Wie wir die Macht von der Angst befreien
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Einleitung
Ich finde diese Krise gut. Einen besseren Weg in das notwendige Neue hätte ich mir nicht ausdenken können. Unter diesem enormen Wandlungsprozess leiden diejenigen am meisten, die beginnen zu verstehen, in was für einer Welt sie bisher gelebt haben und was für Umwälzungen auf sie zu rollen. Sie haben noch keinen Überblick und erhalten gerade einen Selbsterfahrungs-Schnellkurs in Sachen Unterdrückung, Willkürherrschaft und Manipulation durch Medien. Diejenigen, die das Ganze verstehen, schon länger studieren und mitverfolgen, leiden höchstens noch etwas an Ungeduld, ansonsten freuen sie sich. Ganz wenig leiden auch diejenigen, die überhaupt nichts verstehen und einfach so weiter vor sich hinleben wie eh und je und darauf hoffen, dass „bald alles wieder beim Alten sein wird“. Wird es nicht. Aber ob sie’s bemerken?
Neben der Freude über die große Befreiung und die neuen Möglichkeiten überwiegt bei mir ein weiteres Gefühl: größter Respekt für die Planer und Steuermänner hinter dem pädagogisch hoch effektiven, scheinbaren Chaos. Ihr umfassendes Verständnis für das Weltgeschehen, Machtstrukturen und für globale, gewaltfreie Veränderungsprozesse ist höchst bewundernswert.
(Ich weiß, dass mancher modern denkende Leser und „Systemtheoretiker“ lieber daran glauben möchte, dass solche Dinge „einfach so von selbst passieren“. So als würde sich aus einer Gruppe von Sechsjährigen auch irgendwann „ganz von selbst“ eine erste Schulklasse bilden. Abgesehen von jeglichem Verständnis von Steuerung und Politik entgeht solch einem Leser leider auch der erhebende Genuss einschließlich der Freude über die Einsicht der enormen menschlichen und geistigen Leistungen hinter schöpferischen und Transformations-Prozessen, die den wachen Beobachter in staunende Bewunderung versetzen.)
Wie befreit man Geisel in der dritten Generation, die sich an ihr Leben als Objekte ihrer Geiselnehmer gewöhnt haben und sich gar nichts anderes mehr vorstellen können? Ich hatte andernorts vor kurzem geschrieben, es ginge nur „gegen ihren Willen“ und mich damit vor allem auf die Situation und Möglichkeiten der Deutschen und im Grunde aller Westeuropäer bezogen. Das war nicht ganz korrekt, denn sie haben keinen eigenen Willen, sondern nur die Glaubenssätze im Kopf, sie hätten ihn. Wer zu dieser Differenzierung nicht bereit ist, der wird Schwierigkeiten mit der Realität bekommen, die sich nicht immer brav an unsere Wunschvorstellungen hält.
Einmal anders: wie holt man jemanden aus dem Koma zurück, in dem er schon so lange vor sich hin träumt, dass er Wachsein gar nicht mehr kennt, während in der Realität das Haus brennt? Man könnte seine Träume Schritt für Schritt zu Alpträumen machen. Nicht zu schnell, damit er nicht die Nerven verliert, und nicht zu langsam, damit er sich nicht bloß an schlimmere Zustände gewöhnt, sondern bereit ist, den gewohnten Traum gegen die ungewohnte Realität zu tauschen. Übersetzt in die Wirklichkeit heißt das z.B., man erfindet eine Geschichte von einem Killer-Virus und treibt von da aus die bekannten Politik- und Medien-Protagonisten dazu, den Menschen das Leben schrittweise zur Hölle zu machen. Irgendwann ist das schöne System, dessen PR-Abteilung seinen Sklaven und Opfern täglich die Parole von Freiheitlichkeit, Wohlstand und Entwicklung ins Hirn prügelt, dann in der Realität gar nicht mehr nett, denn die geduckten Mitläufer merken, dass noch mehr Wegducken, Gehorchen und Stillhalten das Leben unerträglich machen. Wenn die Betäubung von Arbeit und Konsum mal nachlässt, dann ent-decken die Menschen plötzlich ihre wahren Werte und Wesentliches wieder und wollen nicht mehr in einem System leben, das sie unterdrückt. Sie wollen lieber mehr Zeit für sich und ihre Familie haben, sie wollen sich regional zugehörig fühlen, sie wollen ihr Lebensumfeld selber bestimmen und – Donnerwetter! – das Geld, das sie erarbeitet haben, für sich selbst nutzen (statt über die Hälfte disesem ‚System‘ geben).
Dann kann man das System wechseln und den aufgewachten Komapatienten aus dem brennenden Haus holen, ohne dass er sich gleich in seinen bequemen Traumzustand zurückwünscht. Es geht nämlich gar nicht darum, dass wir etwas Neue erfinden müssten oder alleine von Null beginnen müssten. Es geht nur darum, dass sie das Neue annehmen, im Übergang kein Chaos anrichten und mit den Veränderungen mitgehen.
Das System der Unterdrückung und Angst, das wir abzustreifen haben, nannte sich selbst „Demokratie“ – eine der üblichen Wortverdrehungen totalitärer Systeme, die stets den Geist der Menschen lahmlegen müssen. In ein paar Jahren wird „Demokratie“ vielleicht eine Art Spottwort sein. „Demokratisch“ wird dann selbst von Kindern verstanden werden im Sinne von „heuchlerisch“, „betrügerisch“, „scheinheilig“, „im Geheimen manipuliert“ und „die wahre Macht verdeckend“. „Lasst es uns demokratisch machen“ wird dann bedeuten: Lass uns viel ziellos und verantwortungslos reden und diskutieren und so tun als dürfte jeder mitbestimmen; danach entscheiden dann diejenigen, die im Hintergrund die Strippen ziehen – so demokratisch wie die Mafia.
Das Lernprogramm zum Aufwachprozess
Einen gesunden Impfstoff gegen virale und kollektive Angst gibt es nicht und darf es auch nicht geben, weil er unser Fühlen und damit unsere sozialen Fähigkeiten und unsere Intelligenz lähmen würde (sogenannte „Impfstoffe“ scheinen im Allgemeinen diese Neben- oder Hauptwirkung zu haben). Aber wir können unser Repertoire an emotionalen Heilmitteln erweitern. Das nennt sich Kultur. Wir haben über hundert Jahre hinweg sukzessive unsere eigene Kultur und Kultur überhaupt durch eine Abhängigkeit von sehr fragwürdigen, komplett geldgesteuerten Institutionen ersetzt, die uns sehr motiviert und kompetent darin unterstützen, infantile, regredierte Mitläufer zu bleiben. Dazu weiter unten im Artikel noch etwas mehr unter der Überschrift „Kollektiv-Menschen versus Individuen“.
Wir können zum jetzigen Zeitpunkt bereits statuieren: das nahezu weltweite Menschheits-Experiment über die Auswirkungen von moralisch-geistiger Massenretardierung und Verantwortungsvermeidung kann nun guten Gewissens beendet werden mit der nahezu schon salonfähigen Erkenntnis, dass wir Menschen tatsächlich frei und fähig sind, uns geistig selbst zu vernichten. Verkennen wir auf keinen Fall die Notwendigkeit einer solchen globalen Pubertät: wie sonst sollte die Menschheit in ihrer Entwicklung von Verantwortungsfähigkeit und Selbst-Bewusstsein voranschreiten? Für den gesunden und reifen Umgang mit den fertig vor der Tür stehenden neuen Technologien, wissenschaftlichen Erkenntnissen und damit Möglichkeiten ist diese prägende Lernerfahrung inklusive ihrer Opfer absolut notwendig.
Innerhalb dieses aktuellen „Aufwachprozesses“ wird vieles sichtbarer, das bisher nur latent wirkte und von lauter Ablenkungen überdeckt wurde. Mit den Konturen werden nun auch die Kanten und Grenzen klarer und damit auch die Entscheidungen und Positionierungen. Wir können viel klarer sehen, wo wir selbst und wo andere stehen. So eine Anti-Atemmaske zum Beispiel, wie sie gerade zur Zwangsmode geworden ist (aber Moden sind nur flüchtige Affären), lässt in der Öffentlichkeit bereits auf hundert Meter Entfernung erkennen, wo jemand zwischen Koma und Wachsein steht.
Ganz allgemein wird unter dem realen sozialen Druck der Unterschied zwischen selbstherrlichen Lippenbekenntnissen und wahrem Standpunkt viel deutlicher erkennbar. Ebenso die Unterschiede zwischen Ideologie und Realisierbarkeit, zwischen Propaganda und Information und zwischen Wunschdenken und Wahrnehmung. Dem „Corona“-Lernprogramm sei Dank.
Dass wir dabei auch der Selbsterkenntnis immer weniger ausweichen können, stellt für viele Menschen allerdings eine Überforderung dar, weil ihre Illusionen und geliebten Selbstdefinitionen allzu weit weg sind von ihrem tatsächlichen Reifegrad und Können. Unter der ideologischen oder narzisstischen Hülle ist dann erstmal nicht viel mehr zu finden als ein eingeschüchtertes, emotional unterernährtes, trauriges und verletztes Kind. Wer seinen Blick für solche als Erwachsene verkleidete Kinder schulen möchte, der braucht nur den Fernseher einzuschalten. Ich bin mir sicher, dass die meisten sich sehr wundern werden, wenn sie „die Großen“ aus den täglichen Medieninszenierungen bald einmal in einem anderen Kontext z.B. im Saal eines alliierten Militärgerichts – zu sehen bekommen. Die Häufchen Elend, die dann dort sitzen werden, werden kaum wiederzuerkennen sein. Aber auch das gehört zum Lern- und Aufwachprozess dazu: schmerzlich zu erkennen, von was für kleingeistigen Pappnasen wir uns an unserer Nase herumführen ließen.
Und wer kümmert sich um all die kleinen, hilflosen, desorientierten und bedürftigen Kinder sowohl von den Bühnen als auch von den Zuschauerplätzen, die sich bisher in irgendeine schützende Nische des Systems gequetscht und dort ganz erwachsen gefühlt haben? Das wird auch Aufgabe des Neuen sein, den Menschen eine sichere und emotional verkehrsberuhigte Staatsordnung zu bieten. Volkswohlfahrt.
Da also aktuell so vieles geradezu ins Auge springt, das verstanden und verdaut werden will, drängt es mich, einige elementare Zusammenhänge des Ganzen in Worte zu fassen und auf die wirkenden Prinzipien dahinter hin zu durchleuchten. Deshalb dieser Artikel zum Themenkomplex Macht, Angst und Regeneration einer gesunden Ordnung.
Worum es mir geht
Der kleine Mann in meinem Ohr sagt mir, ich müsse doch viel mehr an meiner Artikel-Reihe „Zur Genesung der deutschen Wesen-Kern-Kraft“ weiterarbeiten. Teil 5 davon liegt schon in den Geburtswehen und kommt in Kürze auch hier in den Blog. Aber da sich mir im Moment immer mehr zusätzliche Themen, Fragen und Antworten aufdrängen, muss jetzt nochmal so ein gesonderter Artikel hier „außer der Reihe“ her.
Ich schreibe im Blog hier in erster Linie, um mir gewisser Dinge selber klarer zu werden. Also als eine Art schriftliches Denken. Dass ich das in Blog-Form so halb-öffentlich tue, hat damit zu tun, dass die Ausrichtung auf potentielle unbekannte Leser beim Schreiben den Fokus und den Zwang zu Klarheit und Stringenz fördert. Ob Leser meine Gesichtspunkte und Schlussfolgerungen dann mögen oder nicht, ist mir egal. Dazu habe ich letztens einen Haftungsausschluss geschrieben, den ich jedem zu lesen empfehle, der hier zum ersten Mal liest oder kommentieren will.
An einigen Reaktionen, die ich auf bisherige Artikel bekommen habe, wird mir nochmal bewusst, was mir von Anfang an klar war: dass ich hier nur für wenige schreibe. Damit meine ich: nur für wenige konstruktiv nutzbar. Es freut mich dann natürlich, wenn ich mitbekomme, dass jemand sich inspiriert fühlt oder eine neue Sichtweise gewinnt. Ich freue mich auch über Rückmeldungen, die mir helfen, andere Positionen oder das Problem der intellektuellen Schutzwände besser zu verstehen. Das mag mich dann zu weiteren Texten inspirieren. Die Anti-Reaktionen auf meine Texte wären ein Thema für einen separaten Artikel, denn sie sind oft hilfreiche Beispiele, um die Psyche des Menschen besser zu verstehen.
Darum soll es in diesem Artikel unter anderem gehen. Ich will den Fragen nachgehen, warum die Idee von „Verschwörungstheorien“ – oft schon allein dieser Begriff – bei den meisten Menschen auf so starke emotionale Reaktionen, meist Abwehr stößt; was das mit dem Themenkomplex von Macht und Ohnmacht zu tun hat; was uns daran hindert und was uns helfen kann, aus diesen fatalen Verstrickungen heraus zu kommen; was das mit Erwachsenwerden (Individuation) und Kollektivabhängigkeit zu tun hat und warum nicht nur im Märchen am Ende der König und/oder die Königin den Thron ihres Reiches besteigen, damit alles in Ordnung kommt und alle glücklich sind.
Verschwörungstheorien
In meinem letzten Artikel „Einstürzende Weltbilder: Erste Hilfe und Überlebenstipps“ hatte ich betont, wie wichtig Fragen sind, bevor man mit Antworten aufwartet. Aktuell leben wir in einer Zeit, in der sich lang gesuchte Antworten und lang erwartete Verwirklichungen in so hohem Tempo und so dicht gepackt einfinden und wirksam zeigen, dass die meisten Menschen gar nicht mehr nachkommen, überhaupt erstmal die Ausgangsfragen und Probleme zu verstehen.
Aber wer sich die Geschichte anschaut, wird sehen, dass Veränderungen immer von wenigen initiiert und durchgesetzt wurden, hierarchisch gesprochen: von oben nach unten, auch wenn im Nachhinein zur Beruhigung oder zur Betäubung der Masse das Narrativ verbreitet wurde, es handle sich um eine „Revolution von unten“. So etwas kann es gar nicht geben, denn Steuerung funktioniert per se nur top-down, vom Kopf zum Muskel, vom Gedanken zur Umsetzung. Und der Volksmund weiß auch: „Der Fisch stinkt immer vom Kopf zuerst.“
Es gibt jedoch zwei lautstarke Parteien, die ein Interesse daran haben, allen einzureden, dass Fische doch gar keine Köpfe haben, sondern auch einfach so sein (stinken) können: erstens die, die von der Geheimhaltung des Kopfes profitieren und zweitens die, die Angst vor Fischköpfen haben. Diese beiden Parteien können gemeinsam mit dem vollen Engagement ihrer aktuell zu Recht gesteigerten Angst psychologische, systemische, ideologische und fantastische Erklärungen ins Volk senden, dass es Macht eigentlich doch gar nicht gibt, dass sie sich unsichtbar irgendwie auf alle verteilt, dass die, die sie haben, sie eigentlich nicht haben, weil andere sie doch auch haben oder weil es doch bloß unpersönliche Institutionen sind, kurz: dass alles gut ist und dass der Fisch halt einfach stinkt – und zwar kopflos. Bitte gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu bedenken.
Eine Verschwörung ist eine Konspiration und das ist buchstäblich betrachtet ein gemeinsamer und zusammenkommender Geist, wörtlich übersetzt nämlich das „Zusammen-Atmen“ (lat. con-spirare). Also eine Art von Im-gemeinsamen-Rhythmus-Sein: Gleichklang. Heute würden wir das eher in einer technologischen Metapher ausdrücken: enge Vernetzung.
Interessant ist, dass für die selbstsüchtigen, angstmotivierten, tyrannischen Herrscher seit eh und je die eigenwillige Vernetzung der Menschen untereinander die größte Gefahr darstellte. Sie müssen jedes Konspirieren kontrollieren, weil sonst eine Gegenmacht entstehen könnte, die die Herrschenden stürzt. Der gute, wohlwollende Herrscher kann das gelassen sehen, weil seine Position durch das Wohl und die Freiheit der Menschen bestärkt und geschützt wird. Wer jedoch seine Macht auf Unterdrückung und Ausbeutung gründet, der muss vor allem die Kommunikationswege kontrollieren, damit ihm keine Vernetzung von aversiven Befreiungsimpulsen entgeht. Heutzutage ist das kein Problem mehr, wenn man über die Technik verfügt, jedes Mobiltelefon, jeden Internetanschluss, jede Emailadresse und sogar jede Wohnung zu überwachen. Wer meint, dass das doch kein Problem sei, weil „man“ ja nichts zu verbergen habe, der möge sich fragen, welchen Kräften und Interessengruppen er denn alle seine persönlichsten und intimsten Daten freiwillig und ohne Begrenzung zur Verfügung stellen würde. Die gewohnte Naivität stößt erst durch Nachdenken auf die Gefahr, dass überhaupt keine Selbstbestimmung (keine wirtschaftliche, keine sexuelle, keine körperliche, keine religiöse) mehr möglich ist, weil das System der Macht durch Überwachung alle unpassenden oder unbequemen Menschen einschüchtern oder eliminieren kann. Und wenn das Nachdenken nicht so weit kommt, dann kommt die Erkenntnis eben erst mit der realen Freiheitsbeschränkung und Schikanierung. Das lernen wir gerade.
Wenn der Stigmatisierungsbegriff „Verschwörungstheoretiker“ fällt, treffen meist zwei grundsätzlich Denktypen aufeinander: der eine glaubt das offizielle bzw. verbreitete Narrativ und der andere stellt es in Frage. Das ist der entscheidende Unterschied, wir vor kurzem auch ein wissenschaftliche Studie herausfand, die die Kommentare in Online-Foren sprachlich und psychologisch analysierte. Was den fanatischen Anhänger von Mainstream-Erklärungen und -Konzepten so sehr irritiert und aggressiv macht, ist das Hinterfragen seines Weltbildes.
Der Begriff „Verschwörungstheorie“ oder „Verschwörungstheoretiker“ ist argumentativ und inhaltlich vollkommen sinnlos und funktioniert nur als verbales Kommunikationssignal, das sich am besten als Abwertung und Marginalsierung des anderen in die Bedeutungslosigkeit übersetzen lässt. Mit anderen Worten, wer diese Begriffe als Reaktion auf Inhalte verwendet, steigt aus dem Gespräch aus. Er könnte auch genauso gut die Faust erheben und brüllen: „Wenn Du nicht die Schnauze hältst, hau ich Dir in die Fresse!“ Die abweisende Botschaft ist hier nur ein wenig subtiler: „Wenn Du solche Dinge sagst, dann nehme ich Dich als Mensch nicht mehr ernst und schließe Dich aus der Gemeinschaft der Redeberechtigten aus.“ Die Drohung ist also eine psychische und zwar eine der heftigsten, die wir sozial haben: wir drohen mit Kontaktabbruch, Tabuisierung und Ausschluss. Das funktioniert jedoch nur solange, wie die Menschen glauben, die Hinterfragenden, Faktenkenner und -analytiker seien in der Minderheit und machtlos. Das könnte sich bald offensichtlich ändern.
Ein Beispiel aus dem Alltag
Vor kurzem sprach ich mit einem bekannten Arzt, einem Allgemeinmediziner mit Schwerpunkt auf homöopathische und alternative Behandlung, in einer kurzen Begegnung auf der Straße und fragte ihn, was er als Arzt von der Nachricht halte, dass Corona-Symptome auch von 5G-Strahlungen hervorgerufen werden könnten. Seine Antwort war ebenso kurz wie bemerkenswert: „Das klingt nach einer Verschwörungstheorie.“ Dieses Beispiel ist deshalb besonders interessant, weil hier ein Arzt spricht, der nicht nur akademisch ausgebildet ist, sondern verantwortliche Entscheidungen für die Gesundheit anderer Menschen treffen muss und einen gewissen Eid geschworen hat. Seine Antwort auf eine doch mindestens wissenschaftlich interessante und beachtenswerte Frage entsprach dem alten Sprichwort: „Watt de Bur nit kennt, dat will er nit.“ Und dieser Arzt hält sich vermutlich für einen besonders reflektierten, wissenschaftlich denkenden, aufgeklärten Menschen. Ich benutze dieses Beispiel gerne, um zu veranschaulichen, dass wahrscheinlich gerade (solchen) Akademikern aus nennbaren Gründen der Veränderungsprozess und Wandel größte Schwierigkeiten und eine Menge Überforderungen bereiten werden.
Um das Beispiel noch abzurunden: derselbe Arzt trug schon tagelang den ganzen Tag eine Anti-Atemmaske in seiner Praxis, von der im regelmäßig schwindelig wurde. Aber er reagierte sichtlich erstaunt und interessiert auf die Aufklärung, dass bereits nachgewiesen ist, dass wir mit diesem Luftfilter um ein vielfaches mehr Kohlendioxid und weniger Sauerstoff einatmen und dadurch sogar lungenkrank werden können. Hatte er noch nie gehört. Er erzählte dann nur noch emotional aufgeregt, dass eine junge Patientin unter 30 zuletzt „wegen Corona“ ins Krankenhaus eingeliefert werden musste und „beinahe gestorben wäre“. Auf die Nachfrage, ob man denn sicher sein könne, dass die Symptome usw. auf den Corona-Virus zurückzuführen seien, war er über jeden Zweifel erhaben: „Ja, natürlich, das konnte man an den Symptomen ganz eindeutig erkennen!“
In weniger als fünf Minuten wurde mir vor Augen geführt, was in Deutschland trauriger Standard ist: da steht ein kleiner, verängstigter, emotional hoch aufgeladener und völlig überforderter Jung vor mir und nennt sich „Arzt“. Das gleiche gilt natürlich für die kleinen Mädchen, die sich „Ärztinnen“ nennen sowie für Massen an „Richtern“, „Anwälten“, „Beratern“, „Wissenschaftlern“ und wie die Endprodukte der modernen akademischen Entwicklungshemmung alle so heißen. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Wir werden sicher einige Jahre brauchen, bis wir uns bei Ärzten (und den anderen verantwortungsvollen Berufen) wieder darauf verlassen können, erwachsene, denkfähige, reife und verantwortungsbewusste Menschen vor uns zu haben und keine verängstigten, vollkommen indoktrinierten und reflexionsunfähigen Systempuppen und (Pharma-)Lehrbuch-Referenten.
Geistige Faulheit
Sich Mund und Nase zu verdecken ist schlichtweg die intellektuell einfachere und geistig bequemere Variante als nachzudenken, Fragen zu stellen und sich zu informieren. Also gilt auch: wer glaubt, der Anti-Atem-Lappen sei ihm oder anderen zu Nutze, hat sich eben für den bequemen Weg der Unwissenheit und der kindlich naiven Folgsamkeit entschieden.
Dass das bei der offensichtlichen Verachtung der Regierenden für das Volk, ihrer Inkompetenz, Unehrlichkeit und Korruptheit irgendjemandem außerhalb psychiatrischer Dimensionen überhaupt noch möglich ist, mag diejenigen erstaunen, die das Phänomen des Schlafwandelns unterschätzen: diese Menschen sehen auf die Ferne aus und bewegen sich wie denkfähige Menschen, und doch… Damit können wir ihnen aber auch zugestehen, dass sie ein für allemal entschuldigt sind für ihre Fehleinschätzungen und großen „Meinungen“ über die Welt, die sie heute Morgen in der Zeitung gelesen haben. Wir können sie freistellen und in die wohlverdiente Verantwortungslosigkeit entlassen.
An der Anzahl der Maskenträger können wir unmittelbar sehen, warum eine funktionierende „Demokratie“ (d.h. wenn die Masse tatsächlich mitbestimmen würde) uns in den Abgrund führen würde. Denn siehe da, sobald die ungebildete, medienverstrahlte Masse entscheiden darf, was wissenschaftlich und politisch für alle und das Ganze das Beste ist, dann kann man z.B. auch ein totalitäres Infektionsschutzgesetz schon bei der Idee von einem Virus in voller Härte einsetzen. Vernünftige Menschen hatten dieses Gesetz einmal für echte Krankheiten und tatsächliche epidemische Bedrohungen (B-Waffen) vorgesehen, aber in einer digitalen und hochgradig virtuellen Welt muss es reichen, dass die Medien uns bloß von einem Virus erzählen, damit wir unsere Grundrechte aufheben und ein Grundgesetz (ebenfalls eine virtuelle Idee) aushebeln lassen.
Vor lauter irrealer Angstpropaganda fällt dem Bürger gar nicht mehr auf, dass er in der Realität immer den Kürzeren zieht, noch mehr eingeschränkt wird und schließlich selber noch draufzahlt. Die Gefahr ist zwar nur virtuell und erfunden, aber die Angst ist wirksam und der Verlust ist real. Wen aber interessiert schon die Realität während einer Massenpsychose, in der sich die meisten doch endlich einmal einig sind: es ist gut, Angst zu haben und zu verbreiten und es ist besser, noch mehr Angst zu haben und zu verbreiten.
Kein Grundbedürfnis des Menschen ist stärker als das, sich sicher zu fühlen. Und wenn alle großen Medien sagen, dass die Welt plötzlich wegen eines unsichtbaren Irgendwas, das uns allen an den Kragen will, höchst unsicher ist, dann lassen die Menschen alles stehen und liegen, auch sogenannte „innere Werte“, Freundschaft und gesunden Menschenverstand (sogar ihren Geschäftssinn) und spielen das „Titanic-Spiel“ mit. Und wie Blaise Pascal schon feststellte: wenn man etwas nicht glauben kann, dann kann man einfach so tun, als würde man es glauben. Irgendwann glaubt man es dann.
Das Bedürfnis nach Unterwerfung
Warum machen die Menschen das mit?
Ich meine, dass vor allem das Bedürfnis nach Angst und Unterwerfung bei vielen schon so groß geworden ist, dass ihnen jeder Vorwand genügt, um sich niederwerfen, auspeitschen oder eben die Atemluft abschnüren zu lassen. Es ist kein natürliches Bedürfnis, sondern eine neurotische Prägung der Schmerzvermeidung, indem man seine eigentlichen Ängste auf ein anderes vorgestelltes Geschehen projiziert. So kann man Angst haben ohne sich dem wahren Grund der eigenen Angst stellen zu müssen. Und dieser Selbstbetrug funktioniert – wie immer – im Kollektiv am besten.
Vielleicht sind gewisse bizarre Praktiken der Lust doch viel verbreiteter als wir dachten. Es kann sich aber in der Not nicht jeder eine Latexmaske leisten. Ein Stück Stoff mag es dann auch tun. Die Lust an der Selbstaufopferung und dem Beinahe-Ersticken hat schon vielen Psychologen Kopfzerbrechen bereitet. Am wahrscheinlichsten bleibt die Erklärung, dass sich hier unverarbeitete Kindheits-Traumata in verzerrter und fragmentierter Form Bahn brechen. Vom (oft medikamentös verursachten) Sauerstoffmangel während der Geburt bis zur Selbstquälerei, um endlich die volle Aufmerksamkeit der Eltern zu bekommen – was den Außenstehenden oft verwirrt, ist die paradoxe Verknüpfung von einem unnötigen Leiden mit Grundbedürfnissen, die wie jede Sucht vergeblich aber immer heftiger nach Befriedigung suchen.
Und wir hatten schon so lange keinen Krieg mehr! Otto Normalverbraucher hatte also seit allzu langem schon keine Bühne mehr für eine öffentliche Selbstaufopferung, was die Sehnsucht vieler nach einer publiken Selbstquälerei für einen guten Zweck ins unerträgliche gesteigert haben könnte. Corona hat sie erlöst. Haben sie alle ihr Soll nicht erfüllt? Gehen sie nicht wenn auch namenlos so doch zumindest nicht ohne Borniertheit als Märtyrer der Naivität in die jüngste Geschichte ein?
Wer freiwillig eine Maske trägt, kann sich einreden, etwas für die Gemeinschaft, die Gesundheit oder sonst irgendein allgemeines, schwer überprüfbares Konzept zu tun. Und zwar umso mehr, weil er leidet. Die masochistisch-katholische Haltung von „Ich leide, also verdiene ich (Gottes) Anerkennung“ mündet heute vielleicht in einem Show-Leiden und Exhibitionismus der Selbstaufopferung für etwas Höheres („die Menschheit“) und spiegelt doch nur die neurotische Verdrehung der Sehnsucht wider, gesehen und gewertschätzt zu werden.
Diese Herleitung ist gar nicht nur theoretisch aus der Luft gegriffen. In meiner Stadt ist das Stadtviertel, das am dichtesten mit öko-moralischen Idealisten besiedelt ist, auch das Viertel mit den meisten Maskenträgern, die die Selbstfolterung auf offener Straße konsequenter zelebrieren als alle anderen. Ich habe mich anfangs gewundert, dachte ich doch zuerst, diese Apostel der persönlichen Freiheit, der Super-Gesundheit, der Anti-Autorität und des Naturschutzes müssten den widernatürlichen Zwang doch am ehesten ablehnen. Das war ein Irrtum. Die Anti-Atemmaske ist die lang ersehnte Möglichkeit für sie, sich im Namen eines Rettungs-Narrativs zu opfern.
Ihr viel beschworener Anti-Egoismus und die darin verborgene Selbstablehnung können sich nun besser denn je als Opfer für das höhere Gute feiern und die masochistisch verlässliche Identität festigen. Die geradezu schon typisch deutsche (weil lange eingeübte) Überzeugung, dass wir uns und die Welt verbessern, indem wir unser Wesen (und unsere Natur) unterdrücken, gängeln und verraten lassen, bringt nun den tröstenden Ausgleich durch die moralische Selbstgefälligkeit und medial aufgeklärte Selbstgewissheit. Der Stolz des Masochisten ist: „Seht her, ich leide mehr und effektiver als ihr!“ und beschwingt ihn zu immer höheren Leidens-Leistungen. Er scheut weder Krankheit noch Tod, denn er weiß, dass er dafür umso mehr die sonst schmerzlich fehlende Beachtung verdient.
Zu dieser traurigen Verdrehung deutscher Geduld und Hilfsbereitschaft gehört allerdings auch der schon lange geprobte Hass auf alle anderen, vor allem alle die, die anders denken und sich ohne Selbstaufopferung wohl in ihrer Haut fühlen. Denn wer sich mit einer Idee identifiziert, der muss jede andere Idee als Feind betrachten.
Der blinde Fleck
Wir denken bei der Untersuchung von Verschwörungen oder Machenschaften meistens nur an die Seite der Verschwörer, Betrüger oder Kriminellen. Aber zu einer erfolgreichen Irreführung oder Geheimhaltung gehört immer auch die andere Seite, also der, der sich in die Irre führen lässt, etwas nicht sieht oder nicht versteht. Da schauen wir nicht so gerne hin, denn dann müssten wir ja auf unsere eigene Rolle in dem Spiel schauen. Da lehnen wir doch lieber Betrug als solchen rundherum ab und erklären ihn für „unmöglich“. Nach dem bewährten Motto: Wenn die Fakten nicht zu Deiner Lieblingstheorie passen, müssen die Fakten falsch sein.
Ebenso lehnen wir auch ganz grundsätzlich Macht als reales Phänomen überhaupt ab, weil wir sonst vielleicht erkennen müssten, dass wir sie nicht haben und am Ohnmachts-Ende der Polarität hängen. Von weiterreichender Kontrolle oder globaler Steuerung wollen wir auch nichts wissen, denn es könnte der Gedanke aufkommen, dass wir seit eh und je ohne es zu bemerken auf der Position der Kontrollierten und Gesteuerten festsitzen. Dann doch lieber Augen und zu und jeden Hinweis auf die Fragestellung abtun. In einer unbequemen Realität halten sich Kinder lieber an ihre Fantasien.
Es geht also vor allem um eine Ablehnung und die Schutzreflexe gegenüber dem Themenkomplex von Macht und Ohnmacht, zu dem wir uns nun langsam vorgearbeitet haben. Sowohl der Wunsch nach Fremdbestimmung, die Tendenz zur naiven Folgsamkeit als auch der Unterwerfungszwang und die kindliche Verantwortungslosigkeit der Systemopportunisten, die wir bis hierhin betrachtet haben, sind Facetten eines ungeklärten Verhältnisses zur Dynamik von Macht, das für die meisten durch Angst definiert ist.
Macht und Selbstbestimmung
Wir alle waren in unserer Kindheit in ein starkes Hierarchie-Gefälle eingebunden. Je jünger wir waren, desto abhängiger und hilfloser waren wir und desto größer war der Unterschied zu den Älteren um uns herum, die viel mehr konnten, viel mehr wussten und dadurch in der physischen Welt vor allem viel mehr Einfluss hatten. Diese unsere Erfahrungen mit Abhängigkeit von einflussreicheren Menschen haben uns somatisch und emotional geprägt lange bevor wir darüber nachdenken oder eine Meinung darüber haben konnten.
Wir hatten nicht die Wahl, ob wir uns ausliefern wollten oder wem. Wir waren ausgeliefert – und zwar den Menschen, die sich unserer annahmen. Das liegt in der Natur des Kindseins und seiner Bedürftigkeit. Was uns geprägt hat, sind die angenehmen und unangenehmen Erfahrungen innerhalb dieses Ausgeliefert- und Abhängig-Seins. Die Erfahrungen unserer ersten zwei Lebensjahre mit den größeren, mächtigeren Wesen bilden für den Rest unseres Lebens unsere intuitive und emotionale Einstellung gegenüber der Welt, insbesondere gegenüber Menschen, die uns in irgendeiner Weise nahe kommen – es sei denn, wir begeben uns später als Erwachsene mit unserem eigenen Bewusstsein nochmal zurück in die Tiefen dieser frühen nonverbalen Prägungen, um sie zu verändern.
Ab spätestens dem dritten Lebensjahr entsteht in der Kindheitsentwicklung jedoch eine weitere Differenzierung und Reifung dadurch, dass das Kind mehr und mehr Selbstkontrolle gewinnt, also Kontrolle über Impulse und Handlungen, dadurch eigene Handlungen planen, intentional und strategisch vorgehen und sich dabei an Maßstäben von „richtig“ und „falsch“ orientieren kann. So entsteht die Basis von Willenskraft, weil sich das Kind nun immer weniger mit seinen Impulsen dafür aber immer mehr mit der Steuerung seiner Impulse identifiziert. Das Ich-Gefühl verbindet sich nun mit den Fähigkeiten, Dinge absichtlich zu tun, zu lassen, aufzuschieben und in geplanter Reihenfolge auszuführen. Damit beginnt die handlungsbezogene Selbstbestimmung, die das Fundament für die spätere kognitive, dann soziale und schließlich geistige Selbstbestimmung legt. Wenn das Kind darin nicht gestört wird, entwickelt es einen gesunden Stolz auf diese neuen und wertvollen Fähigkeiten. Sie sind später wichtige Werkzeuge für Ausdauer, selbstgewählte Disziplin und soziale Einpassung ohne dabei das Selbstgefühl zu verlieren.
In dem Zeitfenster von ca. 2,5 Jahren für diese „Willensentwicklung“ lernt das Kind nicht nur sich zu kontrollieren, sondern auch, inwieweit diese Kontrolle im sich nach eigenen Bedürfnissen und Impulsen richten kann (Selbststeuerung) oder sich nach Erwartungen und Bedürfnissen anderer richten muss (Fremdsteuerung).
Lange Zeit herrschte in der Kleinkindpädagogik und Erziehungskonzeption in Deutschland die militärische Idee, man müsse „den Willen des Kindes brechen“, damit es später kein Tyrann werde. Um es an dieser Stelle kurz zu halten: jede Empirie beweist das Gegenteil, wie die Entwicklungspsychologie heute auch weiß; erst und gerade durch die Unterdrückung der Entfaltung kindlicher Selbstkontrolle und seiner essentiell wichtigen Kraft- und Grenzen-Experimente entsteht eine lebenslange Konditionierung zum unterwürfigen, masochistischen Charakter („Der Untertan“) oder zu seiner Inversion, dem sadistischen, machthungrigen Charakter („Der Tyrann“), die beide bloß zwei Varianten einer massiven Störung von Willenskraft und Selbstausdruck darstellen.
Die Dominanz solcher als Pädagogik getarnter Unterwerfungsphilosophien ist Teil einer geistig verdunkelten Epoche der Deutschen von über 50 Jahren, denn wir waren in der Zeit der Romantik, die aus den Ansätzen der Aufklärung eine einmalige, ganzheitliche Philosophie der menschlichen Entfaltung entwickelte, schon viel weiter. Die strategische Elternberatung für den Machtkrieg mit ihren Kindern gehört zwar seit den 1960ern der Vergangenheit an, wir haben aber bis heute noch sowohl mit ihren Ausläufern als vor allem auch mit ihrer radikalen Gegenbewegung zu tun, die sich als „anti-autoritär“ bezeichnet und wiederum übers Ziel hinaus schoss, weil sie meist auf „Anti-Struktur“, also auch „Anti-Halt“ und deshalb auf „Anti-Sicherheit“ hinausläuft.
Kinder brauchen vor allen Dingen Halt und Sicherheit. Darauf bezieht sich die bekannte Erziehungslosung „Kinder brauchen Grenzen“ – gemeint sind nicht mechanische Beschränkungen und schon gar nicht Unterdrückung durch Machtkämpfe (die das Kind nur verlieren kann), sondern Grenzen als Kontakt- und Erfahrungsflächen, um sich selbst, die eigenen Kräfte und Wirkungen auf andere kennen zu lernen.
Wenn ihre experimentellen Impulse zur Einflussvergrößerung unbegrenzt oder sogar unbeantwortet bleiben, dann schlagen sie irgendwann ins Asoziale und Manipulative um. Statt Selbstkontrolle und Selbstdisziplin lernen sie, andere und die Welt für ihre Bedürfnisse und Impulse zurechtzubiegen und andere geschickt oder gewaltsam zu ihren eigenen Zielen zu verführen. Dann haben wir kleine Narzissten-Persönlichkeiten, die auf ihre Manipulation und Kontrolle der Außenwelt angewiesen sind, um sich… stark und mächtig zu fühlen? Nein, um sich sicher, gehalten und nicht ohnmächtig zu fühlen.
Das ist der entscheidende Punkt: sowohl das Kind, das keinen eigenen Willen haben und äußern darf als auch das Kind, das seinen Willen nicht im Kontakt testen und realistisch-sozial begrenzen kann, erleben in dieser enorm wichtigen Entwicklungsphase eine überfordernde Ohnmacht. Entweder die Ohnmacht, von der Macht der Größeren, Stärkeren, ja, Verantwortlichen chancenlos überwältigt zu werden. Ein Kind wird immer den Weg wählen, der ihm die weitere Zuwendung und den Schutz der Bezugsperson sichern – dafür ist das Kind auch bereit, seine eigene Kraft komplett zu leugnen und zu unterdrücken, was dann eine generelle Lebenshaltung werden kann.
Oder das Kind erfährt die Ohnmacht, im Austesten der eigenen Einflusssphäre kein haltgebendes Gegenüber und dadurch keinen Austausch zum Lernen zu finden. Damit laufen die eigenen Machtimpulse ins Grenzenlose, das heißt genauer: ins Kontaktlose. Ein Kind wird alles tun, um sich nicht ohnmächtig zu fühlen. Entweder, indem es eine Konfrontation in Zukunft komplett meidet und die eigenen Bedürfnisse, Impulse, Interessen, Fragen, usw. dafür unterdrückt (es unterwirft sich den äußeren Bedingungen: der Untertan). Oder indem es sich selbst aus seinen kindlichen Fähigkeiten, seiner Fantasie und seinen Bedürfnissen eigene Grenzen behelfsmäßig konstruiert, bei denen die Bedürfnisse und Grenzen anderer, soziale Anforderungen oder Hierarchien gar keine Rolle spielen (es entwickelt eine fantastische, megalomane Persönlichkeit: der Narzisst und der Tyrann).
Der narzisstisch-tyrannische Charakter lebt dann in der tatsächlich erlebten und tief verinnerlichten Haltung, dass die Welt ihn nicht begrenzen kann, dass nur er selbst sich Rahmen, Grenzen und Maßstäbe setzen kann und folglich alle anderen macht-hierarchisch unter ihm stehen müssen. Die größtenteils unterdrückte Fantasie aus dem Mangel an Grenzerfahrung ist: „Wenn ich mich nicht streng selbst kontrolliere, dann kann ich die ganze Welt vernichten“. Auch wenn er später intellektuell einsehen muss, dass das natürlich nicht stimmt, so bleibt dies doch seine emotional fest verankerte Grundeinstellung, deren Wurzel Angst ist. Angst vor dieser speziellen Ohnmacht, nicht genug begrenzt und im Kontakt sein zu können mit der eigenen Kraft. Angst davor, dass dieser Drang nach Grenztestung, so weit über das eigene Ich-Gefühl hinausgeht und dann nicht mehr kontrolliert werden kann, dass es tatsächlich letztlich die Angst vor dem Selbstverlust, also vor einer Art Psychose ist. Das soll hier nur erwähnt sein, um das Ausmaß und die Tiefe dieser Angst zu verdeutlichen.
Die Angst vor der Macht
Für unsere Untersuchung hier ist wichtig, dass beide Varianten der Entwicklungstraumatisierung – die Willen-unterdrückende und die Willen-vernachlässigende – dazu führen, dass Menschen Angst in Bezug auf Macht und Hierarchien somatisch und emotional verinnerlichen.
Erst später entwickeln sie dann aus dieser Angst und emotionalen Prägung heraus eine Macht-ängstliche Lebensphilosophie oder sogar eine Macht-ablehnende Ideologie, die sie für richtig halten, weil sie ihren eigenen Erfahrungen und Gefühlen entspricht. Deshalb helfen gegenüber solch wahrhaft eingefleischten Konzepten kaum Argumente und Erklärungen, weil sie auf einer nicht-intellektuellen, meist unbewussten Ebene idiosynkratisch richtig sind – eben in Bezug auf die eigenen frühen Erfahrungen, die nur verallgemeinert werden. Wenn derart geprägte Menschen sich später soziale Verbindungen suchen, die sie in ihren Überzeugungen bestätigen und befeuern, bleiben sie in der unreflektierten Gewissheit stecken, dass Macht an sich schlecht und bedrohlich ist.
Wie sehen sie dann die Welt? Sie sehen sie durch ihre Erfahrung und Gewissheit hindurch, dass Macht ein Problem ist, das irgendwie abgeschafft oder bekämpft werden muss; dass jegliche Form von Hierarchien zu Machtmissbrauch führt; dass Rangstufen des Einflusses und Entscheidens gefährlich sind.
Wenn die Erfahrung von Macht, Rangordnung und Einfluss-Möglichkeiten eng verknüpft ist mit der Erfahrung von Machtmissbrauch (Unterdrückung oder Vernachlässigung), dann verschmelzen diese beiden Konzepte zu einem Angst-Macht-Komplex, der hauptsächlich einen psychischen Effekt hat, den wir für unsere Betrachtungen herausstellen wollen: Macht muss dann chronisch gemieden werden – sowohl symbolisch-gedanklich als auch real. Mit anderen Worten: Macht wird ein emotionales, intellektuelles und soziales Tabu. Sie wird im wahrsten Sinne des Wortes undenkbar. Außerdem böse und falsch.
Damit sind dann leider auch die verantwortungsvollen, fürsorglichen, beschützenden, fördernden, gestaltenden und erhebenden Formen von Macht ausgeschlossen. Das ist die geistige Sackgasse, in der heute bereits mehrere Generationen auf ihre Weise feststecken: da sie Macht als solche ablehnen, finden sie keinen funktionierenden Weg mehr zu Verantwortung, Allgemeinwohl, Sicherheit, Loyalität, Entwicklung und Freiheit. Sie suchen nach einer gesunden Ordnung ohne Macht und Hierarchien, was ein Ding der Unmöglichkeit ist, weil es in ihren ausgedachten Systemen keine Orientierung und keine Personifikation von Verantwortung und Anerkennung gibt. Ihnen fehlt eben genau das, was sie emotional verdrängt und tabuisiert haben. Zu der förderlichen Macht mit positivem Vorzeichen und was wir dafür benötigen, kommen wir weiter unten im Text noch ausführlicher.
Ein Kind kann eine reale Gegebenheit, wie Macht und Hierarchie sie nun einmal im Kinderleben sind, nur auf eine Weise vermeiden: es muss sie aus seiner Wahrnehmung verdrängen. Die Psyche des Kindes baut einen Filter in die Wahrnehmung ein, der jedes Signal in Zusammenhang mit Einfluss, Macht oder Rangunterschieden von der bewussten Verarbeitung fernhält. So entstehen die sprichwörtlichen blinden Flecken. Wenn sie vor dem vierten Lebensjahr essentiell wichtig sind für das Kind, dann sind sie nicht reflektierbar, weil das Kind bis zu dem Alter noch kein ausreichendes selbstbeobachtendes Denken entwickelt hat. Ein dermaßen geprägter Mensch kann ohne intensive äußere Hilfe weder über seinen Filter noch über tatsächliche Machtverhältnisse nachdenken, weil sie für ihn schlichtweg nicht erkennbar sind. Und wenn man es schafft, sie ihm dennoch an seinen gewohnten Filtern vorbei sichtbar zu machen – z.B. in bildlicher, sehr plakativer und einfacher Sprache – dann wird man feststellen, dass sein Verständnis von Machtbeziehungen auf dem Niveau eines dreijährigen Kindes steht. Wahrscheinlich sogar auf dem Niveau eines verletzten, also ängstlichen und misstrauischen dreijährigen Kindes.
Dies gilt es zu berücksichtigen, wenn wir uns im Geschäft der Aufklärung oder des politischen Systemwandels engagieren. Wir müssen mit vielen Unmündigen rechnen und arbeiten.
Nicht sehen können – nicht verstehen können
Was sind die weiteren Effekt vom Angst-Macht-Komplex und dem Anti-Macht-Filter? Aus dem Nicht-Sehen-Wollen (weil zu sehr mit Schmerzen und Ohnmacht verbunden) wird ein Nicht-Sehen-Können, welches die hartnäckige innere Haltung bildet für die weitere persönliche Entwicklung über das Grundschulalter, durch die Jugend bis ins Erwachsenenleben hinein. Wir haben dann später erwachsene Menschen – politisch gesprochen also auch: Wähler – die
- Macht und Hierarchien für etwas grundsätzlich Falsches und Böses halten und
- reale Machtverhältnisse nicht wahrnehmen können.
Natürlich funktioniert das in der extremen Ausprägung, die wir heute als Verblendung einer komplette Generation erleben, nur, wenn besonders die Jugendlichen entsprechend indoktriniert werden. Denn ihre Neugier und ihr erwachender Geist der Emanzipation müssen gelähmt und klein gehalten werden. Der moderne Weg dafür lässt sich als Zumüllen zusammenfassen. Die Glaubenssätze, die gefühlsmäßig passen und dann auch noch sozial am meisten belohnt werden, werden deshalb von den jungen Menschen aufgesogen wie Naturgesetze. Sie lassen sich auf zwei Axiome zurückführen:
- „Macht und Hierarchien sind schlecht, veraltet und deshalb zu meiden.“ Ideologische Stichworte dazu: Hierarchielosigkeit, Basis-Demokratie, Liberalismus, Anarchie, Gleichstellungs-irgendwas, Emanzipation usw.
- „Es gibt gar keine echte Macht und Hierarchie mehr.“
Mit anderen Worten: glaube den Machthabern, dass sie gar keine Macht mehr hätten, alles ist „demokratisch“, du kannst bei allem mitreden, deine Stimme ist wichtig und du darfst dich für selbstbestimmt halten, solange du dich genau an die Spielregeln des Systems hältst.
Die Botschaft von Indoktrination 1 lässt sich auch formulieren als: „Denk nicht nach!“, während die von Indoktrination 2 lautet: „Schau nicht hin!“ Beide zusammen bilden die paradoxe Botschaft von: „Glaube das, was du von den Autoritäten des Systems lernst, damit du dir innerhalb des Glaubenssystem einbilden kannst, du seist unabhängig, emanzipiert und selbstbestimmt (während du komplett fremdbestimmt bist)“. Kurz: das Matrix-Phänomen: innerhalb der Matrix kannst du glauben du seist frei, solange du nicht zweifelst und keine Fragen stellst.
Das Ergebnis dermaßen emotional und konzeptuell indoktrinierter und betäubter Menschen sehen wir heute in den massenhaften Überzeugungen von vor allem jungen Erwachsenen, die das Nachsprechen unreflektierter Ideologien und Slogans schon für ihre erfolgreiche Emanzipation halten und sich exakt nach den Vorgaben des Systems bewegen können in der festen Überzeugung, sich dabei tapfer gegen das System und für die wahre Freiheit zu engagieren.
Da sind Generationen von „Männern“, die nicht bloß Gewalt, sondern jeglichen Einsatz von Einflussnahme ablehnen. Sie haben ihren inneren Zugriff auf Aggressionsfähigkeit, Kampfbereitschaft, Selbstbehauptung und Eigenpositionierung auf so früher Ebene blockiert, dass sie nun davon ausgehen, dass es dieses Potenzial in ihnen gar nicht gibt. Sie halten sich für die gesegnete neue Generation von Friedensbringern und bemerken nicht, dass sie ihren herbeigeträumten Marihuana-Frieden gegen keine Gegenkraft durchsetzen geschweige denn verteidigen könnten. Sie halten ihren ängstlich-überforderten, prä-pubertären Verzicht auf Selbstbestimmung für ihre ganz besondere Form der Selbstbestimmung und bilden Gruppen, Initiativen und Projekte, um sich darin gegenseitig zu bestätigen.
Und sie schwärmen von „Schwarm-Intelligenz“ – ein irriges Konzept, das sich jemand ausgedacht muss, der gerne Kollektive steuert oder sie zumindest gerne hilflos in den Abgrund taumeln sieht. Vielleicht auch einfach nur ein weiteres Beispiel für menschliches Wunschdenken. Es gibt keine Schwarm-Intelligenz, sondern höchstens Schwarm-Instinkt. Schwarm- und Herdentiere agieren aus dem Instinkt ihrer Art. Wenn Menschen aus diesem Herdentrieb oder aus ihrem „größten gemeinsamen Nenner“ agieren, dann ist das eine mächtige Reduktion menschlicher Intelligenz und menschlichen Potenzials. Alle großen konstruktiven Leistungen und Bewegungen der Menschheitsgeschichte gingen von einem oder ein paar wenigen (sehr individuellen) Geistern aus. Wo so etwas wie „Schwarm-Intelligenz“ wirkte, kann man nur vom Horror der „Massendummheit“ sprechen: Massenhysterie, Massenpsychose, Massendestruktivität. Jeder Fortschritt, Aufbau, jede Innovation folgte stets der gleichen Dynamik: einer hat die Idee, einige wenige setzen sie um und die Masse übernimmt sie später mechanisch und lässt sie zum neuen Standard werden.
Was aber all die Ideen à la Schwarm-Instinkt ermöglichen, ist das Mitschwimmen mit einer Gruppe oder einem Kollektiv ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Der authentisch freie Geist eines Menschen sollte sich ab der Pubertät über jegliches Mitlaufen und Schwarm-Sonstwas empören. Diesen geistigen Entwicklungsschritt zu betäuben und zu blockieren braucht eine mächtige Gegenkraft und diese Gegenkraft ist der beschriebene Angst-Macht-Komplex. Den gilt es zu durchschauen, um frei zu werden.
Er sorgt dafür, dass Menschen Kinder bleiben und sich als Teenager dafür entscheiden, sich vom umfassenden System lenken und bestimmen zu lassen. Warum? Weil es einfacher, greifbarer, sozial anerkannter und vertrauter Weg ist. Und weil es keine sichtbare Alternative mehr gibt. In unserer Gesellschaft wurde die Unterstützung für die Emanzipation der Jugendlichen – also echtes Erwachsenwerden – fast gänzlich abgeschafft. Marginale Reste solcher Unterstützung haben sich ins Unsichtbare innerhalb und außerhalb der Institutionen zurückgezogen. Einer unserer dringendsten Aufgaben besteht darin, sie aus ihren Überlebenswinkeln und Nischen wieder an die sichtbaren Führungsspitzen zu heben und geistiges Erwachsenwerden wieder zu fördern.
Zusammenfassung zum Macht-Angst-Komplex
Fassen wir einmal zusammen: Menschen mit emotional verankertem und ideologisch fixiertem Angst-Macht-Komplex wollen und können Macht, Machtstrukturen und Hierarchien des Einflusses nicht sehen. Ihnen fehlt sowohl die Erkenntnisfähigkeit für Wirk- und Machtstrukturen in der Außenwelt als auch psychisch-innerlich. Ihre Selbstkontrolle beruht auf der Anpassung an äußere Bedingungen, von denen sie abhängig bleiben, um sich gehalten und sicher zu fühlen. Diese Abhängigkeit gilt sowohl für den Sich-Unterwerfenden mit seiner kollabierten oder unterdrückten Willenskraft als auch für den narzisstischen „Anführer“ mit seinen egozentrisch inflationierten Machtfantasien. Beiden fehlt echte Selbstkontrolle, Selbstdisziplin und Selbstregulation. Und damit echte Eigenständigkeit und (Selbst)Verantwortungsfähigkeit. Wir können auch sagen: Mündigkeit. Beide hängen psychisch vollkommen am Tropf eines Systems, das ihnen das Milieu gibt, das sie brauchen, um sich zu stabilisieren und nicht an ihre Angst vor Ohnmacht zu rühren.
Wenn man Menschen mit kollabierter Willenskraft reale Machstrukturen aufzeigen oder erklären möchte, stößt man auf eine betonharte emotionale Mauer, die außerhalb jeglichen rationalen Verhaltens liegt. Sie können und wollen nicht nur Machtdynamiken nicht sehen, sie können und wollen vor allem Machtmissbrauch nicht sehen und werfen ihn mit Macht gerne in einen Topf. Deshalb reagieren sie emotional aufgeladen, wenn ihnen Macht offen entgegen tritt, denn sie wittern sofort überall nur Missbrauch. Die Folge ist noch irrationaler: sie bevorzugen es (emotional/psychisch), dass Macht unsichtbar und im Verborgenen also manipulativ bleibt, denn dann können sie sie besser leugnen. Dass sie dadurch zu Objekten der Fremdsteuerung werden, nehmen sie gar nicht wahr. So infantil-naiv wie das klingt ist es tatsächlich.
Und sich mit realen Machtstrukturen intellektuell aufrichtig auseinanderzusetzen – also ohne ideologische Wunschprämissen und Axiome – bedeutet stets, sich mit der eigenen Ohnmacht auseinanderzusetzen, was auf sehr früher Ebene blockiert, sprich: traumatisiert sein kann. Und mit einem traumatisierten Menschen kann man nicht wissenschaftlich sprechen. Das muss anders ablaufen, wenn es konstruktiv sein soll.
Was die Macht-Ängstlichen tun, ist, ihre Macht abzugeben. Da jegliche Einflussnahme per se als etwas Schlechtes in ihrem Unterbewusstsein gespeichert ist, müssen sie sie soweit wie möglich von sich wegschieben. So werden auch Selbstbehauptung, Mitbestimmung und Mitgestaltung wie ein Schwarzer Peter möglichst weit weggereicht und ausgeblendet. Dann können sie ihre tatsächliche Machtlosigkeit als Erleichterung und Fortschritt feiern.
Diese Menschen werden selbst den offensichtlichsten und leicht nachprüfbaren Fakten über Machtdynamiken mit aggressiver Ablehnung begegnen. Der kopflose Pauschalangriff: „Verschwörungstheorie!“ ist wie oben schon beschrieben ihr letzter hilfloser, irrationaler Versuch der Abschottung gegen die bedrohliche Erkenntnis der eigenen Ohnmacht.
Denn wer sich mit den tatsächlichen Machtstrukturen in der Welt beschäftigt, der ist zunächst auch einmal mit der eigenen Ohnmacht und dem Zerbrechen eigener Macht-Illusionen konfrontiert. Wer dieses intellektuelle „Aufwachen“ schon erlebt hat, der weiß sofort, wovon hier die Rede ist. Ohnmacht zu integrieren und dabei nicht in neue neurotische Abwehr-Mechanismen oder paranoide Zwangsgewohnheiten zu verfallen, ist ein schmaler und steiler Pfad, auf dem schon viele abgerutscht oder steckengeblieben sind.
Wer all dem ausweichen will, der kann es sich nur in der Ohnmacht bequem machen: sich mit gleichgesinnten Macht-Verweigerern zusammentun, dem Diktat der kollektiven und ideologischen Fremdbestimmung folgen, das mutige eigene Denken betäuben und sich einreden, man sei in der formlosen Zugehörigkeit doch schon ganz schön individuell – weil man sich ja seinen Bildschirmschoner, sein Facebookprofil und den Klamottenkauf „personalisieren“ kann. Lebenswichtig ist für die derart Kind-Gebliebenen, dass sie jede Information über die realen Machtverhältnisse oder über ihre Position der vollkommenen Abhängigkeit akribisch von sich fernhalten müssen. Zur Not mit Gewalt.
Es darf daher nicht überraschen, wenn wir gerade in den Gruppen mit den lautesten Autonomie-, Anti-, Außenseiter- und Aussteiger-Bekundungen die Abhängigsten und System-Ängstlichsten finden. Wenn Fernseher, Radio und „offizielle Kanäle“ des angeblich doch so abgelehnten Systems sagen, es müssten jetzt Mundmasken getragen werden, sind sie sofort und geflissentlich in der ersten Reihe dabei – und bekämpfen die Systemfeinde mit der typischen Zuverlässigkeit von Angst und Ignoranz. Werden sie nicht auch dafür einstehen, dass bestimmte Menschen einen gelben Stern tragen sollten, dass man bestimmten Menschen ihre Grundrecht entziehen sollte? Und wenn die Regierung und ihre Wissenschaftler sagen, sie sollen rote Nasen aufsetzen, sich die Augen verbinden und aus dem Fenster springen – dann muss es getan werden. Ach, die vollmundige Kinderrevolte findet nur statt bis die Mutti ins Kinderzimmer kommt und „Schluss!“ oder zum Essen ruft.
Es bedarf nur ein paar weniger skrupelloser Leute, die sich diese gebündelte Angst zu Nutze machen wollen, und sie in die gewollte Richtung innerhalb ihres Systems kanalisieren: so baut man das, was man Faschismus nennt und muss dabei den macht-ängstlichen und willenlosen Mitläufern nur täglich einreden, dass es gar keine Macht gibt und dass alles nur zu ihrem Besten ist. So spaltet sich über die Zeit hinweg die Gesellschaft: auf der einen Seite die betäubt-träumenden Systemmitläufer in ihrer chronisch ängstlichen Überforderung und auf der anderen Seite die aufmerksam Wacheren, die erkennen, wie das gesamte Schiff mit voller Kraft und Begeisterung auf das Eismassiv zusteuert.
Damit kommen wir zur Differenzierung zwei fundamental unterschiedlicher Entwicklungszustände des Menschen:
Individualität versus Kollektiv-Mensch
Man könnte nach unseren bisherigen Betrachtungen zu der Meinung gelangen, Macht sei ein Spezialthema für Psychologen, Sozialwissenschaftler und geopolotische Analysten. So ist es hier jedoch nicht gemeint. Auch wenn wir uns im weiten Bogen angenähert haben, möchte ich doch auf den Punkt kommen, dass Macht eines der essentiellsten Themen des menschlichen Lebens ist. Und zwar nicht nur sozial oder in Bezug auf die Organisation und Steuerung einer Gesellschaft, sondern vielmehr für jeden einzelnen.
Jeder selbstreflektierte Mensch wird sich früher oder später die Frage nach der Macht stellen. An dieser Frage führt kein Weg vorbei – außer Ignoranz und Ablenkung, die nicht nur die Wurzeln des Leids sind, wie die Buddhisten wissen, sondern auch die der Retardierung. Spätestens bei der Frage nach der eigenen Selbstbestimmung und Unabhängigkeit oder nach dem eigenen Willen taucht das Thema der Macht auf: wer oder was bestimmt, was und wie ich denke, was ich fühle und was ich tue? Die Frage nach der Macht ist die Frage der Emanzipation. Und die Emanzipation ist die Vorbedingung für die Individuation.
Wer sich nicht emanzipiert, der kann keine individuelle Identität entwickeln. In der ungenauen Alltagssprache, die unsauberes Denken spiegelt und deshalb mittlerweile sogar in sogenannte „Expertenrunden“ Einzug erhalten hat, wird Individualität meist mit Einzigartigkeit verwechselt. Jede Schneeflocke ist einzigartig, aber sie ist nicht individuell. Jeder Mensch mag ebenso einzigartig sein – individuell, also Individuen sind nur wenige.
Individuum ist, wer sich mit einem unteilbaren inneren Kern identifiziert (lat. in-dividere = un-teilbar), also mit seinem eigenen Wesenskern. Eine entscheidende Eigenschaft von individuierten Menschen ist, dass sie von innen nach außen leben und aus ihrer Eigenart heraus agieren. Sie bringen dadurch eine wiedererkennbare Konstanz im Ausdruck mit sich, die Kinder und nicht-individuierte Menschen nicht haben, weil sie re-agieren und sich dadurch überwiegend von der Außenwelt gesteuert verhalten. Eine weitere Eigenschaft des Individuums ist, dass Denken, Fühlen und Sinneswahrnehmung eine Einheit bilden. Unterhalb dieser Reifestufe führen diese Funktionen ein weitgehend getrenntes, unkoordiniertes Eigenleben und sorgen stets für Chaos untereinander, das nur durch haltgebende und steuernde äußere Bedingungen im Zaum gehalten werden kann.
Bevor der Mensch ein Individuum wird, ist er ein Kollektiv-Mensch. Der Kollektiv-Mensch denkt, fühlt und tut das, was das Kollektiv denkt, fühlt und tut. Er stellt nichts Eigenes, Separates oder Autonomes dar, sondern bloß eine verkörperte Sammelstelle für unpersönliche äußere Strömungen. Wenn die meisten Menschen um den Kollektivmenschen herum sich einen Lappen vor den Mund binden, tut er das auch. Wenn sie „grün“ schreien, schreit er „grün“, wenn sie sagen, „Chemotherapie hilft“, dann lässt er sich vergiften, wenn die Regierungs-Statistiken sagen, die Bürger seien zufrieden, dann hält er sich für zufrieden und wenn der Arzt ihm sagt, er habe eine tödliche Krankheit, dann stirbt er, wie es sich gehört. Verstehen von alldem tut er nichts. Einen eigenen Standpunkt dazu hat er auch nicht – höchstens imitierte Standpunkte von anderen. Der Ersatz für „die anderen“ und „was man tut“ ist heute der Fernseher. Der moderne Kollektivmensch kann also gänzlich isoliert leben und trotzdem glauben, er sei Teil von etwas Größerem. Das ist er auch, er hat nur keine Ahnung, was dieses Größere wirklich ist und wozu es ihn benutzt.
Was dem Kollektivmenschen fehlt, sind Innen-Orientierung und ein eigener innerer Bezugspunkt aus Wissen, Erfahrung und Verstehen. Seine Orientierung beruht weiterhin auf einem Kleinkind-Mechanismus, der sich „social referencing“ (in etwa: „soziale Bezugnahme“ oder „sozialer Rückbezug“) nennt. Das Kind schaut in neuen oder Entscheidungs-Situationen danach, wie die Eltern reagieren oder handeln und richtet sich danach. Wir können auch daran erkennen, dass der Kollektiv-Erwachsene im Grunde ein ältergewordenes Kind ist, das die Eltern bloß durch Autoritäten und den Fernseher ersetzt hat.
Stress frisst Hirn
Social referencing als basale Hirnfunktion tritt übrigens auch vermehrt unter Stress, Überforderung und Druck auf, denn das eigene Denken kann erst einsetzen, wenn das Nervensystem dafür genug Freiraum lässt. Es müssen im Nervensystem genügend Ressourcen frei sein, um Kapazität zum Denken, Nachdenken und Hinterfragen zu haben. Der moderne Hamsterrad-Mensch, der oft schon seit seiner frühen Schulzeit an den Zustand der Dauerüberforderung und -angst gewöhnt ist, hat kaum Kapazität zum Nachdenken. Er muss sich mit primitiveren Lösungsstrategien und Entscheidungswegen behelfen, z.B.: „Tu was die anderen tun. Fall nicht auf. Schau, was du für dich rausholen kannst. Schau nicht links und rechts, bleib auf der schmalen Straße des unmittelbaren Selbsterhalts.“
Stress frisst Hirn. Und damit Intelligenz, Weitsicht, Empathie und Verstand. Es ist nicht fair, solch überforderten Menschen die Aufgabe zu geben, die beste Regierung für ein komplexes Ganzes zu bestimmen, das sie nicht einmal annähernd überschauen. Sie werden ja doch nur an der Nase herumgeführt von denen, die die Massen bzw. die Medien steuern. Man verstehe den Teufelskreis von Beeinflussung und Unterwerfung und bringe damit das gesamte System der Pseudo-Demokratie mit ihren blühenden Fantasie-Versprechen ein für allemal hinter sich!
Natürlich ist der Übergang vom reinen Kollektivmenschen zur höheren Reifestufe des Individuums fließend und man kann alle möglichen Mischverhältnisse von Kollektiv-Verschmelzung und Elementen echter Individualität finden. Das soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheit der Menschen im Zustand der Kollektivabhängigkeit lebt.
Die inneren und äußeren Bewegungen von Kollektivmenschen werden von Kräften bestimmt, die außerhalb von ihnen liegen und für sie unsichtbar sind. Diese Kräfte lenken die Menschen so wie der Mond das Meer bewegt. Einer dieser ferngesteuerten Automatismen im modernen Kollektivmenschen sind die Überzeugungen: „Ich bin ein Individuum“, „Ich bin einzigartig“ und „Ich bin etwas besonderes“. Diese Überzeugungen sind nicht begründbar, aber begründet: nämlich in der Imitation der Umwelt. Diese imitierten Gedanken-Schnipsel sind zwar falsch, aber daran ist nichts falsch.
Ich kenne keinen Hinweis, dass es jemals anders war in der Menschheitsgeschichte geschweige denn zukünftig anders wird. Die unauslöschliche Idee, dass „die Menschen“ einen „Bewusstseinssprung“ machen und sich Abrakadabra durch rätselhafte kosmische Einflüsse in individuelle erwachte Wesen verwandeln ist ein moderner Mythos der – nicht verwunderlich – Kollektivmenschen besonders anzieht. Einer genaueren Prüfung halten solche Traumprophezeiungen nicht stand. Man kann genauso wenig zum Individuum „gemacht werden“, wie man unbewusst bewusst oder mechanisch menschlich werden kann.
Der stets von außen bewegte Kollektivmensch jedoch fantasiert unter anderem auch von seiner eigenen Himmelfahrt als Abholservice. Solche Träumereien sind Zeichen und Wächter für tiefen und festen Schlaf weit ab von den initiatischen Schwellen zu echtem individuellen Bewusstsein als Einzelner. Man kann mit ihnen allerdings durchaus eine Menge Geld, Ruhm und Macht gewinnen – innerhalb der Matrix, versteht sich.
Wer vom „Massen-Erwachen“ spricht, der spricht tatsächlich von nichts Weiterem als dem Wechsel der Filmrolle in Platos modernisierten Höhle. Er spricht von der Matrix reloaded, nicht vom Ausstieg aus der Matrix. Bewusstsein ist ein Punkt-Phänomen, das sich nur in der ersten Person Singular spiegeln kann. C. G. Jungs „Kollektives Unbewusstes“ ist eine Art versteckter terminologischer Pleonasmus: das Unbewusste tritt immer im Kollektiv auf und das Kollektiv ist stets unbewusst. Hat schon mal jemand ein Kollektiv erlebt, das sich individuiert? Oder Bewusstsein entwickelt?
Eine der Standard-Durchgaben zur Beruhigung der Kollektiv-Psyche ist der Gedanke „Alle Menschen sind gleich“. Solche geistig toten Leitsätze können dazu dienen, die Masse der mechanisch Denkenden und mechanisch Fühlenden in eine gemeinsame Richtung zu delegieren, z.B. in den Glauben an ihre Freiheit. Ein Sklave, der glaubt, er sei frei, wird keinen Aufstand machen, sondern seine Arbeit. Und die Menschen wollen Sklaven sein. Oder „Schafe“, um es leichter verdaulich auszudrücken. So oder so: daran ist nichts falsch. Wir müssen nur unsere Prämisse überdenken, dass alle Menschen „frei“ und „keine Sklaven“ sein sollten und uns stattdessen mehr an die psychologische Realität halten. Wunsch-Projektionen sind keine Wissenschaft.
Wovon wollen wir uns fesseln lassen?
Es kann deshalb gar nicht darum gehen, alle Menschen in die Freiheit der Selbstbestimmung zu führen oder die Hierarchie zwischen Führenden und Geführten abzuschaffen. Es muss um etwas ganz anderes gehen, was vielen mehr stürmischen als bedachten Freiheitskämpfern entgeht: es geht darum, die schlechten Herren durch menschliche, wohlmeinende, entfaltungsfördernde Herren zu ersetzen. Früher nannte man diese Herren poeto-religiös „von Gott ernannt“. „Gott“ mag hier als das vereinheitlichende, natürliche, gesunde, schöpferische und raumgebende Prinzip verstanden werden. Herren oder Führende „im Namen Gottes“ sind Garanten, Verteidiger und Verwirklicher von gesunden Prinzipien, vor allem dem Prinzip menschlicher Entfaltungsförderung und -freiheit (nicht -zwang!).
Es gibt ein Sufi-Sprichwort, das dies andeutet: „Es ist besser, einen Mann durch Liebe zu fesseln als tausend Sklaven zu entlassen“.
Wie die lieblosen, schlechten oder falschen Herren aussehen, habe ich an anderer Stelle schon ausführlicher behandelt. Sie sind des Teufels: spaltend, widernatürlich, krank, zerstörend und ängstlich-verengend – das sind in biblischer Terminologie die satanischen Prinzipien. Deren Wirkung haben wir die letzten 100 Jahre ganz besonders deutlich zu spüren bekommen und in diesem Jahr (2020) erleben wir… nein, nicht den Kollaps (denn Satan kann sich letztlich nur selbst zerstören, wenn das Kranke Überhand nimmt), sondern die große weltweite Umräumaktion auf allen entscheidenden Steuerpositionen: die „Herren“ werden ausgetauscht.
Werden die Menschen dadurch befreit? Ja, von der Herrschaft des moralisch und geistig Kranken. Werden die Menschen dadurch freier? Nicht mehr als sonst auch.
Also nochmal: unser Fokus sollte nicht auf irgendeine „Befreiung der Massen“ (an welchen Betrug erinnert uns das?), sondern auf den Systemwechsel gerichtet sein. Einen Systemwechsel, der eine gesunde, freiheitsfördernde Führung sicherstellt. Die realistisch befriedigende Freiheit der Menschen besteht nicht darin, alle zu Herren und Führern (oder Wählern und Bestimmern) zu machen, sondern darin, dass jeder auf seine Art sein und sich auf seine Weise entwickeln kann. Die meisten wollen in den unpersönlichen, übergeordneten Systemen gar nicht mitbestimmen. Die meisten sind davon überfordert. Ein System der Dauerüberforderung ist nicht gesund und nicht stabil.
Was wir brauchen ist ein System der Freiheit der Möglichkeiten. Diejenigen von uns, die ihr Glück in der Selbstbestimmung sehen, werden dafür auch einsehen müssen, dass Selbstbestimmung viele Graduierungen hat und für viele (noch) gar kein erstrebenswertes Ziel ist.
Damit sind wir wieder beim Thema Macht angelangt. Eine sinnvolle Freiheit muss angemessen sein, d.h. den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Menschen entsprechen. Sie muss auch erlauben, dass Menschen sich führen lassen. Bei Kindern und ihren Eltern, bei Schülern oder Studenten und ihren Lehrern, bei Mitarbeitern und ihren Führungskräften, bei Flugzeugpassagieren und ihren Piloten und in tausend anderen Lebensbereichen ist das ganz normal für uns. Nicht die Führung an sich ist das Problem, sondern der Geist des Führenden. Also brauchen wir eine Ordnung, die ein starkes eigenes Immunsystem gegen falsche Führung, Korruption und Machtmissbrauch hat.
Morgen ein König
Im Fundus der weltweiten Volkstraditionen finden wir kleine unscheinbare Lektionen über die Gesetzmäßigkeiten menschlicher Ordnung, Reifung und Gesundung. Diese Kleinode der Überlieferungen nennen wir „Märchen“. Es sind zierliche Gefäße, häufig als „Erzählungen für Kinder“ getarnt, die zu unserem intuitiven und emotionalen Verstehen sprechen und uns an tiefes geistiges Wissen in uns erinnern. Sie haben sich mit ihrer Unscheinbarkeit über hunderte von Jahren bis heute sowohl den Methoden der politischen Indoktrination, genannt „Pädagogik“ als auch den sezierenden Messern der psychologischen Analyse entzogen. Das heißt, wir finden darin noch echtes, nicht-manipuliertes Wissen, das in Bildern kodiert ist.
In diesen Märchen also geht es häufig um die Entwicklung eines Helden, der klein und arm anfängt, viele Abenteuer und Prüfungen bestehen muss und am Ende, wenn alles gut gegangen ist König bzw. Königin wird. König von was? Von seinem eigenen Reich. Die Märchen erinnern uns daran, dass es eine gesunde Grundordnung gibt, die nicht weniger als alle glücklich macht und zwar „bis an ihr Lebens Ende“. Und weil Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten nicht sterben können, so leben sie noch heute.
Psychologisch interpretiert können wir solche Helden- oder Königs-Märchen als Wegbeschreibungen der Individuation betrachten. Interessant ist, dass es letztlich um Macht geht, die erobert oder zurückerobert werden muss. Die Macht des Königs bekommt aber am Ende nur derjenige, der sich vorher ausreichend als geeignet, integer und nicht wenig „gottbegnadet“, also talentiert erwiesen hat. Der Held muss ein großes Herz haben, demütig aber auch mutig sein, keine Angst vor dem Tod haben und seinen rechten Weg oder seine eigentliche Aufgabe stets vor Augen behalten. Wer die Prüfungen besteht ist König, d.h. Herr seines eigenen Reiches. Psychologisch: ein selbstbestimmtes Individuum.
Damit ist eine höhere Ordnung hergestellt, die das Reich aufblühen und alle Wesen darin glücklich werden lässt. Märchen sind Wegweiser zu dieser höheren Ordnung. Einen König an der Spitze zu haben, damit alles in Ordnung ist, ist ein Hinweis darauf, dass eine gesunde und stabile Ordnung stets hierarchisch aufgebaut sein muss, denn nur so können geistige Prinzipien und Werte verkörpert und verwirklicht werden. Die richtige, schöpferische Hierarchie vom König abwärts ist nichts weiter als die stufenweise Übersetzung von geistig-abstrakten Prinzipien in Form, Struktur, Handlung, Fleisch und Blut. Diese stufenweise Übersetzung vom Abstrakten, Ewigen herunter ins Konkrete und Situative ist keine ideologische Präferenz, sondern eine geistige Gesetzmäßigkeit, der wir folgen oder die wir ignorieren können, aber um die wir nicht herum kommen.
Die Psychologie hat sich immer wieder darum bemüht, die Botschaft der Märchen auf die Innenwelt und das Erleben des Einzelnen zu übertragen. Da kann z.B. der König verstanden werden als Symbol für das Prinzip der Selbstbestimmung, Selbststeuerung, inneren Ordnung und geistigen Reife; als das Ergebnis einer langen und steinigen moralischen Entwicklung. Vielleicht steht uns allen eine neue essentielle Lektion aus diesen Symbolkodierungen bevor: nicht aus den kollektiven, gesellschaftlichen Erfahrungen Bilder nur für das Innere zu finden, sondern nun auch aus den ordnenden Erfahrungen des Inneren Vorlagen und Prinzipien für das Soziale und das Kollektiv abzuleiten! Ein Land und ein Volk wieder als geistigen Körper zu betrachten, der eine bestimmte Ordnung braucht, um nicht krank zu werden und zu zerfallen.
Dass diese beiden Dimensionen – die Psyche des Einzelnen und die Gesellschaft – parallel zueinander laufen, dürften schon viele Denker erkannt haben. In Platons „Politeia“ weiß man nie genau, ob er tatsächlich von Politik und Staatswesen spricht oder nicht eigentlich eine Metapher für den geistig vollentwickelten, selbständigen und individuierten Menschen erschafft. Es läuft Hand-in-Hand und unsere Aufgabe besteht darin, unseren Geist für eine souveräne Gesellschaftsordnung zu öffnen.
Anerkennung und Verantwortung
Innerhalb dieser Übersetzungspyramide ist Macht also das, was nach oben hin zunimmt, weil der Effekt und die Wirkung nach unten hin umso größer werden. In der gesunden Pyramide steigt nach oben hin mit der Macht jedoch auch die Verantwortung, also die Maßgaben von Integrität, Wohlgesonnenheit und Treue gegenüber höheren Werten. Deshalb können auch niemals alle König sein. Damit wäre das Prinzip der (hierarchischen) Ordnung wieder aufgelöst.
Diese pyramidale Ordnung erfüllt noch einen weiteren essentiellen Zweck: sie ermöglicht Anerkennung. Anerkennung kann nur „von oben“ gegeben werden. Die psycho-sozialistisch anmutenden Experimente der jüngeren Generationen, sich untereinander „hierarchielose“ Anerkennung und Wertschätzung zu geben sind kläglich gescheitert. Das Ergebnis war ein Marktplatz der Eitelkeiten im Stile von Facebook und Whatsapp, auf dem jeder versuchte, mehr Aufmerksamkeit, mehr „Likes“ oder mehr Klicks zu bekommen. Die Wertlosigkeit solcher Aufmerksamkeitsschnipsel zeigte sich in der dadurch entstehenden Suchtdynamik: es musste immer mehr sein, es war trotzdem nie genug und die Sekunden-Signale im sms- und Twitter-Stil stürzten in die emotionale Bedeutungslosigkeit von Gebrabbel und Rauschen.
Die Sehnsucht nach echter Anerkennung aber blieb. Wer sie sich nicht als „Leistungsträger“ karrierewillig in einem Unternehmen von den modernen Fürsten und Regenten in den Chefetagen holen kann, der konnte sich noch auf den Medienbühnen tummeln, sich in eigenen Video-Kanälen vervielfältigen oder in der Masse für eine bessere Welt mit besserem Klima mitlaufen. An der verzweifelten Enttäuschung einer ganzen Generation können wir das Ergebnis ablesen: ohne personalisierte und verkörperte Werte-Hierarchie fehlt ein lebenswichtiges Element menschlicher Gesellschaft: Anerkennung. Und somit auch Stolz. Und somit auch Motivation. Und somit auch Engagement, Stärke und Stabilität.
Anerkennung im Namen des Ganzen fördert den Einzelnen in seinem Charakter und in seinen Talenten. Jeder kann nur so gut als möglich sich selbst treu sein und dann schauen, auf welcher Stufe der Pyramide er sich am wohlsten, am meisten in seinem Element fühlt. Karriere im gesunden System heißt nicht: möglichst weit nach oben kommen, sondern den passenden Platz für sich selbst in der Gemeinschaft zu finden. Das geht nur, wenn „oben sein“ und mehr Macht nicht an Selbstbereicherung, Rücksichtlosigkeit und Gewissenlosigkeit gekoppelt sind, sondern an Verantwortungspflicht. In der Pyramide wird jeder über sich zwar stets mehr Macht und Einfluss jedoch gleichzeitig auch mehr Verantwortung finden. Nach unten hin wird er selbst erhöhten Einfluss haben, der im gleichen Maße durch die für alle geltenden Prinzipien und Pflichten beschränkt und kontrolliert wird.
Dadurch wird in der gesunden Ordnung die Macht vor Machtmissbrauch geschützt. Und so wird die Macht von der Angst gelöst. Sie kann nicht abgeschafft werden, weil dann geistige Prinzipien sich nicht mehr durch- und umsetzen könnten. Dann zerfiele jede Ordnung in Chaos und Krankheit. Sie kann nur richtig eingesetzt werden.
Jedem Land sein König
Nun ist es kein großer Sprung mehr, unsere Erkenntnisse von der Ordnung auf die Ordnung in einem Land oder Staat zu übertragen. Ein Staat beruht auf der Verwirklichung von Ordnungs-Ideen. Ideen können nur umgesetzt werden, wenn es Einflussmöglichkeiten und -fähigkeiten gibt, d.h. wenn es Macht gibt. Wenn wir den Gesetzmäßigkeiten der gesunden Einflussnahme folgen wollen, so müssen wir eine hierarchische Ordnung annehmen, in der Macht mit Verantwortung gekoppelt ist, nicht mit Angst.
Der Grundriss einer gesunden Staats- und Gesellschaftsstruktur ist ganz simpel. Lassen wir uns nichts anderes einreden von denen, die uns lieber (weiterhin) bevormunden wollen. Jeder möchte so frei wie möglich sein, so zu leben wie es ihm gemäß ist. Darin inbegriffen sind natürlich auch diejenigen, die es vorziehen, fremdbestimmt und ausgenutzt zu werden. Für diese Freiheit braucht es eine starke Gesellschaft, die sich gegen Manipulation, Unterdrückung und Terrorismus schützen kann.
Die entscheidende Frage ist also diese: wie können wir als Gesellschaft so stark wie möglich sein und ein kräftiges Freiheits-Immunsystem aufbauen? Auch die Antwort darauf ist simpel: erstens, die Schlüsselrollen in der Gesellschaft müssen nach Kompetenz und Talent verteilt werden und nicht nach Korruptheit, Vetternwirtschaft oder Opportunismus.
Wer Entscheidungen treffen will, muss kompetent sein. Wie soll die heterogene Masse eines ganzen Volkes kompetent genug sein, sich selbst die beste Führung zu wählen? Das wäre ein ausgesprochen hohes allgemeines Bildungsniveau, das es bisher in der Geschichte nicht gab. Wie viele Menschen werden schon mit den einfachsten Dingen des Alltags, mit kleinsten Konflikten in der Größenordnung von korrekter Mülltrennung nicht fertig und sollen dann aber die Führungselite für eine der komplexesten und verantwortungsvollsten Aufgaben des Landes bestimmen? So eine Unmöglichkeit kann nur jemand wollen, der es auf die Manipulierbarkeit der Masse abgesehen hat, um seine Macht aus dem Verborgenen heraus zu seinem eigenen Nutzen zu stützen. Wenn wir das einsehen, ist es ein Leichtes, uns mit einer allemal besseren und nützlicheren Ordnung anzufreunden.
Der zweite Aspekt für stabile Freiheit ist, dass jeder in höherer Steuerungs- oder Entscheidungsrolle bereit und motiviert sein muss, primär dem Ganzen und dem Zusammenhalt zu dienen – das nennt man dann Treue. Wenn solche Garanten der Struktur in ihren Positionen sind, dann können alle anderen Menschen innerhalb dieser Struktur sich frei entfalten – solange sie das Ganze – also die Freiheit – nicht angreifen und zerstören. Durch das oben genannte Kompetenzgebot für Führungspositionen entsteht ganz von selbst eine Hierarchie der Kompetenzen in den staatstragenden Strukturen: wer am meisten Fähigkeit und Bereitschaft für Verantwortung und Treue gegenüber der Gesamtfreiheit hat, der steht an ihrer Spitze.
An dieser Spitze hat er zwar die einflussreichste Position und die höchsten Privilegien, diese werden aber eben durch die ebenfalls höchste Verantwortung und Verpflichtung reguliert. Natürlich darf jeder auch gegen diese Steuerungs-Position oder die Menschen auf ihnen sein, aber es sind und bleiben gerade diese Positionen in der Hierarchie die notwendigen Garanten und Stützpfeiler dieser Denk-, Meinungs- und Äußerungsfreiheit. Deshalb kann man sie nicht abschaffen, denn sie abzuschaffen hieße wiederum, die Freiheit abzuschaffen.
Ich vermute, dass die Notwendigkeit von Kompetenz und Verantwortungsfähigkeit all denen nicht klar ist, die für „flache Hierarchien“, „Basisdemokratie“ oder sonst eine hierarchielose Struktur plädieren. Sie erträumen sich eine Welt, in der alle Menschen sich von selbst so gut regulieren können, dass jeder sich stets dem Wohle des Ganzen und der Freiheit verpflichtet fühlt und keine äußere Struktur braucht. In ihren Fantasien sind alle Händler fair, alle Richter gerecht, alle Ärzte und Lehrer kompetent, alle Polizisten menschlich und jeder Politiker ein Diener des Volkes. Von Engstirnigkeit, Selbstsucht, Destruktivität, Kriminalität und anderen freiheitszerstörenden Tendenzen wollen sie einfach nichts wissen. Die Realität zeigt jedoch, dass es stets nur ganz wenige sind, die Verantwortung für ein größeres Ganzes übernehmen können und sich selbst und persönliche Präferenzen dafür zurücknehmen können.
Die Masse versteht nicht einmal, wovon hier die Rede ist. Der Durchschnittsmensch ist vollkommen ausgelastet damit, sein eigenes Leben halbwegs vernünftig zu steuern und seine eigenen Bedürfniss zu befriedigen. Darüber hinaus und vom großen Ganzen will er nichts wissen, auch wenn er sich täglich darin tummelt und von dessen Milieu vollkommen abhängt. Deshalb bestehen Firmen auch nicht nur aus Führungskräften, sondern kämpfen nicht selten mit einem Kompetenz- und Verantwortungsmangel bei den vorhandenen Führungskräften.
Der König und die echte Demokratie
So wie wir wollen, dass der Held im Film oder in der Geschichte so mächtig und wirksam wie möglich ist, so werden wir uns dann auch wieder erlauben können, uns eine hierarchische Führung zu wünschen, die sich sowohl für Sicherheit und Wohl des Ganzen einsetzen möchte als auch möglichst viel Macht und Befugnis dazu hat.
Von wem kommt die Befugnis? Von Gott. Wie zeigt Gott sich? Im ungetrübten, freien Gefühl der Menschen für Richtigkeit, Stimmigkeit und Gesundheit. Wenn dies freigelegt ist von den verdeckenden und verzerrenden Schichten falscher Überzeugungen, Angst und realitätsferner Ideologie, dann können wir zurückkehren zu dem, was uralte Märchen für uns als Erinnerung bewahrt haben: dass nicht nur Kinder sich nach echten und guten Königen und Königinnen sehnen, sondern dass wir Menschen sie brauchen.
Wir werden darin eine echte Demokratie finden oder zumindest auf dem Weg zu ihr sein, denn der echte König als Ausdruck des Königsarchetyps ist der erste Diener des Staates, also des Volkes, also für uns. Da können wir also als Volk tatsächlich frei schalten und walten und uns entfalten, solange jemand sichtbar als Garant für diese unsere Freiheit und Ermächtigung persönlich einsteht und auf dieser Position von uns geschützt wird.
Die echte Demokratie beruht nicht auf den Meinungen und Interessen des Volkes („demos“), sondern auf seinen Bedürfnissen! Grundlegende Bedürfnisse sind auch für alle Menschen gleich. Wir haben uns intellektuell so weit von dieser Grundwahrheit von Gemeinschaft wegleiten lassen, indem wir uns einreden ließen, es seien Meinungen und persönliche Interessen, die die Grundbausteine für demokratische Entscheidungen bilden. Dadurch entstehen Lobbysysteme und schließlich Korruption und der Handel mit Macht, aber keine gesunde Staatsordnung zum Wohle aller. Meinungen sind höchstens sekundär relevant.
Primär muss sich das Volk für sich als Einheit auf die Erfüllung der Grundbedürfnisse verlassen können: Sicherheit und Wohlfahrt. Wenn wir das vergessen – ein bereits über 100 Jahre trainiertes Vergessen – dann helfen uns die aktivsten Interessengruppen, Vertreter und Parteien nicht, denn sie kümmern sich dann in erster Linie um ihre eigenen Bedürfnisse und nicht um die des Ganzen (Volkes). Das Volk zerfällt und wird nicht nur zur Beute für kleine Interessengruppen, die das System für ihre Zwecke manipulieren und nutzen, sondern geradezu zum Feind für mächtige Splittergruppen. Es gibt kein gesundes vereinheitlichendes Prinzip. Es gibt keine fürsorgliche Spitze. Es gibt keinen König. Dann herrscht eben nicht das Volk mit seinen einigenden Werten und Bedürfnissen, sondern es herrscht das Gesetz des Stärkeren oder des gewieften Betrügers. Das dürfte zusammengefasst die Krux und der Grund für unseren umfassenden Abstieg der letzten 100 Jahre darstellen.
Der Ausweg aus diesem gelenkten Dauer-Kriegsszenario unter dem Deckmantel der Pseudo-Demokratie kann nur einer sein: eine ausreichend starke Gruppe muss das System von außerhalb des Systems in Frage stellen und beenden, um die Menschen dann in eine gesunde Ordnung zu führen. Von innerhalb der Schein-Mitbestimmung kann nichts wirklich mitbestimmt geschweige denn verändert werden. Damit dies nicht missgedeutet wird von „Nazi“- und „Diktatur“-Phobikern: wie oben ausführlich erklärt, geht es darum, dass die richtigen Führer sich einsetzen und eingesetzt werden. Nur dann ist es ein Systemwechsel und nicht bloß der übliche Personalwechsel, den wir seit 100 Jahren gelähmt mitmachen.
Die Verfechter von „Grundgesetz“ und einem „BRD-Rechtssystem“ – also der Scheindemokratie – erkennen diese Notwendigkeit eines Systemwechsels nicht. Andere haben aber durchaus schon den sprichwörtlichen archimedischen Hebel gefunden, mit dem sie „die Welt bewegen können“.
Und wir?
Wir alle sind diejenigen, die gerade in dieser umbewegten und umgehebelten Welt leben. Wir können unsere Sinne schärfen für die richtigen Führer – diejenigen, die uns in unserer Wohlfahrt, unseren Werten und unserer freien Entwicklung fördern. Das müssen ganz andere Geister sein als das bisherige Politpersonal. Die richtigen müssen wir fördern. Ohne unsere Unterstützung sind sie machtlos in dem, was sie für und mit uns wollen.
Wir sind jetzt gefragt, für unsere Bedürfnisse und Werte aufzustehen und nicht beschämt, auch nicht schüchtern zu sein, die gesunde Ordnung im Äußeren wie im Inneren zu fordern und richtige Könige auf die Plätze zu rufen, auf denen sie gebraucht werden.
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