“ schützen musste. Ich war für sie ein Gespenst geworden, ein Dämon, irgendetwas Böses, das sie bedrohte. Und daher stand sie unter dem Zwang, mich wie eine giftigen Aussätzigen und Unberührbaren zu behandeln.
Sie war sichtlich bemüht, eine formell korrekte Sprache beizubehalten und entschlossen zu wirken. Sie konnte nur keine meiner Fragen schlüssig beantworten (sie selbst hatte ja schon keine Fragen mehr):
„Was an meinen Blog-Artikeln ist aus Deiner Sicht ‚rechts-radikal‘?“
„Du benutzt in einer Überschrift die Wendung ‚deutscher Wesenskern‘. Das erinnert an schlimme Zeiten.“
„Ich beziehe mich nicht auf ‚schlimme Zeiten‘.“
„Es gibt keinen deutschen Wesenskern. Der Wesenskern hat nichts mit ‚deutsch‘ zu tun.“
„Ok, darüber könnte man diskutieren, auch über die Wortwahl. Es gibt so etwas wie einen ‚nationalen‘ oder Volk-Charakter, so wie es z.B. Eigenschaften gibt, die wir als „typisch italienisch“ oder „typisch französisch“ beobachten und beschreiben können. In diese Richtung meine ich es.“
„Das ist faschistisches Gedankengut.“
„Meine Artikel wenden sich offen und klar gegen Faschismus!“
„Ich habe mich mit meinem deutschen Wesenskern [sic!] und meinem Deutschsein sehr viel auseinandergesetzt.“
„Was ist dann also das Problem für dich in meinen Texten?“
„Du verwendest Runen oder runenartige Schrift. Und es ist ja allgemein bekannt, was das bedeutet und worauf das anspielt.“
„Ich verwende an keiner Stelle Runen. Ich habe keinen Bezug zu Runen.“ (Maruma bezog sich in ihrer Assoziation vermutlich auf die Schrift in einem Artikel-Bild aus der Corona-Bier-Werbung, also den Schriftzug der mexikanischen (!) Biermarke.)
„Vielleicht ist dir das nicht bewusst, aber was du so schreibst, spricht vor allem nationalsozialistisch Denkende und Rechtsradikale an und die möchte ich hier nicht haben.“
„Ich denke nicht nationalsozialistisch und möchte solche Menschen weder anziehen noch hier haben. Ich habe keinen Bezug zu Rechtsradikalen.“
So und so weiter verlief unser Nicht-Gespräch. Es war nicht möglich, Maruma mental zu erreichen. Es war erschreckend, zu erkennen, dass ich mit einer Art Sprechpuppe redete, deren Aussagen in keinem Bezug standen zu dem, was ich sagte und noch nicht einmal in sich selbst kohärent und logisch waren. Das eigentlich Schockierende daran war, dass es in diesem Menschen mir gegenüber gar keine erkennbare Motivation gab, mit mir als realer Person Kontakt aufzunehmen. Lange vor unserem Gespräch musste mit Maruma etwas passiert sein, das sie dazu gebracht hatte, mich als realen Menschen nicht mehr wahrzunehmen, sondern nur noch mit ihrem inneren Bild von mir zu sprechen. Und dieses Bild war abgekoppelt von der Realität.
Ich sprach das also an:
„Maruma, deine Verdächtigungen und Vermutungen stimmen nicht. Ich sitze hier und du kannst mich das alles fragen. Aber seltsamerweise tust du das nicht. Du hast mich eingeladen, um mit mir zu „sprechen“, aber tatsächlich gibst du dich als jemand, der schon alles weiß, hast deine Meinung über mich schon abschließend geformt, dein Urteil über mich schon gefällt und deine Konsequenzen schon längst festgelegt. Ich soll nur noch hier sitzen und mir deine fertige Urteilsverkündung anhören. Ich darf mich nicht einmal verteidigen oder etwas richtigstellen. Das ist doch nicht fair!“
„Ich höre dir zu. Aber ich habe so entschieden und so ist es eben.“
An der Stelle war mir klar, dass ich mit einer Art Roboter sprach. Ein Roboter, der sich im Kreis drehte und offensichtlich am Ende seiner intellektuellen und kommunikativen Souveränität angekommen war. Die Atmosphäre und das angespannte, mental und emotional durchweg asynchrone Verhalten meines Gegenübers machten deutlich, dass hier ein Mensch durch und durch in Angst war und in einer Art von Paranoia mit einem imaginierten Geist sprach. Ich als realer Mensch war für sie unsichtbar. Das ist nichts Ungewöhnliches in einer Psychiatrie, aber im Gespräch mit einer Vermieterin, die als therapeutische Heilpraktikerin und Yogalehrerin professionell tätig ist?
Nach meiner mehrmaligen Forderung konnten wir am Ende des Gesprächs immerhin so verbleiben, dass wir uns erstmal Zeit zum Nachdenken lassen würden und uns ein paar Wochen später nochmal zusammensetzen und dann gemeinsam entscheiden wollten. Maruma sagte, sie wolle in dieser Bedenkzeit auch nochmal genauer in meine Texte hinein sehen, „um die für mich kritischen Stellen zu finden“.
Zu dem Zeitpunkt hatte ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Maruma mit ausreichend Zeit, etwas Abstand und einem neuen Blick für den Unterschied zwischen ihren eigenen Assoziationen und der Realität wieder auf einer rationalen, erwachsenen und geschäftsfähigen Ebene kontaktierbar sein würde.
Das war zu optimistisch, wie bereits die nächste E-Mail zeigen sollte. Auf meinen Dank für ihr nachträgliches schriftliches Eingeständnis des „Missverständnisses“ (s.o.) und den Wunsch hin, vor allen Meinungsverschiedenheiten zunächst einmal den grundsätzlichen Umgang miteinander zu klären, kam als Antwort schriftlich:
„Danke für […] dein Gesprächsangebot auf vielen Ebenen. Ich bin sehr damit einverstanden, dass wir zuerst unsere Beziehung klären, die wir miteinander haben. Ich verstehe diese als eine Geschäfts-Beziehung, wobei ich die Vermieterin bin und du der Mieter. Das ist alles.“
Das liest sich wie ein neuer Ansatz zu einer erwachsenen und respektvollen Kommunikation zurück zu kehren. So ging es auch weiter:
„Grundsätzlich vermiete ich meine Räume nur an Menschen, die mir sympathisch sind und bei denen ich beim ersten Gespräch den Eindruck gewinne, dass wir eine ähnliche Haltung im Leben und im Umgang miteinander haben. Dabei sind mir im persönlichen Kontakt der respektvolle Umgang mit sich selbst und den anderen, und das achtsame und rücksichtsvolle Miteinander, besonders wichtig. In den wenigen persönlichen Kontakten, die wir beide bislang miteinander hatten, habe ich dies auch jedes Mal so erlebt. Ich habe dich hilfsbereit und unterstützend erlebt, zum Beispiel […] Deine Hilfsbereitschaft schätze ich an dir.“
Dies also ist der Teil, der die realen Erfahrungen und die wahrnehmbare Wirklichkeit angeht. Nun kommt „der andere Teil“, zunächst ganz allgemein und unverfänglich:
Neben der reinen Vermietung des Lichtraumes, betrachte ich mich auch als „Hüterin“ des Raumes, der für mich ein Ort ist, an dem Menschen zu sich selbst finden können; und zu sich selbst finden, bedeutet für mich zur Quelle des Lebens zu finden und dies bedeutet für mich zur Liebe zu finden und diese zu sein. Es ist mir wichtig, dass die Methode, also welche Form von Angeboten hier im Lichtraum stattfinden, mit dem Ziel übereinstimmen. Das bedeutet für mich, die höchste Weisheit und Autorität hat jeder Mensch in sich selbst. Platt gesagt: Hilfe zur Selbsthilfe, also.“
Dann aber funktioniert der Bezug zur Realität nicht mehr so recht:
„Es ist etwas Neu hinzugekommen, und das ist für mich nicht mehr vereinbar! Wir haben eine Geschäftsbeziehung, […] Darüber hinaus werde ich keinen weiteren Mietvertrag mehr mit dir machen. Für mich ist das kein „kaltes Abbruch-Verhalten“ und ich habe dir auch nie „eine Pistole auf die Brust gesetzt“ [die Zitate stammten aus meiner vorhergehenden Stellungnahme an sie.]. Ich verlängere lediglich den Mietvertrag nicht mit dir weiter. Das ist alles.“
Also nach den ausführlichen Zeilen über die „Philosophie der Raumhüterin“ wird nun die Beziehung quasi grundlos beendet. Aber auch das durfte so nicht benannt werden, es musste wohl so verpackt werden, dass nicht nur keine konkrete Motivation erkennbar war, sondern so als würde gar nichts passieren. Die (Geschäfts)-Beziehung wird angeblich nicht „beendet“, wir würden nur nicht mehr miteinander reden und jeglichen Bezug zueinander auflösen. Der Vertrag wird „nur nicht verlängert“. Das war schon allein deshalb Unsinn, weil wir nie Vertragsverlängerungen vereinbart hatten und unser einmaliger unbefristeter Rahmenvertrag schon zweieinhalb Jahre hindurch lief.
Also warum so um den heißen Brei herumreden? Warum sich der offensichtlichen Position von Macht und Entscheidungsgewalt so wortreich und rhetorisch entziehen? Um den offenkundigen Machtmissbrauch nicht wahrzunehmen? Wem galt es hier etwas vorzumachen? Denn nach dieser aufwendigen Umdeutung, geht es dann gleich ganz im Widerspruch dazu weiter:
„Neu ist, dass ich jetzt um deine catwise-Seite weiß. Ich trenne diese nicht von dir als Person oder von deiner Arbeit. Es ist dir persönlich ja ein großes Anliegen, diese Gedanken zu formulieren und zu veröffentlichen. Vieles von dem was du schreibst finde ich psychologisch fundiert und eine scharfe Analyse zahlreicher Ebenen des menschlichen Seins und Miteinanderseins. Womit ich absolut nicht einverstanden bin, ist die Ausrichtung in die du all das bringst. Vor allem aber fehlen mir die Liebe, sowie Respekt und Wohlwollen mit den Menschen.“ [Hervorhebung durch den Autor hinzugefügt.]
Wir befinden uns nun nach den guten, rational sortierten Anfängen wieder im Sumpf der Irrationalität und durcheinandergeworfener, unsortierter Begriffe.
Die Unfähigkeit, Person und Meinung zu trennen, wird hier stolz als vertretbare persönliche Eigenschaft und Grundlage für erwachsene (Geschäfts-) Entscheidungen vorangestellt. Diese kindliche Sichtweise würde keiner moral-psychologischen Prüfung standhalten, denn sie läuft darauf hinaus, dass man Meinungen so wie Menschen zu behandeln habe, dass man sie also nicht diskutieren oder verändern könne. Meinungen sind dann mehr oder weniger absolute, feste Bestandteile einer Person – sie werde nicht als mentale, veränderbare Sichtweisen gesehen, sondern wie biologische Fakten.
Für Maruma musste dies also auch bedeuten: jedes In-Frage-Stellen ihrer Meinung ist ein In-Frage-Stellen ihrer Person. Jede Kritik an ihren Gedanken ist eine Kritik an ihr als Mensch. Jede scheinbare Unvereinbarkeit von Ansichten ist für sie das gleiche wie Unvereinbarkeit von Personen. Nun gut, da hilft nichts. Auf einem solchen Niveau der Vermischung und der Unordnung im Denken ist es unmöglich, mit Argumenten zu kommunizieren. Umso weniger, wenn der Sprecher bereits per Angst-Projektion zur persona non grata definiert wurde.
Es bleibt dann auch intellektuell im Nebel von abstrakten Worthülsen und Allgemeinplätzen, die weit genug weg sind vom klaren Denken und irgendeinem überprüfbaren realen Bezug, so dass man sie rein gefühlsmäßig im Raum schwingen lassen kann: „Liebe, Respekt und Wohlwollen mit den Menschen.“
Irgendwie gefiel Maruma meine „Ausrichtung“ in die ich „das alles“ bringe nicht. Ich habe mehrfach nachgefragt, was sie damit meint, ich habe nie auch nur den Ansatz einer Antwort erhalten. Aber das ist auch eine Antwort. Maruma meint nämlich gar nichts. Sie hat schlechte Gefühle und will sie loswerden. Sie konnte nie benennen, was genau das Problem in meinen Texten oder an mir ist, weil in meinen Texten und an mir kein Problem identifizierbar ist. Das Problem und der Konflikt liegt an einem Ort, zu dem sie per Abwehrmechanismus nicht schauen kann: in ihr selbst. Es ist der gleiche Tabu-Mechanismus, der dafür sorgt, dass an den entscheidenden Stellen, wenn diese Angst ausgelöst wird, Denken und Sprache diffus werden und ganz offensichtlich auf die Entwicklungsstufe eines Kleinkindes regredieren: Worte als emotional-magische wirksame Etiketten, aber ohne definierbare Bedeutung.
Wenn wir die ungelenken Versuche, eine formelle, pseudo-rationale Erwachsenensprache zu imitieren, einmal beiseitelassen, dann sagte Maruma die ganze Zeit nur immer eines: „Du löst in mir Angst aus, deshalb muss ich dich entfernen.“ Natürlich wäre das in der Deutlichkeit und Direktheit lächerlich gewesen, weil es gezeigt hätte, dass hier ein unmündiges Kind spricht, keine geschäftsfähige Frau. Das Aufkommen persönlicher Angst oder in dem Falle auch assoziativer Schock- und Panik-Reaktionen als Richtwert dafür zu nehmen, dass tatsächlich eine äußere Bedrohung (von wem oder was auch immer) besteht, ist schon ein sehr deutliches Zeichen fehlender Selbstreflexion und mangelnden Realitätsbezugs, insbesondere wenn die Angstreaktionen in keinem Verhältnis zu den angeblichen Auslösern stehen und plötzlich auftauchen, ohne dass sich im realen Erleben etwas geändert hätte. Die Grenze zwischen innerem Erleben und äußerer Realität waren soweit aufgelöst, dass die Bereiche offensichtlich ineinander übergingen und sortiert wurden nach Befindlichkeit: Gutes innen und Schlechtes außen. All das ist umso erstaunlicher für jemanden, der als „Therapeut“ professionelle Beziehungs- und Kommunikations-Dienstleistungen anbietet.
Der Begriff der Schizophrenie, den wir gewohnt sind, nur als psychiatrische Schwerstdiagnose zu verwenden, bezieht sich ursprünglich auf das subtile Phänomen der inneren Spaltung, indem er wörtlich „Trennung am Zwerchfell“ oder „Zwerchfellspaltung“ bedeutet. Zwerchfellspaltung heißt: der Mensch wird von zwei separaten Kräften gesteuert, die nicht miteinander im Einklang stehen und sich sogar gegenseitig bekämpfen können: die archaischen Impulse und Emotionen aus dem Bauchraum (z.B. Angst) und die kognitiven Repräsentationen in Brust- und Kopf, also in Gefühlen, inneren Bildern und Konzepten. Menschen mit dieser Zerrissenheit zwischen unten und oben bemerken oft nicht, wie sehr ihre Gedanken und Überzeugungen von unreflektierten Impulsen manipuliert und „besetzt“ werden und wie wenig ihr intuitives Verhalten inkl. ihre Äußerungen zu ihrer „Philosophie“ und ihrem Selbstbild passen. Sie können für ihre spezielle Vorstellung von „Frieden“ über Leichen gehen und für ihr Konzept von „Liebe“ alles kurz und klein hacken. Wir haben diese Art von jähem Bruch in der Wiedergabe der E-Mail oben gesehen. Es ist der Punkt, an dem der Boden der Realität verlassen wird und die Welt der Fantasien, Projektionen und bezugsloser Erinnerungsfetzen beginnt.
Das, was wir „das Böse“ nennen, ist in all seinen Schattierungen nicht möglich ohne dieses Phänomen der Schizophrenie, der inneren Spaltung. Sie ist der grundlegende gemeinsame Nenner von epistemischem Selbstbetrug, moralischem Satanismus, weltpolitischer „Kabale“, „deep state“ und dem alltäglichen Faschismus, den wir uns hier genauer ansehen. Verstehen können wir all diese Syndrome und ihre unsägliche Prävalenz bei über 90% der gegenwärtigen Weltbevölkerung nur, wenn wir diesen Grundmechanismus verstehen. Das gleiche gilt für ihre potentielle Überwindung und Heilung.
Der Mensch ist und bleibt ein mentales und moralisches Wesen. Er muss sich alles, was er von sich wahrnimmt, auch seine Launen, Ängste und Reflexe immer so erklären, dass sie zu seiner gewohnten persönlichen Wohlfühl-Philosophie passen, denn diese definiert und schützt sein Konstrukt von Identität – das, was und wie er glaubt zu sein. Und wer ist schon bereit, seine über Jahrzehnte aufgebaute und sozial erfolgreich eingepasste Identität aufzugeben, nur um mit der rauen, unempathischen Realität in Kontakt zu bleiben? Schizophrenie und Psychosen sind hochpotente Schmerzmittel, so wie auch religiöse und mythische Konzepte.
Dieser Identitäts-Schutzmechanismus führt dazu, dass sich die Menschen selbst ihre absurdesten, asozialsten und unmoralischsten Handlungen und Gedanken stets versuchen so zu erklären, dass sie sich damit anderen moralisch überlegen und sich selbst der armen, kleinen, geschundenen Gruppe der Beinahe-Engel und frommen Märtyrer zuordnen können.
Maruma hätte auch schlicht und ehrlich sagen können: „Ich finde dich doof, weil du Dinge schreibst, die mir Angst machen, deshalb: raus hier!“ Das wäre aufrichtig gewesen, hätte aber wohl kaum zu ihren hochschwingenden Selbstdefinitionen als „Hüterin des Lichts“ gepasst. Sie wird ja trotz ihrer Ängste, ihrer Ressentiments, ihrer Respektlosigkeit, Ignoranz und Missachtung weiterhin von sich denken können wollen, sie sei ein moralisch besonders integerer, herzlicher, liebevoller, ja vorbildlicher Mensch – und damit jedem, der anders denkt, überlegen. Dafür ist nichts weiter nötig als sich selbst zu belügen. Sie muss sich nur einreden, dass ihr Verhalten nicht von Angst, Verzweiflung, aufgestauter Wut und Desorientierung angetrieben ist, sondern von zutiefst moralischen und höchst spirituellen Motiven.
Und wie dreht sie es sich zurecht? Durch eine der verbreitetesten Gedanken-Manipulationen in der gesamten New-Age- und Softcore-Therapie-Szene: sie stellt „Herz“, „Liebe“ und „Gefühle“ über den Verstand und das Denken (was bereits fragwürdig ist), um sie dann im nächsten Zug gegeneinander zu stellen und das Denken und den Verstand auszuschließen, indem sie sie durch „Gefühle“ usw. ersetzt. So kann sie alles, was ihren Denkschablonen nicht entspricht, abschmettern und für nutzlos und schlecht zu erklären mit dem Generalargument, ihr „Herz“ wäre damit nicht einverstanden. Nur um nicht zugeben zu müssen, dass es ihr Denken ist, das nicht einverstanden ist und anderes Denken ablehnt und abblockt.
Man verliere nämlich nicht aus den Augen, dass sie all ihre Ablehnung mit ihrem Denken und als Gedanken, Ideen, Schlussfolgerungen und Urteilekommuniziert und begründet. Sie gibt sich dabei sogar sichtlich Mühe, rational zu erscheinen. Es ist nicht ihr Herz und schon gar nicht Liebe, die sie bewegen, sondern ihre Konzepte von „Herz“, „Liebe“ usw., die sie für höherwertig und besser beurteilt. Einmal abgesehen davon, dass sie dabei ganz offensichtlich lieblos, kalt und abweisend agiert, geht es hier nur darum, uns darin zu schulen, den enormen Selbstbetrug zu erkennen und nicht auf sein Narrativ hereinzufallen: die Lüge, sich auf eine höher-geistige „Konzeptlosigkeit“ zu berufen, um damit andere Konzepte herabzusetzen und um sich gedanklich nicht mit ihnen auseinandersetzen zu müssen, sprich: um nicht denken zu müssen.
So sieht es aus, wenn ein mechanisches, emotional programmiertes Denken eingesetzt wird, um nicht aktiv nachzudenken, zu reflektieren und neue Einsichten zu verarbeiten. Also aus Faulheit, Bequemlichkeit und Selbstgefälligkeit. Das ist eine aktive Verweigerung, sich als erwachsener Mensch zu verhalten. Es ist eine Sabotage der eigenen Geistigkeit – und natürlich auch der Versuch, jede Form von Geistigkeit bei anderen zu sabotieren und zu unterdrücken.
Wer diese irrationale Dynamik des Denkens gegen das Denken einmal verinnerlicht hat, der kann mit ihr jeden Gedanken, jede Ansicht, jede Meinung oder Äußerung, die ihm „irgendwie nicht gefällt“ abblocken – und sich für den Rest seines Lebens in einer blinden intellektuellen Programmierung fixieren, die, nebenbei bemerkt, unterhalb des Entwicklungsstands eines achtjährigen Kindes liegt. Solche ewigen „Kinder“ kommen dann daher und reagieren auf jeglichen neuen Gedanken mit dem gleichen monosemantischen Gefasel: mein Herz und meine Intuition stehen über jedem Gedanken und sagen mir – auf geheimnisvolle, mystische Weise, die niemand verstehen kann – dass deine Gedanken und Argumente falsch, schlecht und böse sind.
Übersetzt: meine affektiven Kurzschlussreaktionen und meine unbewusst programmierten Assoziationen sind das einzige, was mich lenkt und leitet, und da ich sie nicht verstehe, lasse ich auch den Gedanken nicht zu, andere könnten sie verstehen; alles, was negative Assoziationen in mir auslöst, halte ich für falsch und bekämpfe es.
Man muss bereits in einem irrationalen Zustand, also außerhalb des logisch-rationalen Denkens sein, um diesen Selbstbetrug ohne schlechtes Gewissen zu akzeptieren. Es ist mehr als ein Betrug, es ist eine Störung, denn es resultiert darin, dass die primitivere Form des vorbegrifflichen, kategorialen Denkens das höhere, begriffliche Denken hemmt. Um diese Selbstschädigung nicht zu erkennen, muss man die Selbstwahrnehmung und das Streben nach Integrität bereits weitgehend abgeschaltet haben. Man darf sich diesbezüglich keine Selbstreflexion mehr erlauben, sonst würde sofort das eigene Gewissen Alarm schlagen. Man muss sich vielmehr von seinen Emotionen kontrollieren lassen. Im Dämmerzustand des launischen und angepassten Reiz-Reaktions-Denkens gibt es kein selbstbewusstes Gewissen, sondern nur die automatische Vermeidung von allem Unangenehmen und die Unterwerfung aller rationalen Logik unter Affekte und Emotionen.
Hier herrscht die Materie über den Geist und der programmierte Körper über die individuelle Psyche.
Die Aufgabe für den redlichen Sucher nach menschlicher Höhe ergibt sich aus der Umkehr des Beschriebenen: lerne, deine dich leitenden Gedanken zu beobachten, mit der Realität der Sinne stets aufs Neue abzugleichen und das aktive begriffliche Denken und Verstehen stets über jedes automatische Denken in Schablonen und Etiketten zu stellen. Strebe so nach Widerspruchslosigkeit im Denken und seiner ihm zugrundeliegenden Prämissen.
Es ist immer wieder frappierend, wie viel Aufwand Menschen, die in der beschriebenen Dynamik der affektiven Denkblockade feststecken, betreiben, andere mit Worten dazu zu überreden, ihre Meinung anzunehmen und sie als richtig zu bewerten. Sie appellieren dabei – ohne sich dessen bewusst zu werden – durchgehend an das Denken und an den Verstand ihrer Mitmenschen, und zwar mit der absurden Botschaft, ihren Verstand und ihr Denken nicht zu benutzen, sondern sich stattdessen von Gefühlen, Launen, affektiven Reflexen und Stimmungen, also irrational leiten zu lassen. Sie bemerken nicht, dass ihre Vorgaben und Normen bereits intellektuelle Festsetzungen sind, und dass sie ständig bemüht sind, sich einen rationalen und vernünftigen Anschein zu geben, also klüger, moralischer, richtiger und menschlicher zu erscheinen als andere. Sie kommen nicht umhin zu lügen und zu täuschen, weil sie mit ihrer Haltung ihrem eigenen Wesen und mit ihrer Kommunikationsweise dem Wesen menschlicher Kommunikation widersprechen. Das sollte zu denken geben – wenn man es kann.
Tatsächlich führt der innere Widerspruch in der Kommunikation zu einem Double-bind: die gespaltene (schizophrene, s.u.) Person sendet zwei entgegengesetzte Appelle gleichzeitig, so dass man mit jeglichem Versuch einer Antwort oder Erfüllung nur scheitern kann. Das ist das Prinzip, das junge Menschen in ihrer geistigen Entwicklung spaltet, zunächst kognitiv und dann zunehmend psychisch und in ihrer Persönlichkeit, so dass sie in immer mehr und widersprüchlichere Stücke zerrissen werden. Das kürzeste und in unserer Kultur wirksamste Double-bind ist: Denk immer daran, dass Denken zwecklos ist!
Wie tief und grundsätzlich gespalten muss die Psyche der Menschen sein, die im vollsten Brustton der Überzeugung das propagieren, was ihrem eigenen Verhalten und Fordern diametral entgegensteht. Gewöhnen wir uns für solche Fälle daran, dass wir bei einem Menschen für gewöhnlich mit mehreren „Wesen“ sprechen: in unserem vorliegenden Falle mindestens mit einer moralisch-spirituell korrekt auftretenden Prinzipien-Maruma von „Licht und Liebe“ und einer handelnden, besorgt-ängstlichen und feindseligen Maruma, die sich einen Dreck um „Licht und Liebe“ schert und sich nur einen notdürftigen Rest von Rechtfertigungs-Philosophie gerade so passend zu den momentanen Launen und Reflexen zurecht kungelt. Interessant ist die Frage, wer oder was denn dann darüber bestimmt, welcher von den zwei oder mehr „Stimmen“ jeweils dominant ist und behaupten darf „Maruma“ zu sein. Die Antwort mag gruselig genug sein, um sich diesem Treibsand entziehen zu wollen: es wird komplett von außen bestimmt, von den Umständen, dem „Zufall“ und der sozialen Programmierung. Ja, Fremdbestimmung findet im Kopf statt und diese Stimmen, die außerhalb des „Ichs“ liegen heißen Legion.
Der Mensch ist das einzige Wesen, das sich selbst in sich selbst widersprechen kann. Er wird dadurch nicht bloß irrational und kindisch, sondern auch unmündig, geschäftsunfähig, schließlich asozial und am Ende lebensunfähig. Seine Weltwahrnehmung baut nicht mehr auf realen Bezügen auf, sondern auf emotionalen Reflexen, deren Wurzeln in der für ihn undurchdringbaren, geheimnisvoll-übermächtigen Tiefe der Kindheitsprägungen und Traumareaktionen liegen. Der Mensch, der versucht, wie ein Tier zu leben, wird krank und scheußlich. Rational gesteuerte Menschen sind für ihn fremd und seltsam gefährlich. Sie haben eine fremde, nicht-definierbare Macht, die ihm Angst macht; die ihn einschüchtert, aber auch aggressiv macht, weil sie „irgendwie“ Minderwertigkeitsgefühle auslöst.
Und so kommt es, dass die Irrationalen irgendwann anfangen, gegen die Rationalen und alles Rationale zu kämpfen. Sie wollen es fortschaffen und vernichten. Der Gipfel dieses Krieges ist der Status quo der Menschheit im 21. Jahrhundert.
Beenden wir aber noch die Wiedergabe unserer kleinen Begebenheit aus dem Leben. Wie zu erwarten, sagte Maruma das zweite verabredete Gespräch ab:
„Auf deinem Blog ist so viel Text, dass ich mich auch nicht in der Lage sehe, eine Textanalyse einzelner Passagen mit dir zu machen. Jedenfalls ist für mich zu viel drin, mit dem ich absolut nicht einverstanden bin. Darum halte ich es auch nicht für sinnvoll, noch ein „Wertegespräch“ miteinander zu führen. Meine Meinung ändern werde ich nicht.“
Was lesen wir da in verbrämter Form? Ich bin überfordert – und die Texte sind schuld. Ich verstehe dich und deine Texte nicht, deshalb bin ich mit ihnen nicht einverstanden und deshalb will ich nicht mehr mit dir sprechen. Meine Gefühle entscheiden, weil ich mental durcheinander bin – egal, was in deinen Texten steht. Sie sind nicht kongruent mit den Denkschemata, die ich gelernt und gespeichert habe und die ich brauche, um mich gut zu fühlen – und meine Gefühle und Denkschubladen sind „absolut“. Meinungen kann man nicht ändern, deshalb können Menschen sich auch nicht ändern. Ich ändere mich nicht, also ändern sich andere auch nicht. Alles Mentale ist unbeweglich, unveränderbar, fix und man kann vor falschen Gedanken nur weglaufen.
Die gewöhnliche Eitelkeit der Menschen verhindert es jedoch, so ehrlich zu sein. Deshalb müssen sie ständig Verzerrungen und fiktive Aspekte einfügen, dramatisieren, übertreiben und verfälschen.
Von einer „Textanalyse einzelner Passagen“ zu sprechen ist rhetorisch übertrieben, irrsinnig und geht völlig am Thema vorbei. Noch interessanter aber ist die psycho-logische Verdrehung: „weil ich mit so vielem ‚nicht einverstanden‘ bin, ist ein Gespräch über Werte sinnlos“. Die Prämisse hinter solchen aufgeblasenen Selbstverteidigungs-Phrasen ist: wenn man mit etwas, das ein anderer sagt, nicht einverstanden ist, dann ist jegliches Gespräch sinnlos, d.h. zwecklos. Die Schlussfolgerung ist: man kann nur mit Menschen sprechen, mit deren Meinung man einverstanden ist. Wozu führt das? Zu intellektuellem Inzest, Kartellbildung, Abschottung und letztlich: Sprachlosigkeit und Kommunikationsverweigerung.
Kommt das jemandem als Symptom unserer Zeit bekannt vor? Eines kann Maruma sich mit vollem Recht auf die Fahnen schreiben: sie liegt vollkommen im Trend unserer Gesellschaft und ganz besonders jener Kreise, die sich selbst als „spirituelle Sucher“ und „alternative Lebenskünstler“ bezeichnen.
Die spezifische Wendung mit dem „Wertegespräch“ ist in dem Bezug natürlich besonders delikat, auch wenn wir einmal darüber hinweg sehen, dass die Schreiberin an keiner Stelle den Eindruck vermittelte, verstehen zu können, was ein Wertegespräch überhaupt ist und wozu es dient. Mehr noch ist jedoch die grundsätzliche Haltung interessant für unsere Zwecke hier – sie ließe sich in etwa formulieren als: „Menschen mit unterschiedlichen Ansichten können darüber nicht nur nicht miteinander sprechen, sie können auch nicht einmal mehr über ihre Werte miteinander sprechen.“ So wird jede Kommunikation über Werte abgesagt. Genauer: es wird jede Art von Diskurs abgesagt und verneint. Vermutlich aus purer Überforderung.
Das führt aber dazu, dass man sich mit niemandem mehr über Werte, Unterschiede in Wertsetzungen oder überhaupt irgendwelche Differenzen auseinandersetzen kann, dass man dann Wertgefüge also auch nicht mehr begründen muss und sie in letzter Konsequenz nicht mehr reflektiert und bedenkt. Vielleicht kann jemand mit einer solchen Haltung noch mit Menschen gleicher Meinung und Ansichten über Werte sprechen – aber eben auch nur als reibungslose gegenseitige Bestätigung. Eine viel konstruktivere Reflexion auf der Basis von Unterschieden und über sie eine Revision, Entwicklung und überhaupt Bewusstwerdung eigener Wertegefüge werden so abgeblockt und unmöglich.
Wer sieht irgendwelche Parallelen zum Niedergang und der Herrschaft des Soziopathischen in unserer Gesellschaft bis hinab ins Einfachste und Alltäglichste?
Psychologisch gesehen ist die Kausalkette jedoch umgekehrt: Menschen, die nie über ihre Werte gelernt haben nachzudenken, die kaum wissen, was ein „Wert“ überhaupt ist, geschweige denn ein „Wertegespräch“, entziehen sich natürlich jedem ernsthaften Diskurs darüber nicht mit der aufrichtigen Entschuldigung, dass sie sich unterlegen und inkompetent fühlen, sondern mit der hochtrabenden Begründung, sich zu der „sorgfältig überlegten und hochgradig sozialen, moralischen und klugen Erkenntnis durchgerungen zu haben“, dass ein Wertegespräch „leider“, „in diesem speziellen Falle und auch nur ganz ausnahmsweise“ „nicht sinnvoll“ sei. Analphabeten sind hoch kreativ in ihren Entschuldigungen und werden eher aggressiv gegen andere bevor sie zugeben: „Ich kann weder lesen noch schreiben.“
Menschen mit eklatantem Mangel an innerer Stärke und Selbstsicherheit sind stets mehr auf Form und Formalitäten bedacht als auf Sinn und Inhalte. Worte und Wortketten haben für sie in erster Linie die Funktion förmlicher Gesten sozialer Zugehörigkeits-Signale, sie dienen vor allem der verbalen Verhüllung von Inhaltslosigkeit und Begriffsmangel. Zum Einen, um innerhalb der eigenen Gruppe instinktive Beißhemmungen zu aktivieren und zum Anderen, um Fremde außerhalb des eigenen Ideologischen Dunstkreises zu identifizieren und weg zu bellen.
Die intellektuelle Verwirrung und die innere Widersprüchlichkeit, in der diese Menschen leben und die sie stets in der Verunsicherung und Ängstlichkeit halten, ließen sich auflösen, wenn sie eine Verbindung zwischen Worten und Bedeutungen herstellen würden. Aber genau daran hindern sie ihre nervöse Oberflächlichkeit und ihre frühkindlichen Abwehrmechanismen: es sind die Bedeutung und der reale Bezug der Worte und Glaubenssätze, die ihnen Angst machen.
Heuristische Daumenregel für den Alltag: Unwissenheit, Inkompetenz und Minderwertigkeitsgefühle verstecken sich stets hinter Formalitäten, barocken Allgemeinplätzen und ambivalenten Floskeln. Kompetenz und echtes Selbstbewusstsein können jederzeit auch schlicht, geradeheraus und ungeschliffen sein. Der kleine Mann versteckt sich hinter einem aufgeblasenen „Ich will nicht“ oder einem pompösen „Es geht nun mal nicht“. Der Mann mit innerer Größe kann souverän sagen: „Ich kann das (noch) nicht. (Was kann ich hier lernen?)“.
Es gibt solche kleinen Männer und Frauen, Kinder, die der Welt heute gegenüberstehen und nichts verstehen. Alles Mentale ist ihnen „zu kompliziert“, „zu schwierig“ und vor allem „sinnlos“. Sie wurden nie unterstützt, aus der kindlichen Überforderung herauszuwachsen und sich intellektuell auf eigene Füße zu stellen. Ihr Leben lang laufen sie mit dem traurigen falschen Weltbild herum, der Welt mental nicht gewachsen zu sein und alles tiefergehende Gedankliche sei irgendwie bedrohlich, gefährlich, schlecht. Das macht es ihnen unmöglich, ihre volle Würde als Mensch zu entdecken und zu entfalten. Ihr chronisches Gefühl von Würdelosigkeit, Unterlegenheit und Minderwertigkeit können sie nie benennen oder einordnen. Es ist einfach immer im Hintergrund da und zeigt sich nur zunehmend als Verbitterung und Bissigkeit gegenüber allem, das sie nicht verstehen und das so geheimnisvoll mächtig ist.
Sie werden sich immer überfordert fühlen von „so viel Text“, „so vielen komplizierten Gedanken“, „so vielen Informationen“ oder „so vielen verschiedenen Meinungen“. Sie werden immer ambivalent gespalten sein und die denkenden, argumentierenden Menschen entweder unterwürfig zu ihrem Vormund machen oder sie angsterfüllt ablehnen, hassen und bekämpfen. Sie werden sich mit anderen Überforderten in kleinen anti-intellektuellen Gruppen in einer denkberuhigten und reflexionsfreien Zone sammeln, in denen sie sich von der realen erwachsenen Welt gegenseitig mit naiven Routinen und Zugehörigkeitszeremonien abschirmen und ablenken können. In diesen Gruppen werden sie sich gegenseitig immer wieder das Narrativ bestätigen, dass Gefühle und Stimmungen besser und wichtiger sind als jeder Gedanke und als jeder Versuch zu verstehen; dass kritische Fragen, exakte Begriffsbildung, Definitionen und Logik etwas Schlechtes sind, weil sie von „echter Spiritualität“ und „kindlicher Herz-Intuition“ wegführen. So versuchen sie die Herausforderungen des rationalen Bewusstseins von sich fernzuhalten, weil sie ihnen nichts anderes entgegen zu setzen haben als ihre bornierte Ignoranz, ihre fertig übernommenen Denkformeln und ihre kindlich ausufernden Emotionen.
Sie werden sich in ihrer Angst und Überforderung gegenseitig beschwichtigen, indem sie Worte und Sätze mantrenartig wiederholen. Worte, die ihnen das Gefühl von Zugehörigkeit und Geborgenheit geben, so wie man ein aufgeregtes Baby mit Worten beruhigt. Sie werden steif und fest behaupten, dass sie genau wüssten, was Worte wie „Liebe“, „Herzenergie“, „Intuition“ und „Wohlwollen“ bedeuten, weil sie ja doch so starke Gefühle und Assoziationen in ihnen auslösen. Nein, sie können sie nicht definieren oder in Bezug zu einander setzen. Sie können sie nicht sortieren, nicht erklären und auch nicht begründen. Frag sie danach und sie werden wütend, weil sie dich als Fremden, als Außenseiter jenseits ihrer sozialen Wohlfühlwolke identifizieren und sich in ihrer bequemen Unmündigkeit gestört fühlen.
Die Art von Stolz, die ex cathedra zuweilen als „Todsünde“ bezeichnet wird, meint diesenneurotischen, falschen Stolz, der sich gegen anderes richtet und abschottet und der nichts weiter als überheblicher Größenwahn ist und Geist tötet.
Die intellektuellen und moralischen Moglis sind heute, am Ende unseres zivilisatorischen Konstruktes, die Vertreter der sittlichen Hauptströmung geworden. Nur deshalb sind das Beispiel und das Thema hier relevant. Ein Teil von uns hat die Aufgabe, das zu durchschauen, sich aus dieser Dynamik zu lösen und etwas Neues aufzubauen. Für diesen Teil sind diese Zeilen als Klärung und Ermutigung gemeint. Nicht, um gegen die Irrsinnigen zu kämpfen – die rennen schon von selbst in den Abgrund – sondern um den eigenen Sinn zu erfassen und zu bekräftigen.
Maruma hatte Recht, wenn sie schrieb, „Vor allem aber fehlen mir die Liebe, sowie Respekt und Wohlwollen mit den Menschen.“ – nur dass sie sich nicht bewusst machen konnte, inwiefern sie damit den Nagel ihres Problems auf den Kopf traf. Sie glaubte, der Mangel läge in den Texten und ergo beim Autor. Jeder, der sich ein wenig mit Alltagspsychologie beschäftigt, weiß und kann häufig beobachten, dass Menschen jene Aspekte, die sie in sich selbst ablehnen, ständig auf andere projizieren, um sie dann dort verzweifelt zu bekämpfen. Wir projizieren unsere eigenen Schatten auf andere, um sie psychisch „loszuwerden“. Der Mangel an Respekt und Wohlwollen, der Maruma erst ins Auge sticht, wenn sie gewisse Texte liest, ist in ihrem eigenen Verhalten so überdeutlich zu erkennen, dass es gar keiner näheren Erläuterung bedarf. Von „Liebe“ gar nicht zu reden.
Das Ende der kleinen Geschichte: in einer formell noch notwendigen letzten Begegnung ein paar Monate später hatte sich nichts geändert, obwohl ein Dutzend anderer erschrockener Menschen noch versucht hatten, sie zur Vernunft zu rufen, und um einen vernünftigen Blick auf die Realitäten baten. Aber es war zu spät. Ein Dialog mit Bezug zueinander war unmöglicher denn je und aus den unbewegten Augen von Maruma blickte mich mehr als je zuvor die nackte, verzweifelte Angst an, die nicht mehr zu verbergen vermochte, wie hilflos, allein und verloren sie sich fühlte.
Ja, das Herz mit den „faschistischen“ Gedanken, das Maruma starrsinnig aus ihrem Leben und ihrem „Lichtraum“ verbannen musste, konnte sehr wohl fühlen, wie viel Angst sie hatte und dass ihre Furcht vor der Liebe, über die sie sich selbst so gerne definiert, noch weit größer ist als ihre Sehnsucht. Es konnte auch das kleine Mädchen hinter den wässrigen Augen sehen, das es immer allen recht und nichts falsch machen wollte, aber endlich auch einmal einen „eigenen Standpunkt“ haben will – und sei er auch noch so unsinnig und unbegründet – und das sich nun endlich mal gegen jemanden durchsetzen möchte – sei es auch noch so grotesk und kindisch.
Ich fragte sie zum Abschluss, ob sie glaube, dass die Sache jetzt damit beendet sei, dass sie mich aus ihrem Leben entfernte. Und ohne nachzudenken antwortete sie spontan und überraschend: „Nein.“
Sie sollte Recht behalten.
Die Sache hat eine übergeordnete Bedeutung und es geht hier gar nicht um den Einzelfall. Er soll uns nur einiges veranschaulichen und greifbarer machen, was sich auf grundsätzlicher Ebene zu untersuchen lohnt. Insbesondere geht es darum, den Kern eines weltumspannenden Zivilisationsproblems und dessen Symptome im gewohnten alltäglichen Miteinander wiederzuerkennen.
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Version 13.10.2022
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