Eine Gedankensammlung


Dieser Artikel als Podcast

Ich dachte Anfang des letzten Jahres häufig, die Menschen hätten den Verstand verloren. Im Laufe des Jahres wurde mir jedoch klar, dass ich mich irrte. Jene völlig irrational agierenden Menschen haben den Verstand nicht verloren. Sie hatten ihn nie.

Sie haben ihn bisher auch nicht gebraucht, weil ihnen die Entscheidungen, für die sie den Verstand hätten benutzen müssen, stets abgenommen wurden noch bevor sie überhaupt erkennen konnten, dass es eine Wahl zu treffen gibt. Soweit wir in der Geschichte – so wie wir sie gelernt haben – zurückschauen, sehen wir immer eine kleine Gruppe von Menschen, die allen anderen sagen, wo es lang geht, was richtig und falsch ist und wie sie leben sollen. Wer sich nicht daran hielt, wurde mit Gewalt dazu gezwungen oder verjagt.

Die bisherige Menschheitsgeschichte ist die Geschichte von Gewaltherrschaften, und die Stimme des Verstandes hört man nur in relativ sporadischen und kurzen Episoden von den Thronen der Macht sprechen. Das waren dann jene auffällig lichten Epochen in denen sich Kultur und Wohlstand vom sonstigen Zustand menschlicher Gemeinschaften abhoben wie ein klarer sonniger Tag von einer vernebelten Nacht.

Verstand oder Leben!

Man kann die Bedeutung dieses Sachverhalts in unserer Zeit gar nicht hoch genug veranschlagen, denn nur dann können wir verstehen, welch außerordentlichen Wandel wir gerade durchleben: zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte sind wir Menschen weltweit durch die selbstgeschaffenen Umstände dazu gezwungen, die Organisation unseres sozialen Lebens bis in ihre kleinsten Aspekte und Dynamiken mit dem Verstand nicht bloß zu erfassen, sondern willentlich zu gestalten. Wir stehen an einem Punkt in der Entwicklung der Menschheit und ihrer Fähigkeiten, an dem unser Leben davon abhängt, ob wir es schaffen, uns rational und vernünftig zu organisieren.

Warum sind wir gezwungen? Weil wir mit unserem Verstand über die letzten 500 Jahre eine Technologie entwickelt haben, der wir moralisch nicht mehr gewachsen sind. Die Menschheit hat sich in diesen letzten 500 Jahren immer mehr von der Frage „Was können wir?“ vereinnahmen und von der Faszination für technisch Mögliches antreiben lassen. Die Frage „Was sollten wir?“ wurde dabei immer weiter zurückgedrängt und schließlich nicht mehr ernsthaft gestellt. Der moderne Mensch lebt in der Überzeugung, dass man etwas darf und sollte, weil man es kann. Statt von Moral und Weitsicht wird er dabei nur von Angst begrenzt, die ihn zunehmend neurotischer macht. Hochtechnologie und technische Möglichkeiten sind längst schon unreflektierte Quelle einer chronischen Angst geworden, so dass die Menschen sich emotional gegen die immer weiter fortschreitenden Erfindungen der Ingenieure und Technologen sperren. Irgendwie machen Atomenergie, Gentechnik, Strahlentherapie, Computerisierung, Digitalisierung und künstliche Intelligenzsysteme Angst.

Aber nicht die Technik selbst ist das Problem, sondern die Frage, in wessen Händen sie liegt. Und das ist eine Frage der Moral. Es ist die Moral der Bedienenden und der Nutzer von Technik, die darüber entscheidet, ob sie im Namen der Menschlichkeit oder gegen sie eingesetzt wird.

Das bedeutet, wenn Technologie so allgemein zugänglich ist wie heute, wo jeder ein Smartphone bei sich trägt, sich zuhause eine hochauflösende virtuelle Realität mit Dolby Surround-System aufbauen kann und über einen einzigen Mausklick mitbestimmt, welche Informationen im Internet als relevant eingestuft werden und welche marginalisiert werden, dann muss es ebenso allgemein wirkende moralische Prinzipien geben, die verhindern, dass die Menschen sich selbst oder andere umbringen – physisch oder geistig und sei es aus Naivität, Bequemlichkeit oder Skrupellosigkeit.

Sprechen wir es einmal deutlich aus: wir haben seit langem schon die Technologie, um die Menschheit, vielleicht sogar alles höhere Leben auf unserem Planeten auszulöschen. Dabei sollten wir gar nicht in erster Linie an irgendwelche Megabomben à la Wasserstoffbombe oder biologische Waffen denken, obwohl diese auch schon verheerend wären. Wirklich bedrohlich sind die Waffen, die sich gegen den menschlichen Geist richten, alle Technologie, die zum social engineering, zur psychologischen Kriegsführung und Massenmanipulation gehört. Denn die Menschheit ist auch dann schon zerstört, wenn menschliche Körper nur noch als ent-geisterte, robotoide Autisten über die Erde stolpern.

Ohne Verstand können Menschen und letztlich die Menschheit nicht überleben, und so ist es ein direkter Angriff auf die Menschheit, wenn wir den Verstand zerstören. Wir können das. Und die Menschheit stand bis vor wenigen Jahren kurz davor, das konsequent bis zum Ende auszuprobieren. Wir befinden uns also schon längst an dem Punkt, dass unsere Technologie die Basis unserer menschlichen Integrität – unsere rationale Denkfähigkeit – untergraben und zerrütten kann. Alles, was wir unter dem Obergriff „Medien“ zusammenfassen können, vom Fernseher über Computerspiele bis zu den sogenannten „sozialen Netzwerken“ beweist das in der Alltagserfahrung zur genüge: sie stumpfen die Menschen ab und verführen sie zu frühkindlichen und sozial-pathologischen Dämmerzuständen.

Das heißt auch, dass unsere Technologie schon längst jene Kraft untergraben und aushebeln kann, von der sie eigentlich beherrscht und kontrolliert werden müsste: unsere moralische Urteilskraft. Diese muss sich aber in vielen Stufen von der frühsten Kindheit bis ins spätere Erwachsenenalter erst entwickeln und darin besteht unsere menschliche Fragilität: auf jeder Stufe kann die moralische und geistige Entwicklung behindert und gestoppt werden – z.B. durch immer raffiniertere, intrusivere und manipulierende Technik – so dass immer mehr Menschen auf so frühen Entwicklungsstufen stecken bleiben, dass sie gar nicht mehr die Fähigkeit entwickeln, sie zu verstehen, geschweige denn zu beherrschen.

Bei den meisten Menschen in allen Industrienationen der Welt ist dies bereits passiert: nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Vorstellungen und ihre Denkfähigkeiten werden von der Technik bestimmt, vor allem begrenzt – nicht umgekehrt. Bei den jungen Menschen, die jetzt unter 30 sind, ist diese Unterwerfung und Abhängigkeit in einem Grade erreicht, dass man zurecht von ihnen sagen kann, sie sind von der Technik komplett versklavt worden. Sie haben ihr, der Technik,  nichts mehr entgegenzusetzen und kämpfen gegen ihre eigenen sprachlosen und chaotisierenden Emotionen von Hilflosigkeit und Verzweiflung an, die sie nirgendwo mehr adressieren können. Die älteren Generationen sind blind für die Verzweiflung der Jüngeren, weil sie selbst von der Technik hypnotisiert, vom materiellen Hamsterrad überlastet und moralisch-geistig entwaffnet sind. Sie sind willenlos und betrunken dem Erlösungs-Glauben der Technologie-Versessenen ergeben und dienen ihm blind aufopferungsvoll bis zum letzten Rest von menschlicher Würde.

Moralische Urteilskraft beruht auf dem Verstand, d.h. der Fähigkeit rational zu denken. Was bedeutet rational? Ich verwende den Begriff nur für jenes Denken, das sich an der Realität orientiert, welche wiederum mit den Sinnen wahrnehmbar ist. Rationales Denken beruht also auf der eindeutig verifizierten Erkenntnis,

  1. dass es Realität gibt,
  2. dass wir sie wahrnehmen können und
  3. dass wir diese Wahrnehmung in richtige, d.h. realitätskonforme Begriffe fassen, d.h. abstrahieren können.

Eine rationale Moral ist somit eine Moral, die sich an der Realität, vor allem an der Realität des Menschseins und seiner Natur orientiert und von ihr ausgeht. Sie beruht auf Wahrnehmung und abstraktem, logischem Denken, dessen Richtigkeit sich aus wahrgenommenen, beobachteten und erkannten objektiven Gegebenheiten ergibt. Moralisch richtig ist das, was der Natur des Menschen entspricht und ihn in seiner natürlichen Integrität fördert. Eine rationale Moral steht also im völligen Gegensatz zu aller irrationalen Moral, die sich bloß aus Wünschen, Fantasien, Glaubenssätzen, vagen Gefühlen oder Idealvorstellungen begründet.

Rationale Moral beruht auf empirisch korrekter, logischer und klarer Begriffsbildung. Das heißt, ihr Fundament ist dasselbe wie das aller funktionierenden Technologie: Realitätsverbundenheit. Diese Erkenntnis ist sehr wichtig. Rationale Moral und Ingenieurskünste wachsen aus dem gleichen Stamm. Moral wächst allerdings höher hinaus, weil sie nicht nur das Können des Menschen berücksichtigt, sondern auch sein Sollen. Dafür müssen ihre Wurzeln tiefer reichen bis in das Verständnis der Natur des Menschen, seiner Bedürfnisse und seiner Grenzen. Ethik ist der Technik und Praxis nicht nur überlegen sondern muss ihnen auch vorgeschaltet sein, denn sonst jagt sich der Mensch selbst in die Luft oder trinkt tödliches Gift in seinem Rausch des Könnens. Ethik und der ethische Teil in uns müssen deshalb dem Techniker sagen, was er darf und was nicht. Diese Instanz gibt es in unsere Kultur schon seit vielen Generahtionen nicht mehr. Wir sind es gewohnt, dass die Techniker bestimmen, wo es lang geht (und es den Politikern zuflüstern) und dass Ethik höchstens etwas für unpraktische, weltfremde und eher engstirnige Intellektuelle und Gremien ist, die mit ihrer Zeit nichts besseres anzufangen wissen, als abgehobene Grundsatzfragen zu diskutieren. Technokratie bedeutet, dass wir von Technik beherrscht werden und der Mensch im besten Falle nur noch Ausführungsgehilfe ist. Tatsächlich ist er ein Störfaktor und sollte langfristig beseitigt werden.

Technik ohne ethische und moralische Kontrolle ist jedoch nicht nur gefährlich, sie ist vor allem sinnlos. Technologisch unterworfene Menschen haben kein Wofür? in sich, denn eine Maschine trägt in sich selbst auch keins. Wenn Technik nicht dem Menschen dient, dann dient sie stattdessen auch nicht sich selbst (wozu auch?), sondern niemandem! Eine Hand ohne Bewusstsein und Willenskraft, ein Körper ohne Geist ist ohne Sinn und Richtung. Wenn wir der menschenerfundenen Technik folgen und dienen, dann sind wir entgeistigt, vom Willen abgeschnitten und sinnlos. Diesen Zustand kann man nicht wollen, denn dann müsste dahinter doch wieder ein Ziel oder Sinn stecken. Der nihilistische Zustand der Technologiehypnose entsteht nur durch die ultimative Form der Verneinung: durch pure Unterlassung, durch Nicht-Tun, durch Vernachlässigung, durch die passive Weigerung, überhaupt etwas zu wollen. Wie soll man diesen Zustand anders nennen als geistig-moralischen Schlaf? Wenn es am Anfang auch nur ein Zögern war, ein schlaffes Geschehenlassen, eine nachlässige Unachtsamkeit, dann hat es sich bis heute zu einem tiefen Koma ausgewachsen, in dem ein bisschen Restleben nur noch von Maschinen und Mechanismen aufrecht erhalten wird.

Wir werden darauf zurückkommen: die letztendliche Ursache der totalitären Technokratie, in der die Menschheit gerade erschrocken aufwacht, ist nicht „ein böser Geist“, sondern moralische Unterlassung und geistiges Versäumnis bis zur Selbstvergessenheit. Wir haben uns selbst und unsere Wesenhaftigkeit vergessen. Solange dem so ist, können wir dem Maschinen-Denken, dem Maschinen-Herrschen und all dem zerstörerischen Bösen, das daraus automatisch entstanden ist, nichts entgegensetzen.

Wenn wir erkannt haben, dass unsere Technikkompetenzen schon seit über 300 Jahren unseren ethischen Kompetenzen weit voraus und völlig davon gelaufen sind, dann wissen wir, welcher kulturellen Mammutaufgabe wir gegenüberstehen: wir müssen moralisch nachsitzen und ethisch nachwachsen.

Dafür müssen wir zurückerobern, was unsere selbsterfundene Technik in uns gelähmt und zerrüttet hat: unseren realitätsverbundenen Verstand.

Die Menschheit in der Grundschule

Wo befinden wir uns gerade von höherer Warte aus betrachtet?

Die Menschheit befindet sich aktuell im Übergang von emotionalem Bewusstsein zu rationalem, d.h. Verstandes-Bewusstsein. Diesen Zustand und Übergang mit all seinen Schwierigkeiten und Herausforderungen können wir uns am besten veranschaulichen, wenn wir uns die Kinder einer dritten oder vierten Grundschulklasse vorstellen. Da gibt es einige, die schon sehr gut stringent denken und rational und logisch argumentieren können. Sie sind jedoch im Moment noch die Minderheit und eher Außenseiter. Die meisten anderen Kinder werden überwiegend von Emotionen, Anpassung an die Gruppe und unreflektiertem Gehorsam gegenüber den Autoritären dominiert. Und dann gibt es ein paar Cliquenanführer, die sich diesen Mangel an Denk- und Analysefähigkeit der meisten anderen Kinder zunutze machen, und mit einer Mischung aus Dreistigkeit, Imponiergehabe, Bestechung, Manipulation und Gewaltandrohung eine Gruppe von weniger selbstbewussten Kindern um sich scharen und bestimmen, was gemacht, gesagt und gedacht werden darf. Die Kohäsion in solchen Cliquen beruht auf einer Mischung von Angst und den Bedürfnissen nach Zugehörigkeit, Schutz und Führung (als Entlastung).

Die Weltanschauung und vor allem das Menschenbild dieser Kinder beruht zum überwiegenden Teil auf adaptierten Vorstellungen und Erklärungen, deren Relevanz durch emotionale und soziale Bezüge bestimmt wird. Etwas ist richtig, weil diese oder jene Autorität es sagt, und nicht weil es empirisch, moralisch oder logisch richtig ist. Die abstrakteren Dimensionen des Denkens machen ihnen Angst, weil sie sie noch nicht verstehen können. Daher halten sie an der Unterordnung gegenüber sicherheitsvermittelnden Personen und Gruppen fest. Ihre Entwicklungsstufe entspricht dem Stammesdenken, das sich an den Machtstrukturen innerhalb einer Gruppe und zwischen Gruppen orientiert: der Stärkere hat Recht. Institutionelle Stärke – d.h. Bandenstärke – ist die größte physische Stärke, deshalb behalten institutionelle Autoritäten letztlich immer Recht und das Sagen aus der Sicht von kindlichem, prä-rationalem, instinkt-gesteuertem Stammesdenken. Das Gehorsamkeits-Verhältnis gegenüber den Eltern wird auf andere Autoritäten übertragen, was entlastend ist, weil man so keine eigenen Entscheidungen treffen und nicht selbständig denken muss.

Vorgaben und Orientierung werden auf dieser kindlichen Entwicklungsstufe nicht in Form von Erklärungen gegeben, sondern in Form von konkreten Handlungsanweisungen. Motivation wird nicht durch Begründungen und Verständnis erzeugt, sondern durch Bilder und Emotionen. Fragen und das Denken an sich werden durch Pseudo-Begriffe abgespeist, also durch Worte, die keinen klaren oder überhaupt keinen Bedeutungsbezug haben, sondern bloß vage Assoziationen auslösen, deren Hauptzweck es ist, Verwirrung und Gefühle von Unsicherheit, Unterlegenheit und Minderwertigkeit anzustiften. Da dieser mentale Trick von den meisten noch nicht durchschaut werden kann, stellt er eine massive Überforderung dar und sie reagieren dann darauf mit Angst und der Suche nach unmittelbarer Sicherheit von außen durch Gehorsam und Anpassung.

Auf keiner Entwicklungsstufe ist das Denken so leicht korrumpierbar wie auf dieser. Es ist noch zu jung, um die Irrwege des Irrationalen zu durchschauen und sich zu wehren, aber es ist auch schon zu aktiv beteiligt, um abstrakte Worte und Begriffe einfach zu ignorieren, so wie ein Vier- oder Fünfjähriges das noch könnte. Auf dieser Stufe bleiben irrationale und desintegrierende Gedankengebäude als Fragmente von Welterklärungen hängen, wobei deren innere und äußere Widersprüche wegen der Fragmentierung und dem fehlenden Überblick nicht erkannt werden. Die Kraft, die diese Glaubensfragmente und Vorstellungen auf dieser kindlichen Bewusstseinsstufe so einprägsam und mächtig macht, kommt aus den Emotionen und vor allem aus den sozialen Bedürfnissen nach Anerkennung, Zugehörigkeit, Bestätigung usw., deren Dominanz dafür sorgt, dass Konzepte einfach „geschluckt“ werden, solange sie mit Bedürfniserfüllung verbunden sind.

Die autoritäre und meist subtil indirekt vermittelte Tabuisierung des Hinterfragens und Nachdenkens wird ebenso fraglos emotional verinnerlicht und lähmt das Denken. Die Mitglieder einer solchen autoritären Stammesorganisation denken nicht falsch oder unvollständig, sie denken gar nicht. Stattdessen benutzen sie Worte und Konzepte bloß als emotionale Signale der Zugehörigkeit bzw. Nicht-Zugehörigkeit, so wie ein Affe oder ein Hund lernen können, auf Worte zu reagieren ohne dem Wort jemals einen Begriff zuzuordnen (Tiere können das nicht). Dadurch entsteht eine intellektuelle Dressur, die beeindruckend eloquent und kompliziert wirken kann, die das Denken jedoch verhindert und die Unfähigkeit, korrekte Begriffe zu bilden und logisch zu verknüpfen nur durch Lautstärke und bunte Wortsalate kaschiert. Die Organisation von Stammeskulturen beruht auf Gehorsam gegenüber dem Obersten, nicht auf Verständnis und rationalen Erwägungen.

Auf diesen Prinzipien beruhte bis in die Jetztzeit alle soziale Organisation der Menschen weltweit. Auf diesen Prinzipien beruht bis heute die innerpsychische Organisation und Steuerung der allermeisten Menschen.

Es gab erste Experimente einer rationalen, verstandesbasierten Organisation z.B. mit der amerikanischen Verfassung und ähnlichen Versuchen im 19. Jahrhundert. Diese wurden jedoch von den Kräften des kindlichen Stammesdenkens nach kurzer Zeit wieder außer Kraft gesetzt und ersetzt durch mehr oder weniger offensichtliche Simulationen von politischer Freiheit, Souveränität und Individualismus, welche von machthungrigen Banden installiert wurden, um die geistig etwas Fortgeschritteneren durch ständige Verkomplizierung und Totschlagargumente zu verwirren und intellektuell zu entwaffnen.

Hauptcharakteristikum dieser machthungrigen Banden ist, dass sie unbegrenzt besitzen und steuern wollen, dafür aber nicht bereit sind, in den offenen Handel zu treten oder überhaupt irgendeine Leistung offen zum Tausch anzubieten. Dies lässt sich nur erreichen, indem sie die anderen Menschen im großen Stil täuschen und intellektuell so schwächen, dass sie nicht bemerken, dass sie versklavt und von diesen Banden ausgenutzt werden. Im besten Fall kann man sie sogar soweit hypnotisieren und mit falschen Ideologien füttern, dass sie ihren unfreien, entwicklungsblockierten und selbstwertlosen Zustand für den besten und wünschenswertesten halten. Man muss nur dafür sorgen, dass sie stets mehr von Emotionen und sozialen Reaktionen als vom rationalen Denken gesteuert werden. Alles Weitere ist eine Frage der Psychotechnik und der sozialen Manipulation.

Die Menschheit war noch nicht soweit. Dieser Zustand musste erst zu einer unermesslichen Qual und existenziellen Bedrohung werden, bis mehr als nur ein paar „kluge Köpfe“ dieses menschenfeindliche System begannen zu durchschauen. Die Schwierigkeit dieser Entwicklung hin zum Durchschauen, Verstehen und schließlich zum Ablehnen und zur Neuausrichtung besteht nicht darin, die Banden und vor allem ihre skrupellosen Anführer zu entfernen. Nein, die Hauptschwierigkeit besteht darin, ausreichend Denk-Fähigkeiten in der breiteren Bevölkerung zu erreichen, um das Stammesdenken, seine Banden-Philosophie und seine Unterdrückungs-Systeme überwinden zu können.

Ansonsten würden sich die Menschen morgen wieder nur einer anderen Bande unterwerfen und könnten eine vernunftbasierte Organisation mit echter politischer und wirtschaftlicher Freiheit gar nicht mittragen – weil sie sie nicht verstehen würden. Dies ist der Kernfaktor für den Erfolg eines solchen Entwicklungsschrittes der Menschheit und eines solchen weltweiten Befreiungsschrittes für die Menschen. Dies dürfte deshalb auch ein Hauptgrund dafür sein, dass der entscheidende Machtwechsel und die bahnbrechende Neuordnung erst so spät im Zerfallsprozess der Zivilisation, erst kurz vor Zwölf, und dabei so schmerzhaft und so langsam vollzogen werden konnte. Denn der einzig mögliche Entwicklungsschrittmuss disruptiv sein, mussein Sprung sein undähnelt damit einer Geburt: entweder sie gelingt ganz oder gar nicht.

Warum ist das so? Weil ist ein geistiger Schritt, ein Bewusstseinsschritt ist. Es geht nicht darum, einen Fehler zu korrigieren oder einen Haufen krimineller Übeltäter oder psychopathischer Monster unschädlich zu machen. Das könnte man in einer konzertierten Aktion innerhalb von weniger als einem Jahr tun (und hat es auch getan). Es geht auch nicht darum, bloß irgendetwas besser zu machen, auch nicht darum, neue soziale, wirtschaftliche oder völkerrechtliche Strukturen aufzubauen. Es geht auch nicht darum, auf der Basis einer neuen, besseren Grundidee einen Paradigmenwechsel herbeizuführen. Alles das greift zu kurz und würde das Urproblem, den Mangel an geistiger Entwicklung nicht beheben!

Nein, es geht darum, alle menschliche Organisation grundsätzlich und weltumspannend auf einem neuen Bewusstsein des Menschen von sich selbst zu begründen.

Ich habe oben erläutert, inwiefern wir die Menschheit als „eingeschlafen“ bezeichnen können wegen der Unterlassung einer ganz bestimmten moralisch-geistigen Entscheidung, Selbstbestimmung und vor allem Selbstverteidigung. Dadurch entstand eine Umkehrung aller menschlichen Werte, weil das Verständnis des Menschen seiner selbst immer weiter von seiner wahren, das heißt geistigen Natur abwich und ihn somit krank machte und degenerieren ließ. Weil die geistige Klammer des korrekten Selbstverständnisses fehlte, zerfiel unser Menschenbild in Bruchstücke illusorischer Annahmen, abgehobener Spekulationen und vor allem trieb- und instinkt-gesteuerter Phantasmen der Überheblichkeit. Nur noch an die unmittelbare Sinneswahrnehmung gebunden und ohne höher-abstrakte Begriffsbildung landeten wir im materialistischen Menschenbild, das uns den Menschen nur als minderbemitteltes, armseliges Tier darstellen kann. Ohne Verstand und Begriffsbildung kann man die rationale und begriffsbildende Natur des Menschen nun mal nicht erkennen. Von der materialistischen Stufe der geistigen Degeneration war es dann auch nicht mehr weit zur nihilistischen Stufe der Selbstzerstörung, die heute vor allem im Akademischen und Semi-akademischen das Grundparadigma bildet: der Mensch wird so wie er ist als Fehler der Natur, als Störfaktor, als Irrtum und Problem betrachtet. Im besten Falle sieht man ihn als Objekt permanenter Stütz-, Korrektur- und Verbesserungseingriffe, die fortgeschrittenen Nihilisten ziehen allerdings schon die einzig richtige Konsequenz aus dieser irrealen Philosphie und tun bereits offen kund, dass sie den Menschen lieber möglichst bald und möglichst gründlich abschaffen wollen.

All dies beruht auf einer massiven Täuschung, auf einem fundamentalen Bewusstseinsmangel, weil es die geistige Seite der menschlichen Natur nicht sieht. Diese geistige Seite von uns wird hauptsächlich konstituiert durch unsere Fähigkeit, Begriffe zu bilden und dadurch zu verstehen und rational und schließlich vernünftig zu handeln; und durch unsere Fähigkeit, ein Bewusstsein unserer selbst zu entwickeln, also Begriffe und abstrakte kognitive Repräsentationen unseres Selbsterlebens. Wer dieses Potenzial aus welchen Gründen auch immer nicht entfalten und diese Fähigkeiten nicht entwickeln kann, dem geht es schlimmer als einem Tier: der menschliche Instinkt reicht nicht aus, um ihn überleben zu lassen, deshalb bleibt er abhängig von anderen (denkenden) Menschen während diese und alles andere in der Welt gleichzeitig eine chronische Überforderung für ihn darstellen. Aus dieser Bewusstseinsstufe ist die Kultur unserer Gegenwart gemacht.

Der not-wendige Wandel muss also auf der tiefsten und fundamentalsten Ebene unseres Daseins stattfinden, auf der Ebene unseres Selbstverständnisses. Von der völligen Blindheit und Täuschung in Bezug auf uns selbst ausgehend müssen wir als erstes ein neues Menschenbild verinnerlichen, um daraus dann eine neue, uns entsprechende Lebenshaltung und Weltanschauung abzuleiten. Erst daraus können wir dann wiederum sowohl ein neues Verständnis als auch die intellektuelle und moralische Kompetenz für die Umsetzung und Erhaltung einer völlig neuen sozialen Organisation gewinnen.

Kern dieses neuen Menschen- und Weltbildes ist, dass die höchste Werteinheit jeglicher ethischen Überlegung und damit jeglicher Entscheidung der einzelne Mensch, das Individuum ist und im Individuum selbst wiederum der höchste Wert sein Potenzial und seine Fähigkeit zum eigenständigen rationalen Denken. Mit anderen Worten: im Zentrum aller neuen Strukturen und Organisationen müssen der einzelne vernunftbegabte Mensch und sein gesunder Menschenverstand stehen.

Alles andere muss sich diesem höchsten Wert unterordnen und kompatibel damit sein. Das Stammesdenken (in „Völkern“, „Nationen“, „Institutionen“,…), das bisher alle Länder- und Geopolitik beherrscht hat, ist nicht kompatibel damit, deshalb darf es keinen Einfluss mehr haben. Strukturen, die auf Macht durch jegliche Form von Gewalt beruhen, sind ebenso wenig damit vereinbar. Jede neue Struktur muss im Gegenteil so geschaffen sein, dass sie dem Einzelnen das höchste Maß an Freiheit lässt, seinen Verstand (sein Denken, sein Verstehen, seinen Intellekt) zu entwickeln und zu nutzen.

Das bedeutet z.B. dass jede strukturelle Macht sich primär dafür einsetzen muss, Gewalt in jeglicher Form (physisch, emotional, sozial, wirtschaftlich, finanziell,…) zu verhindern und zu sanktionieren. Und dafür, nur dafür muss sie auf rationale und moralisch integere Art und Weise Gewalt anwenden dürfen. Gewalt darf nur erlaubt sein als Schutz vor Gewalt. Das bedeutet nichts weniger, als dass das Bewusstsein über die menschliche Natur der Herr im Hause ist und über jede Form von Macht und Gewalt herrscht. Was daran das historische Novum ist, ist nicht die Tatsache, dass die Macht sich einer ethisch gesunden Philosophie unterwirft – das hat es in der Geschichte immer mal wieder in der Form weise Herrscher gegeben – sondern dass die Macht des Bewusstseins über jegliche Gewalt institutionell, also personen-unabhängig verankert wird.

Eine solche institutionelle Verankerung funktioniert nur, wenn

  1. alle Personen mit niedrigerem Bewusstsein aus Machtpositionen entfernt werden (Entmachtung des ‚deep state‘ – des „niedrigen Zustands“),
  2. wir über eine Technologie verfügen, die hilft, uns vor Machtmissbrauch und vor allem Technikmissbrauch zu schützen (also eine künstliche Intelligenz als Diener der natürlichen, menschlichen Intelligenz); und
  3. eine ausreichend große Menge von Menschen dies versteht, aktiv mitträgt und pflegt (deshalb muss erst das „großartige Erwachen“ stattfinden).

Wenn diese drei Bedingungen erfüllt sind, dann haben die gesunden, menschheitsfördernden Kräfte Oberwasser und es wird so gut wie unmöglich sein, in den vorherigen Zustand des niederen Bewusstseins jemals zurückzukehren.

Die gute Nachricht sei an dieser Stelle dem Leser nicht vorenthalten: die erste und zweite Bedingung sind bereits erfüllt und in diesem Jahr 2021 wird auch die dritte Bedingung erfüllt sein, um den Kriegszustand gegen die Machthaber des alten Bewusstseins mit einem flächendeckenden Sieg zu beenden. Dann sind wir auf einer neuen, nie zuvor dagewesenen Null-Linie, von der aus wir beginnen können, kulturell immer weiter ins Gesunde, Schöpferische und Geistige zu wachsen.

Der fragile Übergang vom Nicht-Denken zum rationalen Denken

Kehren wir noch einmal zu der Analogie der Grundschule zurück, in der die Menschheit sich gerade befindet. Es ist eine äußerst fragile Phase in der Entwicklung des rationalen Denkens, die sehr anfällig für Fehlentwicklungen ist. Es ist jene Phase, in der wir lernen, die konkret-sinnlichen, operativen und einfachen Kategorien des kindlichen Denkens zu integrieren in immer abstraktere Prinzipien und Konzepte.

Eine einfache, niedrig-abstrakte Kategorie ist zum Beispiel der Begriff „Kleidung“. Es gibt eine Reihe von konkreten Objekt-Bezeichnungen und Verwendungsarten von Dingen, die in dieser Kategorie zusammengefasst werden. Das kann ein dreijähriges Kind schon leisten. Ob aber z.B. ein Armreif oder eine Armbanduhr nun auch in die Kategorie „Kleidung“ fallen, kann auf dieser Stufe nicht gedanklich hergeleitet werden, weil dafür das Prinzip „Kleidung“ definiert und analysiert werden müsste. Das Kind würde eine Autorität fragen, was denn richtig ist.

Komplexere zwischenmenschliche, soziale und institutionelle Prozesse und Strukturen können mit diesem kategorialen Denken aber nicht abgebildet und somit auch nicht verstanden werden. Auch die nächst-höhere Abstraktionsebene, auf der man fähig ist, Schlussfolgerungen aus konkreten Begriffen und Erfahrungen zu induzieren, reicht nicht aus, um Abstraktionen wie z.B. den Unterschied zwischen einem Recht, einer Befugnis und einem Privileg zu verstehen. Oder die Bedeutung des Unterschieds zwischen Gemachtem (von Menschen Kreiertem) und Gegebenem (natürlich Vorhandenem). Dies sind höher-abstrakte Begriffe, die nur durch die logisch korrekte kognitive Integration von konkreten Begriffen sinnvoll verwendet werden können. Für das kindliche Denken ist es unerheblich, ob etwas gegeben oder gemacht ist, es ist einfach nun mal da. Ein menschengemachtes Gesetz und ein Naturgesetz sind – für ein Kind – gleichermaßen „Gesetz“ genauso wie ein umgefallener Baumstamm im Wald und ein Stuhl im Antiquitätengeschäft gleichermaßen „einfach da“ sind.

Wenn wir nicht genug Unterstützung bekommen, dann lernen wir nicht die richtige Verknüpfung zwischen abstrakten Begriffen und deren konkreten Bezügen. Dafür müssen Begriffe klar definiert und erklärbar sein. Der Begriff „Staat“ z.B. ist für die meisten synonym mit „Regierung“, obwohl er abstrakter und umfassender ist und sich auf etwas ganz anderes bezieht. Tatsächlich verstehen die meisten Menschen den Begriff „Staat“ gar nicht, was wiederum dazu führt, dass sie die Idee „Staat“ nicht kennen und nicht denken können.

Unser Denken beruht auf Begriffen und wo immer uns ein Begriff fehlt, haben wir keine Möglichkeit, nachzudenken, zu erfassen, zu verstehen und zu kommunizieren. Wenn jemand verstehen könnte, dass der Staat sich aus allen Mitgliedern konstituiert, dass er also ein Teil davon ist und dass die Regierung nur eine Organisation ist, die vom Staat, also auch von ihm mit ernannt und ermächtigt wird, dann könnte er auch verstehen, von was „die Regierung“ abhängig ist und dass eine Regierung, die sich über den Staat stellt, eine Diktatur sein muss. Außerdem gilt es zu unterscheiden zwischen „der Regierung (an sich)“ und „den Regierenden“, also dem Personal. Das ist der Unterschied zwischen einer Abstraktion und einer konkreten Verwirklichung. Die Idee von einer „richtigen Regierung“ (z.B. „rechtsstaatlich“, „demokratisch“ usw.) kann nur verstehen, wer zwischen Abstraktem und Konkretem unterscheiden und verknüpfen kann. Wer das nicht kann, der kann sich zu dem, was er konkret sieht, hört oder erlebt keine Alternative vorstellen. Wer nicht in Prinzipien denken kann, der kann sich auch keine Verbesserung vorstellen. Egal wie schlimm die Umstände auch sind, er wird daran eisern festhalten, weil darüber hinaus für ihn nichts ist, nur eine Leere, ein mentales Vakuum, was die größte Angst hervorruft. Deshalb halten so viele Menschen an den schrecklichsten tyrannischen Gegebenheiten fest. Sie können die Idee eines besseren Andersseins nicht begreifen, weil sie keine sinnvollen abstrakten Begriffe haben, die ihnen die Möglichkeit geben, in Prinzipien und grundsätzlichen Werten zu denken.

Diese Unfähigkeit zum abstrakten Denken lähmt Menschen und macht sie zu hilflosen, abhängigen und verängstigten Mitläufern. Das noch gefährlichere  Problem entsteht jedoch nicht durch falsche oder fehlende Abstrahierung – damit fällt man höchstens durch akademische Prüfungen oder macht sich in Gesprächen lächerlich. Existenziell bedrohlich wird es erst, wenn aus falschen Abstraktionen konkrete Entscheidungen und Handlungen abgeleitet werden.

Eine giftige Vogelbeere z.B. fälschlicherweise der Kategorie „Nahrungsmittel“ zuzuordnen, ist für sich genommen kein Problem, wenn man nicht gerade in einer Klasse für Botanik oder in einer Prüfung für Lebensmittelkunde sitzt. Wenn man aber aus dieser falschen Zuordnung (zur Kategorie des Essbaren) die Handlung ableitet, die Vogelbeere zu essen, dann hat das konkrete gesundheitliche Folgen. Man beachte, dass es hierbei nicht um den Fall einer Verwechslung geht, sondern um falsche begriffliche Zuordnung.

Noch klarer und drastischer wird dieses Problem, wenn wir es bei komplexeren systemischen Entscheidungen und Handlungen antreffen. Wenn Gesetzgeber und Regierungschefs z.B. anordnen, dass die Steuern massiv erhöht werden sollen, dass der Benzinpreis „als Beitrag zum Klimaschutz“ verdoppelt wird, dass alle Juden deportiert oder alle Kinder zwangsgeimpft werden müssen (konkrete Handlungsanweisungen) und dies damit begründen, dass es dem Allgemeinwohl (Abstraktion) diene, dann sehen wir, dass falsche Abstraktionen nicht nur umso gefährlicher werden, je allgemeiner und grundsätzlicher sie in das Leben der Menschen eingreifen, sondern wir können auch erkennen, warum falsches Abstrahieren stets zu Diktatur und totalitärer Kontrolle führen muss.

Warum? Weil jeder Denk- und Begriffsbildungsfehler von der Wirklichkeit und den natürlich gegebenen Prinzipien und Bedingungen und vor allem von den Bedürfnissen der Menschen wegführt. Man braucht dann nämlich immer mehr Kontrolle und Gewalt, um die Menschen gegen ihre realen Bedürfnisse und Werte zu den falschen Vorgaben zu zwingen. Das ist der Grund, warum alle sozialistischen und ideologischen politischen Experimente entweder sofort kläglich scheitern oder in den Dirigismus bis hin zum Totalitarismus führen und dann alles mit sich in den Untergang reißen: weil sie auf falschen Abstraktionen, d.h. auf irrealen Ideen beruhen, deren konkrete Ableitungen entsprechend gegen die Natur des Menschen gehen. Zwang und Gewalt in Systemen sind immer ein Zeichen dafür, dass sie auf falschen Prämissen beruhen.

In kleineren, gesunden Systemen korrigieren sich Entscheidungen auf der Basis theoretischer Fehler oder Ableitungsfehler für gewöhnlich schnell von selbst, weil sie bald sichtbaren Schaden anrichten und dann erkannt und revidiert werden können. Was aber, wenn Entscheidungen so tiefgreifend sind oder man auf ihre Effekte nur sehr verzögert reagieren kann? Genau das ist nämlich das Problem, vor das uns die enorme technologische Kompetenz stellt, die wir in den letzten etwa 150 Jahren rasant gewonnen haben. Plötzlich können Fehlentscheidungen das Leben in ganzen Landstrichen ausradieren, eine ganze Bevölkerung unfruchtbar machen oder molekularbiologische Schäden anrichten, die erst nach 20 oder 30 Jahren verheerende Folgen zeigen.

Und die Brisanz falscher Abstraktionen steigt noch um ein Vielfaches, wenn sie kombiniert werden mit Interessen und Motivationen, die tatsächlich schaden und Leben zerstören wollen. Dann ist noch eine zusätzliche Kraft am Werk, die aktiv das Erkennen und Korrigieren von Irrtümern und Denkfehlern verhindert und falsches Denken, d.h. falsche Abstraktionen generiert und fördert.

Nur mit diesen grundsätzlichen Faktoren lässt sich erklären, warum heute der gesamte Zeitgeist, alle gängigen Weltanschauungen und Menschenbilder so gut wie vollständig auf falschen Abstraktionen und Anti-Begriffen aufbauen. Das begriffliche Material, das heute in der Breite unserer Kultur verwendet wird, ist beinahe gänzlich vom Bezug zur Realität, zur Wirklichkeit und zu natürlichen Gegebenheiten abgekoppelt. Alles Denken, jeder Verstand kann maximal so gut sein wie die Begriffe, mit denen er operiert. Unsere Gesellschaft operiert dadurch mittlerweile auf dem Level eines geistig gestörten Vierjährigen.

Erwähnen wir hier zum besseren Verständnis einige Beispiele:

Der Begriff „Allgemeinwohl“ ist die Basis fast jeder Argumentation, die begründen soll, warum Menschen faktisch in immer größeren Ausmaßen entrechtet, kontrolliert und versklavtwerden. Die Handlungen und Gesetze, die daraus entstehen, stellen eine reale Bedrohung des Menschen in seiner Denk-, Rede- und Entfaltungsfreiheit dar. Deren Ursache liegt jedoch nicht, wie die „Verschwörungstheoretiker“ gerne glauben, allein darin, dass eine „böse“ Gruppe von Ganoven sich genau diese Daumenschrauben ausgedacht hat. Der eigentliche Grund für die Umsetzung all jener freiheits- und letztlich menschenfeindlichen Ideen und Vorgaben liegt darin, dass es einen riesigen Apparat von Personen gibt, die sie für richtig und gut halten. Sonst würde keiner mitmachen.

Nebenbemerkung: die Verschwörungstheoretiker kommen stets und zurecht in ernsthafte Erklärungsnot, wenn sie gefragt werden, wie denn ein Bruchteil von weniger als 0,1% der Menschheit es geschafft haben soll, die riesige Masse der anderen 99,9+% der Menschen zu unterdrücken, zu versklaven und zu missbrauchen. Sie können oder wollen nicht sehen, dass der eigentliche Hebel nicht bei ein paar brillanten und skrupellosen Psychopathen liegt, sondern bei der gewaltigen Überzahl von Menschen, die mitmachen, weil sie intellektuell und moralisch zu schwach oder zu korrumpiert sind, d.h. weil sie die Fehler in den Ideen, mit denen sie gesteuert und verführt werden, nicht erkennen können. Das Hauptproblem ist jenes Defizit oder jene phlegmatische Unterlassung, über die ich oben schon sprach.

Einer der haarsträubendsten Anti-Begriffe der letzten Jahre ist „Klimaschutz“. Diese Wort-Kopplung ist dermaßen offensichtlicher Unsinn, dass man tief Luft holen muss, wenn man feststellt, wie wenig Menschen – besonders in den jüngeren Generationen – es gibt, die das noch erkennen können. Klima ist ein sehr abstrakter, d.h. übergeordneter Begriff, der eine Vielzahl von Abstraktionen (!) wie Prinzipien, Gesetzmäßigkeiten und ebenso konkrete Erkenntnisse und Daten aus Wetterkunde, Meteorologie, Geologie, Physik und Atmosphärenphysik zusammenfasst. „Klima“ bezeichnet keine konkrete Gegebenheit, sondern ein Konzept von übergreifenden, langfristig beobachtbaren Grundprinzipien, Wirkmechanismen und deren Effekten. Das Konzept „Klima“ ist dafür da, solche großen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten zusammenfassen und über sie nachdenken zu können. Ein solches Abstraktum kann man nicht „schützen“. Und selbst wenn man es könnte, wäre immer noch als nächstes die Frage zu beantworten, warum man es schützen sollte. Emotional gesteuerte Menschen auf der Stufe des vorbegrifflichen, affektiven Denkens hören nur „Schutz“ und finden, dass sich dieses Wort „irgendwie gut und richtig anfühlt“. „Klima“ assoziieren sie vage mit „Natur“, „gewohntem Wetter“ und „irgendwas, was man nicht kaputt machen sollte“. Also finden sie „Klima-Schutz“ emotional wichtig und je unsicherer, ungeschützter und überforderter sie sich selbst in der Welt fühlen, desto mehr projizieren sie ihr Bedürfnis nach Schutz in diesen absurden Anti-Begriff und sind dann hoch motiviert, sich laut und „radikal“ für alles zu engagieren, das ihnen unter diesem Begriff angedreht und untergejubelt wird. Da „Klimaschutz“ keine rationale Bedeutung hat, kann man ihn auch beliebig für jede irrationale Lenkung und Täuschung benutzen. Wer das nicht durchschaut, der wird von solchen „Wortzaubereien“ immer beeindruckt sein und den Rattenfängern blind in den Abgrund folgen.

Über Anti-Begriffe und ihre zersetzende Wirkung

Anti-Begriffe sind Worte, die den Anschein vermitteln, ein Begriff zu sein, tatsächlich aber keine begriffliche Definition haben, also sich auf nichts Betimmtes beziehen.

Was alle Anti- und Nicht-Begriffe gemeinsam haben sind drei Aspekte, die gleichzeitig auch ihre Bedeutung und ihre Funktion ausmachen:

  1. sie zielen auf emotionale Assoziationen ab, d.h. sie sollen „gut klingen“ und den Eindruck vermitteln, irgendetwas Wichtiges und Relevantes zu bezeichnen, während sie aber
  2. niemals klar definiert werden, auch nicht definiert werden sollen, sich also auf nichts Bestimmtes beziehen, und
  3. enthalten sie für gewöhnlich einen fundamentalen logischen oder semantischen Widerspruch.

All diese schwerwiegenden sinnlogischen Defizite werden für gewöhnlich von den Propagandisten von Anti-Begriffen mit aufwendigem emotionalen Marketing verschleiert, wobei sie auch vor primitiver rhetorischer Gewalt nicht zurückschrecken.

Der erste Aspekt sorgt dafür, dass Anti­-Begriffe gerne und viel benutzt werden – und zwar immer da, wo Menschen nicht denken können, nicht denken wollen oder nicht denken sollen. Sie können nur Eindruck schinden und wie ein Trickkünstler die Geistesgegenwart und Analysefähigkeit des Publikums vernebeln und in die irre führen.

Der zweite und dritte Faktor führen zunächst zu Verwirrung und langfristig zu intellektueller Desintegration und geistigem Verfall. Das ist Ziel und Zweck der Verwendung vonAnti-Begriffen. Die Verwirrung beruht psychologisch auf der Dominanz von Emotionen über Gedanken, das heißt auf einer kindlichen kognitiven Entwicklungsstufe, auf der ein Mensch seine Gefühle noch nicht gedanklich integrieren und mental regulieren kann. Wichtigkeit und Bedeutung ergeben sich auf dieser Stufe nur durch die Stärke der emotionalen Reaktion und nicht aus dem reflexionsfähigen Bewusstsein über Werte, Prioritäten, Ziele und moralische Prinzipien. Wenn das Denken jedoch von Emotionen gelenkt und kontrolliert wird, die ja ihrer Natur nach hochgradig subjektiv, sehr fluktuierend und unbeständig sind, dann bleibt es ebenso hochgradig subjektiv, schwankend und wechselhaft. So ein rudimentäres, kindliches Denken bleibt deshalb auch sehr konkretistisch, situations- und bedürfnisabhängig.

Genau genommen können wir dabei nicht von Denken sprechen, sondern höchstens von einer kognitiven Vorstufe zum Denken. Menschen, die sich über diese Stufe nicht hinaus entwickeln, verstehen die komplexe soziale und gesellschaftliche Welt um sie herum nicht und vertreten Meinungen wenn überhaupt dann nur aus ihren jeweiligen momentanen emotionalen und instinktiven Bedürfnissen heraus. Sie schließen sich einer Meinung an, wenn sie ihnen das Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit, Zugehörigkeit, Kontrolle oder Selbstwert gibt. Eine andere Basis für Anschauungen haben sie nicht und alles, was mit Argumenten, Begründungen, begrifflicher Differenzierung und Abstraktion zu tun hat, macht ihnen Angst, was dazu führt, dass sie dagegen kämpfen und sich davon abschotten.

Die Einschränkung der Denkfähigkeiten durch Angst führt dazu, dass Begriffe und Behauptungen nicht analysiert und Anti-Begriffe nicht entlarvt werden können. So sammeln sich Anti-Begriffe, Worte und subjektive Assoziationen im Intellekt ohne jede Sinnstruktur und ohne Bedeutungszusammenhänge an.

Das Ergebnis ist intellektuelle Fragmentierung und schließlich sogar mentale Desintegration. Alle unerkannten Widersprüche der Anti-Begriffe und ihrer alogischen Verknüpfungen stellen die Basis der Weltanschauung und jeder inneren Haltung dar, weshalb Menschen mit diesem kognitiven Chaos in sich die Welt permanent als widersprüchlich und „unlogisch“ erleben, was ihre Unsicherheit wiederum verstärkt.

Der einzige Weg, den sie kennen, um diesem Chaos und dieser Verwirrung zu entkommen, ist, jeden Versuch des Denkens und Verstehens zu unterbinden. Das ist schwierig bis unmöglich, denn der Mensch ist nun mal ein kognitives Wesen, das denken will und muss. Also geht es nur sporadisch in all jenen Erholungsveranstaltungen, in denen wir gesagt bekommen: „Schalte deinen Verstand ab!“, „Komm aus dem Denken raus!“, „Sei nicht so im Kopf!“. Die Sehnsucht nach Ruhe und die Verzweiflung im inneren Durcheinander sind so groß, dass die Menschen die Entwürdigung dieser New-Age-Psychologie gar nicht bemerken: du darfst keine Fragen stellen, du darfst nicht verstehen wollen und du sollst in vorbegrifflichen Bewusstseinszuständen bleiben. Das heißt auch, dass sprachliche Kommunikation unmöglich wird und auf Gehorsamkeits- und Fremdsteuerungs-Signale reduziert wird. Das funktioniert bei all jenen, die nur wie Kinder sein wollen. So produziert man psychische Abhängigkeit und hilflose Mitläufer. Das Bedürfnis nach innerer Ordnung wird umgeleitet auf eine fremde, äußere Autorität, die das einzige verbietet und tabuisiert, das innere Ordnung schaffen könnte: rationales Denken.

Aus den Ruhe- und Verständnis-Suchern werden so anti-rationale und anti-intellektuelle Zombies, die im Tal der Finsternis sitzen bleiben und sich gegenseitig mantrasingend die Augen zuhalten, weil sie Angst vor Bergen haben.

Anti-Begriffe gehen dabei in ihrer Wirkung über falsche oder Nicht-Begriffe hinaus. Wie der Name schon sagt, sind sie eine Waffe gegen Begriffe an sich, so wie Anti-Helden die Idee von Helden zerstören, Anti-Ideale Ideale vernichten und Anti-Werte Werte an sich ad absurdum führen sollen.

Die weitreichendste Wirkung von Anti-Begriffen ist deshalb, dass sie den Menschen erst Argwohn und Misstrauen und schließlich Abwehr und Ablehnung gegen Begriffe überhaupt einflößen. Von morgens bis abends medial und pseudo-akademisch überflutet von sinnlosen und anti-intellektuellen Wortblasen wenden sich die Menschen schon seit langem in immer erschreckenderem Ausmaß ab von allem begrifflichen Denken und abstrakter Kommunikation. Weil sie nichts verstehen können, geben sie sehr bald schon jeden weiteren Versuch und jede Bemühung auf zu verstehen. Sie versuchen nur noch, ihre offensichtliche Niederlage mit dem typischen, großmäuligen Trotz von resignierten Verlierern zu kaschieren: „Alles nur dummes Geschwätz!“. Tatsächlich kapitulieren sie intellektuell und gehen von da an völlig wehrlos an der Leine der führenden Wortdrechsler. Und genau das ist das Ziel aller anti-begrifflichen Propaganda. Anti-Begriffe sind ein perfides Macht- und Herrschafts-Instrument, das sich gegen das Denken, gegen die Freiheit und damit letzlich gegen die Menschen wendet.

Ein aktuelles Beispiel

Vor Kurzem hörte ich ein angebliches „Gedicht“ von einer Studentin mit dem Titel „Mensch sein!“ Ich konnte an diesem auf einer „Poetry Slam“ (wörtlich übersetzt so viel wie „Lyrik-Verriss“ oder „Dichtungs-Vernichtung“) gesprochenen Text nichts von einem Gedicht erkennen, finde darin auch nichts Poetisches und nicht einmal die Spur einer intentionalen Struktur. Wie auch immer, der Text kreiste um die verzweifelte Frage, was Menschsein denn heiße.

Dieses gesellschaftliche Randphänomen ist meines Erachtens ausreichend exemplarisch für den intellektuellen Zustand unserer akademischen „Zukunftsträger“ und damit auch für das, was unser Bildungssystem aus den jüngeren Generationen der jetzt Unter-Vierzigjährigen gemacht hat. Deshalb nutze ich es als Beispiel, um das Kernproblem unserer Zeit zu veranschaulichen:

Hier ist eine Studentin, d.h. eine junge Frau, die vorgeblich an der höchsten akademischen Ausbildungsinstitution unseres Landes eingeschrieben ist, die die Frage nach dem Menschsein stellt und uns ihre Verzweiflung darüber schildert, dass das Verhalten der Menschen um sie herum ihren Vorstellungen so gar nicht entspricht. Wen fragt sie dann nach Antworten auf das Menschsein? „Herbert“. Herbert Marcuse? Nein. Herbert Grönemeyer. Und was hat diese Autorität für metaphysische Fragen eines angehenden Akademikers ihr gesagt? Menschsein bedeute „zu kämpfen“ (für oder um was?), „zu hoffen“ (was?), „zu irren“ (in was?), „zu lieben“ (wen oder was?), „zu vergeben“ und „zu lachen“. Kurz: Menschsein lässt sich am besten definieren durch intransitive Verben. Wirft das irgendwelche Fragen auf? Bei der studentischen Autorin offenbar nicht.

Und was sind ihre Kriterien für das Menschsein? „Sich nah sein, sich spüren, einander zuhören“. Sonst noch etwas? Nein, das war es schon.

Sammeln wir noch etwas weiter. Ihre Gegenposition zu den krankhaft-absurden und menschenverachtenden Zuständen, die sie nicht verstehen kann (!), fasst sie so zusammen: „Nähe heißt Nähe… Ich hab Dich gern. Ich will Deine Menschlichkeit spüren“. Das ist so wunderbar konkret und einfach, dass ein dreijähriges Kind keine Verständnisprobleme haben wird. Dann aber plötzlich ein abstraktes Wort: Nächstenliebe zeige sich durch was? Antwort der Jungakademikerin: durch  „Lächeln“. Damit ist alles gesagt, oder? Also kann sie jetzt auch absoluter werden: „Krankheit und die Menschen selbst sind die einzigen (!) Feinde der Menschheit.“

Was fällt bei all dem auf? Unter den Kriterien für das Menschsein taucht nichts aus der Dimension des Denkens auf – außer, wenn man so will: „zu irren“, d.h. einen intellektuellen Fehler zu machen. Der Mensch wird hier definiert als rein emotionales Wesen, dessen maßgeblicher Anteil an Erkenntnisfähigkeiten darin besteht, dass er sich irrt.

Was für ein „Mensch“ wird hier beschrieben? Ein Kind deutlich unter sechs Jahren. Ein solches Kind erlebt sich in den Grenzen seines noch unentwickelten Bewusstseins als emotional-reaktives Wesen, das in Bezug auf alles Kognitive, Intellektuelle und auf Erkenntnisse erstmal nur irren kann.

Wenn dieser Text repräsentativ ist, wovon ich Grund habe auszugehen, dann sehnt sich unsere potenzielle intellektuelle Elite, die gerade in Ausbildung ist, nach nichts so sehr, wie danach, auf das Bewusstseinslevel eines fünfjährigen Kindes zu regredieren. Und der Text macht auch klar, dass dies ihre Reaktion (Antworten hat sie keine!) auf das ist, was sie in der Welt beobachtet und nicht versteht. Die Problembeschreibungen bleiben so konkretistisch wie die oben genannten Weltanschauungen („Nähe ist Nähe“, „Ich habe dich gern“, Nächstenliebe heißt Lächeln…), so wie man es von einem Kleinkind nicht anders erwarten würde: „Menschen sagen, ich soll Abstand halten“, „Ich soll eine Maske tragen…“. Es gibt auf dieser basal-dinglichen und operativen Stufe des Denkens keine Antworten, weil es kein Verständnis gibt. Und es kann kein Verständnis geben, weil die Fähigkeit fehlt, in übergeordneten, abstrakten Begriffen zu denken.

Verstehen kann man Probleme auf der Ebene eines kollektiven Narrativs, kultureller Normen und institutioneller Strukturen nur, wenn man kohärent abstrakt denken kann. Kann man diese Fähigkeit von einem Studenten erwarten? Offensichtlich nicht mehr. Die Lokalisierung des Urhebers all der Unverständlichkeiten in der unmittelbaren Welt dieser Studentin entspricht ebenfalls einer Entwicklungsstufe, in der Kollektive und ihre Wirkmechanismen noch nicht mentalisiert werden können. Sie sagt: „Du hast es verboten“. Wer soll dieses „Du“ sein? Der Zuhörer? Keine Antwort. Man hört heraus: da muss eine einzelne Person sein, die das alles „gemacht“ hat. Papa? Mama? Der böse Onkel aus dem Fernsehen? Alles andere übersteigt das Abstraktionsvermögen eines Kleinkindes.

Wir haben hier also eine junge Frau, die mit einem existenziellen Hilfeschrei auf einer Bühne auftaucht. Wir lassen den betont weinerlichen, theatralisch sorgenvollen und kollabierten Tonfall ihres Vortrags einmal beiseite, obwohl er durchaus zu unserer Gesamteinschätzung passt: hier spricht ein kleines Kind. Sie bringt zum Ausdruck, dass sie gerne Mensch sein würde, aber nicht weiß, was das sei und wie das gehe. Diese Frau – hier einmal stellvertretend für eine ganze Generation dargestellt – sucht und braucht dringend Hilfe.

Was bekommt sie stattdessen? Eine Bühne, Applaus und einen kleinen medialen Rummel. Was lernen sie und ihr Publikum daraus? Dass man bei uns heute die meiste Anerkennung für den Ausdruck von Hilflosigkeit bekommt. Um so mehr, wenn man sich dabei so wenig wie möglich um echte Hilfe oder Lösung bemüht, sondern sich als verzweifeltes Opfer darstellt. Die emotionale Belohnung durch mediale Anerkennung sorgt dafür, dass Desorientierung, Verwirrung, Hilflosigkeit und ein möglichst hohes Maß an Inkompetenz gefeiert werden. Warum Inkompetenz? Weil der pathetische Text klingt wie der erste Versuch einer verzweifelten und hilfesuchenden Achtjährigen. Nicht nur in seiner sprachlichen Simplizität, sondern vor allem in der naiven Kindlichkeit der ausgedrückten Ideen und dem vollkommenen Mangel an Abstraktions- und Reflexionfähigkeit.

Sollen wir glauben, dass moderne Poesie aus kindlicher Einfalt und naivem Unverständnis gemacht wird? Dichtung lebt von Verdichtung. Konkrete Alltagsprosa aus den ersten intellektuellen Versuchen eines kleinen Kindes sind vielleicht niedlich und anrührend, aber keine Dichtung. Sie sind auch keine Kunst, denn Kunst kann nur durch die geistig-absichtliche Nutzung eines Handwerks entstehen, welches zunächst einmal auf Technik und Können beruht. Es handelt sich bloß um eine Produktion – der es sogar bei weiterem Analysieren an jeglicher Originalität fehlt. Alles andere ist medial induzierte Selbstbeweihräucherung.

Das Erschütternde an diesem Beispiel ist nicht, dass Studenten so etwas schreiben oder sogar in irgendeiner Ecke ihres noch ungeformten Lebens vortragen. Das Erschütternde ist, dass die Peinlichkeit der offenbarten Haltung und ihrer zugrundeliegenden aufmerksamkeitsbedürftigen, inszenierten Unreife, die hinter diesem Auftritt stecken, so wenig bemerkt wird. Dafür müssen wir unseren Blick und unseren Verstand schärfen, wenn wir nicht kulturell völlig untergehen wollen.

Der Verrat am Verstand

„Da machte Gott der Herr den Menschen (‚Adam‘) aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase.“ (1. Moses 2,7)

Was ist das für eine Odem und wer hat ihn? Es geht nicht um biologische Lebendigkeit, denn die haben Pflanzen und Tiere auch. Und die genannte Textstelle taucht in der Genesis auch erst auf unter der Überschrift „Der Garten Eden“. Also dieser spezielle Lebensatem machte den Erdklumpen (‚adama‘) zum Menschen (‚adam‘) und lies ihn im Paradies leben.

Es geht nicht um Lebendigkeit, sondern um Geist. Wenn nun dieser Geist nicht hinein- und eingeatmet ist, was haben wir dann? Erdklumpen. Keine Menschen. Keine Adams („Adam“ bedeutet „der Mensch an sich“), sondern höchstens Proto-Menschen.

Was ist die erste Spur von Geist im Menschen? Erkenntnisdrang. Wie zeigt sich Erkenntnisdrang? Im Verlangen danach, eine Sprache zu sprechen. Was ist Sprache? Die Verwendung von Worten als Begriffe. Welche Instanz leistet das Bilden von Begriffen? Der Verstand.

Der Verstand ist die erste trans-emotionale und damit auch trans-personale Bewusstseinsfunktion, die wir entwickeln können. Darüber hinaus könnten noch weitere folgen, aber es lohnt sich an dieser Stelle nicht, das zu vertiefen,  solange unsere Kultur nicht einmal dieser Stufe des Verstandes eine Bedeutung gibt, geschweige denn die Werkzeuge bereitstellt, sie zu erreichen.

Die Stufe davor, auf der unsere aktuelle Nicht-Kultur uns festhalten will, ist die emotional-reaktive Stufe, die wir oben schon ausführlicher beschrieben haben. Diese Stufe hat ein Kind im Alter von 4-6 Jahren voll ausgebildet. Wenn dies bei den meisten Menschen die zentrale Bewusstseins- und Identitätsstufe für den Rest ihres Lebens bleibt, dann entsteht jener regressive und degenerierende Daseinszustand, der heute unsere Gesellschaft bestimmt.

Einen Menschen ohne Verstand als ganzen Menschen zu bezeichnen, führt dazu, dass der Begriff „Mensch“ seine eigentliche Bedeutung verliert. Wenn es zur existenziellen, d.h. lebenswichtigen Natur des Menschen gehört, Verstand zu entwickeln („Der Atem Gottes“) und ihn zu nutzen, dann ist ein Mensch ohne Verstand entweder ein Kleinkind oder eine unnatürliche, degenerierte Erscheinung.

Die Würde und Integrität eines jeden Lebewesens besteht darin, seine Natur zu verkörpern, zu entfalten und seinem Wesen gemäß zu leben. Dem Menschen ohne Verstand fehlt deshalb ein Teil seiner Integrität und Würde. Wir bemerken das auch daran, dass diesen Menschen stets Selbstwertgefühl und Selbstachtung fehlen. Ein Mensch, der nicht real denken kann, kämpft ununterbrochen gegen Minderwertigkeitsgefühle an, die auf einem realen Defizit beruhen, weil er die Welt, also die Menschen und vieles Menschengemachte um sich herum nicht versteht. Deshalb sind Menschen mit zunehmendem Mangel an Verstand oft auch zunehmend aggressiver und intoleranter und gleichzeitg in Kollektiven leichter zu verführen, weil diese ihnen Schutz und Zugehörigkeit, also emotionale Beruhigung anbieten.

Da sie geistig Kind geblieben sind, besteht der einzige greifbare Ausweg für sie darin, sich starke Eltern oder besser gesagt Gruppenführer zu suchen, unter deren Schutz sie sich stellen zum Preis der Abhängigkeit, Fremdbestimmung und festgesetzten Unmündigkeit. Dieses Unterschlüpfen unter eine fremde Autorität, nur weil sie stärker und mächtiger ist, geschieht sozial und emotional als Verschmelzung mit einer Gruppierung, einer Organisation, einer Kirche … oder nur intellektuell als Hörigkeit und Übernahme von Vorstellungen, Glaubenssätzen und Ideologien. Auch dabei werden Durchsetzungsmacht oder zumindest das Image von Überlegenheit von anderen geliehen, um nicht selbst denken und überprüfen zu müssen.

Akademiker stellen im Großen und Ganzen jenen Teil der Bevölkerung dar, der sich auf die intellektuelle Hörigkeit und Unterwerfung eingeschossen hat und sich daraus ein Überlegenheitsgefühl gegenüber den Opfern konkreterer Entmündigungsformen ableitet. Sie sind dadurch jedoch auch die am meisten gefangenen, wenn sie ihr selbständiges Denken aufgegeben haben zugunsten von Zugehörigkeitsgefühlen und institutioneller Bestätigung. Psychologisch und geistig ist dies die degenerierteste Form des Integritätsverlustes und moralisch gesehen die verwerflichste, weil sie eine höhere Bewusstseinsfunktion (den Verstand) für eine niedrigere (emotionale Bedürfnisse) opfert. Das tun die bloß instinktiven oder emotionalen Mitläufer nicht. Sie verraten den Verstand insofern weniger, als dass sie gar nicht denken oder sich intellektuell verführen lassen.

Verharren im primitiven Stammesdenken

Eines der offensichtlichsten Symptome dieser Entwicklungs-Retardierung ist die Tatsache, dass Menschen im Stammesdenken verharren und die Zugehörigkeit zu einer Gruppe als Maßstab nicht nur für jegliche Staats- und Organisationsform nehmen, sondern sogar als Fundament für Ideologien, Moralüberzeugungen und alles, was mit Erkenntnis zu tun hat. Wie für Kinder ist es für sie selbstverständlich (d.h. nicht hinterfragbar), dass die stärkste bzw. mächtigste Gruppe entscheidet, was für alle am besten, richtig, gut, moralisch, wahr und „wissenschaftlich korrekt“ ist. Die Folge davon ist, dass das Individuum nichts bedeutet, die Gruppe jedoch alles. Also muss man zusehen, dass man sich der stärksten Gruppe anschließt und sich daran beteiligt, alle anderen Gruppen zu beherrschen. Es bedeutet in der Folge auch, dass das Denken nichts zählt, denn denken kann nur der Einzelne, kann immer nur ein Hirn. Es bedeutet, dass jeder Maßstab für richtig und falsch immer von der Gruppe und innerhalb der Gruppe vom Anführer vorgegeben wird.

Wer ist der Anführer? Der, der die meisten Menschen kontrollieren und leiten, also unterwerfen kann. Also der Mächtigste. Das ist der Grund, warum die gesamte Welt, sprich alle Institutionen und sozialen Strukturen unserer Zeit, dem Macht-Prinzip unterworfen ist und die Vernunft nichts zählt.

Selbstdenkende Menschen kann man nur mit physischer Gewalt zwingen. Wenn man es jedoch schafft, Menschen schon auf frühen und immer früheren Stufen ihrer Entwicklung zu hemmen und zu stoppen, dann braucht man immer weniger grobe Gewalt, sondern schließlich nur noch die Technologie und institutionelle Macht, Menschen dumm, desorientiert und abhängig, also unmündig zu halten. Ein Horde hilfloser psychischer Kleinkinder – egal welchen Alters – ist sehr leicht zu kontrollieren und zu lenken. Ein solche hilflose Horde kann natürlich keine Kultur und keine Zivilisation aufrecht erhalten. Wenn die psychisch Erwachsenen wegfallen, sind jene Kinder der Welt, ganz besonders der modernen technologischen Welt, dermaßen unfähig ausgeliefert, dass sie innerhalb von Tagen schlichtweg sterben würden.

Ein bekannteres Beispiel dazu als Beleg: die Tage des Woodstock-Festivals 1969, auf dem sich lauter geistige Kinder trafen und innerhalb weniger Tage im Elend von Hunger, Unterkühlung, Krankheit, Verletzungen, Drogenmissbrauch und schlimmsten hygienischen Zuständen wörtlich versumpften. Dieser reale Teil der Geschichte wird jedoch von den träumerischen Kindern selbst und von den Medien mit ihrer eigenen Agenda der Kulturzerstörung nicht berichtet und reflektiert. Sie loben und preisen das menschliche Fiasko als irgendeine Errungenschaft einer nicht näher definierten Freiheit, Selbstbestimmung oder Revolte. Das System hat keine Probleme, von der Versammlung ungefährlicher, weil desorientierter Spinner zu schwärmen, während es die eigentlichen Revolutionäre – jene Menschen, die kompetent denken können – verschweigt oder diskreditiert.

Wir können und müssen lernen, die Prinzipien der anti-rationalen Herrschaft und sozialen Organisation zu durchschauen. Im Folgenden will ich dafür drei zentrale Aspekte dieser alten zu überwindenden (Denk-) Strukturen verdeutlichen:

  1. den Pseudo-Konflikt zwischen Individuum und Kollektiv,
  2. das grundlegende Täuschungsmanöver aller kollektivistischen Ideologien und
  3. das anti-rationale Getriebe aus Angst und Neid.

Der Pseudo-Konflikt zwischen Individuum und Kollektiv

Wir kommen nun zu einem fundamentalen Widerspruch innerhalb des modernen Zeitgeistes, in dem wir auch den Grund dafür finden werden, warum die Welt bis heute – bis auf ein paar sehr kurze und aufschlussreiche Ausnahmen im 19. Jahrhundert – überwiegend in Diktaturen organisiert war.

Der moderne Mensch hat gelernt, die Idee des Individuums und der Individualität hoch zu halten und als hohen Wert zu sehen. Ein tatsächlich für sich stehendes Individuum aber kann man nur werden, indem man eigenständiges Denken und damit die einzig mögliche Basis für Selbständigkeit entwickelt.

Und hier liegt auch schon der Widerspruch: wie kann es sein, dass sich Menschen, die zumindest vorgeblich an die Idee des Individualismus glauben, sich brav und gehorsam Herrschaftssystemen unterordnen, die sie nicht nur wie unmündige Kinder, sondern tatsächlich wie rechtlose Sklaven behandeln? Die Antwort ist so einfach wie beschämend: indem man es sie nicht bemerken lässt. Also indem man sie davon abhält, über sich selbst und die eigenen Potenziale nachzudenken.

Das ist die Funktion all jener kollektivistischen („linken“) Ideologien und Systeme, die uns stets als besonders menschengerecht und besonders moralisch verkauft werden: dass wir nicht selbständig Begriffe und mentale Fähigkeiten entwickeln, die uns erkennen lassen würden, wie sehr unsere „großartigen“ und „idealen“ Staatssysteme gegen Individualität und gegen jedes verständige Denken gerichtet sind. Denn nur so können sich diese Machtsysteme, in denen irgendeine Gang diktatorisch herrscht, sich erhalten: indem sie die Menschen soweit hypnotisieren, dass sie glauben, sie würden denken oder Bescheid wissen, während sie in Wirklichkeit nur Schablonen übernehmen und ausgewählte Informationen schlucken. Ein Mensch, der glaubt, er würde denken, wird sich niemals bemühen, tatsächlich nachzudenken – z.B. über seinen Glauben. Ein Mensch, der davon überzeugt ist, Bescheid zu wissen, wird niemals eine Anstrengung unternehmen, sich tatsächliches Wissen und Verstehen anzueignen – umso weniger, wenn dies im System verpönt ist und geächtet wird.

Und diese eine Ideologie, die die Menschen als Glaubenssystem ohne Eigenreflexion verinnerlichen mussten ist die des Kollektivismus. Jedes kollektivistische Gedankengebäude, sei es Sozialismus, Faschismus, Kommunismus oder irgendeine Mischvariante mit sozialistischen Kompromiss-Elementen, hat nur einen Zweck und wird nur aus einem Grunde mit allen Mitteln und Tricks in den Köpfen der Menschen aufrecht erhalten: um die Tatsache einer Diktatur zu verschleiern.

Jeder Kollektivismus ist ein intellektuelles Paradoxon, das rational nicht zu verstehen, sondern nur zu durchschauen ist. Dieses Paradoxon soll die Menschen intellektuell lähmen, indem man sie daran hindert es zu durchschauen, so dass sie kapitulieren und resignieren. So bringt man sie dazu, irrational und damit unmündig zu werden. Oder anders ausgedrückt, damit es nicht zu einseitig nur nach einem Coup von irgendwelchen Super-Ganoven klingt: mit so einem verwirrenden Paradoxon kann man es sich in der Unmündigkeit und der kindlichen Irrationalität bequem machen und sich als passives Opfer gerieren.

Was nun ist dieses Paradoxon? Es besteht bei allen kollektivistischen Ideologien darin, dass sie dem Einzelnen versprechen, dass er für sich den größten Vorteil davon hat, auf jeglichen eigenen Vorteil zu verzichten; dass das Individuum am meisten davon profitiert, seine Individualität aufzugeben. Das ist die Kernbotschaft aller kollektivistischen Luftschlösser, die natürlich niemals ausgesprochen und erkannt werden darf. Deshalb der emotionale und wortreiche Propagandaaufwand, der stets nötig ist, um die Menschen in eine Diktatur unter dem Vorwand der Kollektiv-Fürsorge zu verführen. Um dieser Botschaft zu folgen, wenn sie ausgesprochen ist, müsste man wahnsinnig oder schwachsinnig sein.

Die praktische Lösung des Paradoxons sieht natürlich immer gleich aus: du verzichtest natürlich auf Individualität, eigenständiges Denken und jeglichen eigenen Nutzen und hast dadurch für dich überhaupt keinen Vorteil. Das gilt für alle Teilnehmer des kollektivistischen Systems außer der Führungsbande, die sich und nur für sich alle Vorteile sichert. Dass „das Kollektiv“ dann nur noch aus Benachteiligten und Ausgenutzten besteht – ausgenommen jene wenigen korrupten, betrügerischen Schmarotzer an seiner Spitze – muss natürlich immer verdeckt bleiben. Das geht irgendwann nur noch mit roher Gewalt und Unterdrückung.

Das tatsächliche Ziel jeder kollektivistischen Ideologie ist die Aufgabe und Vernichtung des Individuums. Und zwar zugunsten von was? Angeblich zugunsten eines abstrakten „Kollektivs“, von dem zwar jeder Teil ist, das aber seltsamerweise gleichzeitig keine Rücksicht auf den Einzelnen nimmt. Der Kern jeder kollektivistischen Ideologie ist Rücksichtslosigkeit.

Psychiatrisch gesehen ist das die Haupteigenschaft von Psychopathen. Die psychologische Sicht auf Ideologien erlaubt uns also festzustellen, dass die kollektivistische Idee in ihrem Grundzug psychopathisch ist. Sie ist krank und unmenschlich. Es ist unmöglich, sich mental auf solche Ideologien einzulassen, ohne nicht immer mehr beeinflusst zu werden von dieser psychopathischen Haltung der Rücksichtlosigkeit und Menschenfeindlichkeit.

Zunächst führt der oben erläuterte innere Widerspruch, wenn man ihn nicht durchschaut, zu immer mehr intellektueller Unredlichkeit und Verwerfung. In der nächsten Wirkungsstufe führt der Versuch, solche immanent widersprüchlichen Ideologien umzusetzen, zu emotionaler Abstumpfung und schließlich zu einem asozialen Charakter, der in seiner Menschenfeindlichkeit natürlich in letzter Konsequenz selbstzerstörerisch ist. Die ideologische Rücksichtslosigkeit, die sinnigerweise als „links“ bezeichnet wird, weil sie intellektuell und moralisch vollkommen „link“ ist und weder natürlich noch ethisch richtig (rechtens), noch aufrichtig und gerecht, führt ja nicht nur zur Rücksichtslosigkeit gegenüber jedem anderen, sondern auch gegenüber sich selbst.

Auch dem Diktator, der an der Spitze jedes realen schein-kollektivistischen Systems stehen muss, um es trotz all seiner Widersprüche und Lügen eisern zusammen zu klammern, geht es nicht besser als seinen Unterworfenen: er steht unter dem permanenten Zwang, der Manipulierendste, Betrügerischste, Gewalttätigste und Rücksichtsloseste, also der Böseste von allen, sein zu müssen. Sonst würde er morgen schon alle seine Macht an einen ruchloseren Anderen verlieren. An der Spitze eines Zwangssystems ist der Zwang am größten und die geistige Freiheit am geringsten.

Wenn wir das durchschauen und die Quelle allen durch kollektivistische Ideologien hervorgerufenen Leids in ihrer Menschenfeindlichkeit erkennen können, dann werden wir nie wieder auf sozialistische Propaganda und Verwirrungstaktiken hereinfallen.

Das große Täuschungsmanöver aller Kollektivismen

Die Haupteigenschaft aller kollektivistischen Ideen ist die Verschleierung ihres realen Gesichts vor dem analytischen Verstand kombiniert mit ihrer umwerbenden Ansprache der niederen, vor allem der irrationalen Impulse im Menschen. Da sie logisch voller Widersprüche und empirisch unmöglich sind, sind sie darauf angewiesen, „irgendwie gut zu klingen“, sich mit emotional positiven Assoziationen und Konnotationen zu umgeben und vor allem eine Menge reißerischer Versprechen zu machen ohne zu sagen, wie sie diese erreichen wollen und zu welchem Preis; vor allem nicht zu erkennen zu geben, wem das dienen soll.

Auf ihre Grundaussagen reduziert klingen sie tatsächlich meist so, als würde man Kindern eine Märchenwelt versprechen: „Alle Menschen sind gleich“ (was bitte soll das heißen?), „Jeder bekommt alles, was er braucht“, „Für jeden wird gesorgt“, „Du musst dich nicht anstrengen, weil alle das gleiche bekommen“ und „Die Gemeinschaft/der Staat – (wer genau?) – kümmert sich um alle und alles, du musst es nur zulassen!“ Diese zuckersüße Pampe mit ihrem infantilen Bewusstseinshorizont ist auch schon alles Anlockende, was diese Ideologien anbieten können.

Das Lieblingsschlagwort und im Grunde das intellektuelle Herzstück dieser Ideologien ist „das Ganze“ oder „die Gesamtheit“, welche auch als „die Gemeinschaft“, „das Kollektiv“ oder „der Staat“ den höchsten Wert darstellen sollen. Was nie gesagt und sogar immer aufwendiger ausgeblendet werden muss ist die Antwort auf die Frage: Wer ist oder repräsentiert die Gesamtheit? Die korrekte Antwort wäre: alle Einzelnen zusammen. Aber das ist nicht realisierbar und auch gar nicht im Interesse der Kollektivisten. Ihnen geht es im Kern immer nur um eines: Macht. Und sie sind überzeugt, dass sie diese nur durch Täuschung und Gewalt bekommen. Diese irrationale Gewalt, die sie brauchen, um ihr irrationales Machtsystem aufzubauen, können sie auch in Form von gelenkten Menschenmassen erzeugen, die sie nur stark genug emotional agitieren und mental vernebeln müssen.

Die intellektuelle Bruchstelle und die Wurzel des ganzen Übels liegen darin, dass aus einem Abstraktum, nämlich „dem Ganzen“, etwas ganz Konkretes abgeleitet wird, ohne dabei die korrekte Definition des Abstrakten zu berücksichtigen. Die korrekte konkretisierende Definition von „das Ganze“ ist: die Summe aller zugehörigen Einzelnen. Wenn also z.B. „der Staat die Kontrolle über alle Unternehmen haben soll“, dann bedeutet dies theoretisch korrekt übersetzt: „jeder Einzelne soll eine Kontrolle über alle Unternehmen haben“. Und genau diese Suggestion soll auch vage in den Köpfen der Menschen hängen bleiben, denn dann kann jeder glauben, er hätte (anteilig) Kontrolle über alles. Da dies aber weder zweckmäßig noch realisierbar ist, wird still und heimlich „der Staat“ (oder was auch immer der ideologisch favorisierte Begriff für die abstrakte Gesamtheit ist) umdefiniert in „diejenigen, die die Kontrolle haben.“

Logisch betrachtet liegt darin ein Zirkelschluss und somit eine Nicht-Definition: (A) Wer soll die Kontrolle haben? – Der Staat. (B) Wer oder was ist der Staat? – die, die (real) die Kontrolle haben. Realpolitisch betrachtet handelt es sich um ein Täuschungsmanöver: denn nicht mehr der Staat (alle) hat dann die Kontrolle, sondern jemand oder eine Gruppe, die den Staat repräsentieren. Wer legitimiert sie? Erfahrungsgemäß sie sich selbst.

Diese schlampige Argumentation und ihre intellektuellen Taschenspielertricks müssen erstmal erkannt werden unter all dem wohlklingenden Marketing und dem emotionalen Ablenkungsaufwand, der für solche falschen Ideologien natürlich immer betrieben werden muss, weil sie sonst von jedem Grundschulkind sofort durchschaut und abgelehnt würden. Ansonsten hat man den Verwirrungstrick verpasst, mit dem sich Räuberbanden und Mafia-Netze immer wieder die Macht ergaunern. Sie behaupten, sie seien „der Staat“ oder repräsentierten ihn. Alles Drumherum liefern diverse verschwurbelte kollektivistische Ideen und Theorien, deren Begründungen sich bei genauem Hinsehen als intellektuelle Augenwischerei entpuppen und in Luft auflösen.

Das Gute ist, dass wir daran erkennen können, dass man heutzutage schon eine Menge theoretischen und intellektuellen Aufwand betreiben muss, um den modernen Menschen noch in der Versklavung von mafiösen Banden zu halten. Früher brauchte es dafür bloß einen energischen Fürsten und ein paar eloquente Dorfpfarrer und Schreiberlinge. Heute muss man ein hochkomplexes Rechts- und Politik-System aufbauen, um die Menschen verwirrt und gelähmt zu halten. Und je komplexer ideenbasierte Systeme sind, desto fragiler sind sie auch.

Wir können zusammenfassen: jeglicher Kollektivismus ist eine Gedankensammlung zur Verschleierung des Strebens nach Macht ohne Verdienst, und zwar interessanterweise zur Verschleierung des Strebens nach beiden Seiten dieses Machtverhältnisses. Nicht nur diejenigen propagieren kollektivistische Ideen, die sich heimlich einen schnellen und leichten Machtzuwachs versprechen. Der große Vorschub wird diesen menschenfeindlichen Systemen geleistet von all jenen Anhängern und Mitläufern, die sich dadurch erhoffen, geführt, gelenkt und versorgt, sprich: entmachtet zu werden, weil sie sich danach sehnen, existenziell entlastet zu werden.

Darin liegt die psychologische Hauptkraft, die Menschen wie Lemminge dazu treibt, sich wunschtrunken in den Abgrund dieser Vernichtungssysteme zu werfen. Sie fallen auf das wahnsinnige und irreale Versprechen hinein, ohne Verantwortung, ohne Entwicklung und ohne Anstrengung ein besseres Leben zu bekommen. Man könnte sagen, es liege an einem Mangel an Aufklärung. Aber es ist mehr als das. Es ist ein Mangel an Integrität und geistiger Reife. Diese Menschen lassen sich von Wunschbildern verleiten, die ihre kindlichen Bedürfnisse und den kindlichen Bewusstseinszustand der Abhängigkeit und Unselbständigkeit ansprechen. Sie fallen auf die Illusion herein, dass sie sich einfach rückwärts fallen lassen könnten und dass alles gut wird, wenn sie sich dabei nur fest genug die Augen zuhalten und die Realität durch Fantasiebilder verdrängen. Sie kaufen sich eine Entlastung und kennen den Preis nicht – fragen auch nicht danach, spüren vielleicht, dass ihnen bereits die Ahnung um den Preis Angst macht. Und zurecht! Denn der Preis ist eine Ungeheuerlichkeit ohne gleichen: sie müssen ihr Menschsein und ihre menschliche Würde aufgeben. Sie müssen alles aufgeben, was sie zu einem selbständigen, denkenden, und freien Individuum machen würde. Wenn das kein Teufelspakt ist, was ist es dann?

Wenn ein Mensch behauptet, er würde sich von tödlichen Viren bedroht fühlen, die „unsichtbar überall in der Luft“ seien, ohne dass er dafür auch nur den geringsten empirischen Beleg erbringen kann, dann wird er als paranoid und psychisch gestört betrachtet. Was aber, wenn 90% einer Bevölkerungsgruppe das glauben ohne einen Beleg geben zu können und Belege und wissenschaftliche Argumente sogar ablehnen? Dann werden die restlichen 10% offiziell für psychisch gestört erklärt und die Masse der Menschen meldet sich bei der Realität ab. Die Kosten dafür sind mittelfristig nicht geringer als sukzessive Selbstvernichtung.

Einer kollektivistischen Idee zu folgen oder sie versuchen aktiv umzusetzen, führt immer zu einer tiefgreifenden Selbstverleugnung bis hin zur Selbstvernichtung: man muss den begrifflichen und logischen Fehler begehen, dass das Kollektiv und das Individuum gegeneinander ständen und man sich für eines von beiden (nämlich das Kollektiv) und gegen das andere (nämlich das Individuum) entscheiden könne. Das Resultat dieses groben Denkfehlers ist, wie die Geschichte der letzten 150 Jahre auf die schrecklichste Weise empirisch belegt hat, dass man beides zerstört: ein Kollektiv ohne Individuen kann es gar nicht geben. Sie werden schlichtweg beide gleichzeitig zugrunde gerichtet in einem gewaltbereiten und deshalb blutigen Kampf für einen irrealen, falschen Gedanken.

So mancher mag an dieser Stelle einwenden, dass doch heute niemand mehr ernsthaft kollektivistischen Staatsideologien nacheifert. Das ist richtig. Den Diskurs über solche politischen Grundprämissen haben wir seit den 80er-Jahren hinter uns. Heute sind wir schon zwei Schritte weiter in der Degeneration der geistigen Kultur. Heute wird über grundsätzliche Fragen der Politik oder der Gemeinschaftsorganisation bis auf ein paar kleine Grüppchen von Aussteigern überhaupt nicht mehr gesprochen. Die Menschen können den Bezug zwischen Ideen und Handlungen oder Systemen gar nicht mehr sehen.

Auf den öffentlichen Bühnen geht es nur noch darum, von jeglichem Zusammenhang zwischen Werten, Prämissen und Ideen abzulenken und jeglichen Bezug zwischen abstrakten Begriffen und realen Gegebenheiten zu vertuschen und zu vernichten. Die Medienkultur hat, angefangen mit der Werbebranche, entdeckt, dass man aus Worten Nebelwände und Ablenkungsreize machen kann. Und das medien-konsumierende Publikum hat entdeckt, dass es eine große, lang ersehnte intellektuelle Entlastung erlebt, wenn es sich nicht mehr mit Gedanken und Zusammenhängen beschäftigen muss, sondern nur noch mit Bildern und Worten als Signale für momentane Erlebnisse und emotionale Gruppenreaktionen. Der inhaltliche Bedeutungshorizont geht dabei nicht über die jeweilige Sendezeit hinaus und man kann danach mit einem angenehmen Gefühl der Leere und der Befreiung von Sinn und Relevanz alle Sorgen vergessen.

Es ist also richtig: heute interessiert sich niemand mehr für ideologische Gedankengänge. Nicht einmal diese Grundschul-Stufe der Entwicklung erreichen wir kulturell heute noch, sondern bleiben auf der Stufe von Drei- bis Fünfjährigen stehen, die nur etwas erleben und etwas machen wollen. Diese Formen der Integrations- und Denkunfähigkeit werden gerne als „Pragmatismus“ oder „politischer Aktivismus“ bezeichnet, um den Anschein zu vermitteln, es handele sich dabei doch noch um eine spezifische, irgendwie kohärente philosophische Haltung. Das beweist zumindest, dass ein Rest an Bewusstsein (und Schamgefühl) durchaus existiert darüber, dass menschliches Verhalten eigentlich auf Denken und Verstehen beruhen sollte, nicht auf Reiz-Reaktions-Mechanismen.

Das Ergebnis ist, dass Menschen die Systeme, in denen sie leben und denen sie sich unterwerfen (müssen!), nicht mehr verstehen können. Die Erkenntnis dieser Tatsache würde massive Angst und Panik auslösen. Das tut sie jedoch nicht – bis auf die noch zählbaren Einzelfälle von „Aufwachenden“. Warum nicht? Weil die gesamte Medienlandschaft und alle Politikdarstellung die Funktion der Ablenkung und Betäubung erfolgreich übernommen haben. Was den Menschen als Politik vorgespielt wird, hat mit den tatsächlichen Entscheidungsprozessen nichts zu tun – außer insofern, dass es sie unsichtbar machen soll. Auch das Personal, das uns als Akteure auf obersten Entscheidungsebenen präsentiert wird, sind nur Angestellte und Marionetten der wirklichen Entscheidungsträger, von denen wir nichts wissen und nichts erfahren. Jeder, der die Machtstrukturen hinter den offiziellen Narrativen untersucht, wird das schnell verifizieren können.

Die zentrale Aufgabe dieses riesigen und komplexen Theaterspiels ist es, die Tatsachen, insbesondere die Tatsachen der Machtverhältnisse und Machtverteilung, zu verbergen. Eine der besten Belege dafür, dass es funktioniert, ist der reflexartige Ausruf: „Das ist doch bloß eine Verschwörungstheorie! Das kann doch gar nicht sein. Wenn das stimmen würde, dann würden wir das doch erfahren!“ usw.

Seit wann sind Theorien etwas, das man am besten ungeprüft ablehnt – nur weil es Theorien sind? Die Antwort lautet: seit der Verstand und das kritische Denken mittels jahrzehntelangem Marketing erfolgreich als Verirrung ins Irreale dargestellt werden. Theorie heißt Denken und Denken heißt für den postmodernen Medienkonsumenten: irrealen Unsinn betreiben. Die affektive Ablehnung bezieht sich nicht auf das Wort „Verschwörung“ – dieses Wort soll nur lächerlich und marginalisierend klingen – sondern gegen das Wort „Theorie“. Weil es eine Theorie ist, ist es Unsinn. Menschen, die emotional so sehr auf Denk- und Verstandes-Feindlichkeit dressiert wurden, können ihre Rettung nur in irgendeiner Kirche suchen: sie müssen von irgendwelchen machtvollen Autoritäten gesagt bekommen, was sie glauben sollen und was nicht. Theorien sind in der Kirche der emotionalen Fixierung eine Ketzerei.

Was in der Kirche der „gefühlsmäßigen Wahrheiten“ und des „intuitiven Wissens“ nicht stattfinden darf, ist kritisches Denken und Reflektieren über offensichtliche, nachprüfbare Tatsachen. Der schwerwiegende Grund für diese verfahrene Situation ist jedoch nicht, dass es ganz oben einige böse und hoch raffinierte Ganoven gibt, die uns alle täuschen. Der Grund dafür, dass es funktioniert, ist, dass die Masse der Menschheit getäuscht werden will.

Man kann die Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen beschreiben als die Entwicklung von völliger Abhängigkeit von anderen zu vollständiger Selbständigkeit. Das Maß an Selbständigkeit ist damit auch das Maß für Erwachsensein. Selbständigkeit ist nur durch Denken möglich und Denken ist nur eigenständig möglich. Entweder man denkt selbst oder man denkt gar nicht. An dieser offensichtlichen entwicklungspsychologischen Tatsache gemessen sind alle Theorien oder Programme, die die Selbständigkeit im Denken von Menschen ganz oder teilweise leugnen, reduzieren oder verhindern, Versuche, den Menschen im Stadium eines Kindes zu halten, also ihn zu infantilisieren.

Jede kollektivistische Ideologie ist psychologisch betrachtet im Kern Infantilismus und beruht auf der widernatürlichen Sehnsucht, von der Anforderung, sich zu entwickeln und erwachsen zu werden, befreit zu werden.

Wir hören diesen Wunsch nach Befreiung von den Anforderungen des Denkens und Erwachsenseins in den sehnsuchtsvoll verklärten Worthülsen von „Harmonie“, „Friede“, „Liebe“, „Einheit“, „Gemeinschaftlichkeit“, „Zusammenhalt“, „Glaube“, „Loslassen“…, die immer dann vehement und im Brustton moralischer Überlegenheit eingefordert werden, wenn Menschen sich von der Welt wie sie ist – besonders natürlich ihrer sozialen Umwelt – überfordert fühlen. Da sie den Ausweg über mentales Wachstum durch Herausforderungen nicht kennen (Progression), bleibt ihnen nur der irrationale Wunsch und die verzweifelte, weil unerfüllbare Forderung nach einer Welt, die sie doch bitte wie Kinder oder wie Tiere sein lässt und bitte nicht fordert (Regression). Sie kämpfen darum, nicht erwachsen und vollständiger Mensch sein zu müssen.

Deshalb ist es auch keine Lösung, die Ganoven an den Spitzen von Institutionen zu beseitigen oder den Menschen einfach die Tatsachen zu präsentieren. Man muss sich auch und vor allen Dingen mit dem Problem beschäftigen, dass die Menschen aktiv dagegen kämpfen, zu sehen, zu denken und zu verstehen. Das ist ein tief emotional und instinktiv verankerter Selbstschutz. Die Lösung dafür kann nur darin bestehen, ihnen zunächst eine Alternative des Schutzes anzubieten, so dass sie die Aufforderung zum Denken und Verstehen nicht in den Abgrund der Desorientierung, Verzweiflung und Hilflosigkeit stürzt. Menschen sind nur bereit, sich auf neue Erkenntnisse einzulassen, wenn sie sich damit sicher fühlen, wenn sie nicht das Gefühl haben, dadurch den Boden unter den Füßen oder gar ihre Identität zu verlieren. Also müssen sie erst einen anderen Boden und eine andere Identität als die bisherige bekommen, bevor sie sich auf die gedankliche Integration von Tatsachen einlassen können.

Wenn wir dann von innen, innerhalb dieses Systems nach oben schauen, in Richtung der Entscheidungs-Etagen und -positionen, sehen wir in den untersten Etagen massive Überforderung und Selbstaufopferung, in den nach oben hin folgenden Ebenen dann jedoch etwas anderes: zunehmende Inkompetenz und Korrumpiertheit. Das ist bemerkenswert. Wie kann ein System überhaupt – und vor allem so lange, immerhin sprechen wir von mindestens 75 Jahren – funktionieren, wenn es auf einer Hierarchie der Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit aufbaut?

Die Antwort lautet genau so wie für alle bisherigen politischen Systeme: durch Angst, Gewalt und Verschleierung. Die „Spitze“, die uns gezeigt wird, ist nicht die tatsächliche Spitze der Pyramide. Diese ragt mit mehreren Etagen über die Wolkendecke hinaus, die uns als oberstes Stockwerk verkauft wird. Und während die Mitläufer und Darsteller, die uns als Führungspersonen präsentiert werden, tatsächlich unfähig und korrupt sein müssen, um nach der Pfeife der steuernden Banden und Mafianetzwerke zu tanzen, müssen deren Puppenspieler sowohl kaltblütiger als auch strategisch brillanter sein. Ganz oben finden wir eine große spezifische Kompetenz des Betrügens, Manipulierens und Kontrollierens.

Das sind die Eigenschaften, die unser System mit seiner falschen „Demokratie“ und „Sozialstaat“-Simulation mit eiserner Klammer zusammen- und aufrechtgehalten haben. Die System-Gebote für den einfachen Gefangenen lauteten: nicht sehen, nicht hinterfragen, nicht verstehen, nicht ausscheren. Als Belohnung für die Erfüllung dieser Gebote konnte man sich durch materielle Betäubung und eine umfangreiche soziale und mediale Bestätigung bequemer Selbstgefälligkeiten von jeglichem schlechten Gewissen „befreien“ lassen.

Aus dieser alles umfassenden psychischen Abrichtung ergab sich der allgemeine psychische Zustand der Deutschen im offenkundigen Niedergangs-Jahr 2020.

Das ideologische Getriebe aus Angst und Neid

Natürlich braucht es mehr als nur eine sterile Ideologie und utopische Theorien, um Menschen dazu zu bringen, sich einer Diktatur nicht nur zu unterwerfen, sondern sie überzeugt mitzumachen. Es braucht eine Motivation. Und die Motivation, besser gesagt: die emotionale Energetisierung in allen modernen Staatskonstrukten speist sich aus Angst oder Neid. Meistens aus beidem zusammen, was sich dann steigern kann zu Hass.

Menschen, die chronisch in einem Zustand der Angst leben, sind leicht zu lenken und zu kontrollieren, denn sie suchen nichts so sehr wie Sicherheit und Beruhigung. Darüber hinaus haben sie keine Kapazität. Sie sind und verhalten sich wie verängstigte Kleinkinder, die keine Möglichkeit haben, die Situation, in der sie sich befinden zu reflektieren, geschweige denn einen anderen Ausweg zu suchen als Anpassung und Unterwerfung in der Hoffnung, dann von den Mächtigen beschützt und geführt zu werden. Der Alltagsbegriff für diesen Zustand ist „Stress“.

Die sicherste Art und Weise, Menschen in chronischer Angst zu halten ist, sie daran zu hindern, sich mental zu orientieren. Man muss sie daran hindern, die Realität um sie herum zu verstehen. Die Angst vor oder durch Desorientierung ist die tiefste psychische Angst im Menschen, weil Desorientierung die zwei tiefsten Grundbedürfnisse des Menschen untergräbt: Integrität und Kontakt. Wenn ich nicht feststellen kann, wo und wie ich mich befinde, kann ich kein Identitätsgefühl, kein kohärentes Ich-Gefühl aufbauen und in Folge davon auch keinen sinnvollen, konstruktiven Kontakt mit irgendwem oder irgendetwas finden. Zur Veranschaulichung dieses Zustands könnte man das Phänomen der Psychose studieren.

Was so viele Menschen jedoch noch mehr dazu antreibt, sich auf sozialistische und kollektivistische Unterdrückungsmechanismen einzulassen, ist der tiefsitzende Neid auf alle Leistungsstärkeren, Erfolgreicheren, Klügeren oder Produktiveren. Das Gefühl von Neid für sich allein kann zu Anstrengungen und Erfolgen anspornen, solange die Selbstachtung und das Gefühl für die eigene Integrität noch stärker sind. Dann kann aus Eifersucht Eifer werden. Wenn sich Neid jedoch mit Minderwertigkeitskomplexen paart, dann kann die Unterdrückung der eigenen Frustration und der Geringschätzung von sich selbst dazu führen, dass der Neid sich zusammenzieht zu Bitterkeit, giftig wird durch Missgunst gegen andere und schließlich versteinert zu Hass auf alles Überlegene und Bessere.

Es sind dieser kristallisierte Neid-Hass und die Angst, in der eigenen Minderwertigkeitsüberzeugung entlarvt und bestätigt zu werden, die so viele Menschen dazu verführen, sich lieber mit Macht durch Gewalt als mit einer Macht aus Kompetenz und Integrität zu verbünden. Denn dies ist, was alle kollektivistischen Ideologien unter ihrem Deckmantel der „Fürsorge für das Kollektiv“ oder ihrer eigenartigen „Humanität“ versprechen und was sie so besonders attraktiv für alle Minderwertigkeits-Neurotiker macht: die Rechtfertigung einer Macht, die sich nicht beweisen oder bewähren muss, die nichts leisten oder können muss und die die Leistungsstärkeren und Produktiveren beschneiden oder sogar vernichten will. Das dies dann auch real umgesetzt wird, haben alle sozialistischen Experimente der Vergangenheit ausreichend bewiesen.

In unseren Landen haben sich diese neidgeprägten Kollektivismus-Ideen ins Gewand der „Demokratie“ und der Viel-Parteien-Politik gekleidet und werden bis heute von der Bevölkerung als das Höchstmögliche akzeptiert. Nicht weil es das Höchstmögliche ist, sondern weil die meisten Menschen es nicht durchschauen, weil sie Angst davor haben, ihre Ohnmacht und Unwissenheit zu erkennen und weil sie die intellektuelle Rechtfertigung bequem finden.

Das Konzept vom Kollektiv wurde in der „Sozialdemokratie“ verwässert und aufgeteilt in die Idee der bestimmenden „Mehrheit“ und der hilfsbedürftigen Minderheit. Das irre Paradox wird schnell offensichtlich: die Mehrheit soll bestimmen, wo es für alle langgeht, aber gleichzeitig sollen alle Minderheiten ebenfalls bestimmen, was gemacht werden darf oder muss. In Wirklichkeit darf nämlich niemand mitbestimmen, wie es sich in einer ordentlichen Diktatur auf dem Niveau von Stammesdenken ja auch gehört. Der Mehrheit sagt man, dass sie nicht zum Zuge kommt, weil man ja primär die Minderheiten versorgen müsse. Und die Minderheiten vertröstet man damit, dass sie eben nun mal von der Mehrheit überstimmt wurden. Einfluss nehmen kann man nur, wenn man sich in der vorgegebenen Hierarchie der Gruppenherrschaft langsam hoch arbeitet, wofür man jede Lüge und Schweinerei, die von der führenden Bande an der Spitze gefordert wird, mitmachen muss. Je korrupter und skrupelloser, desto mehr Macht kann man erlangen. Wir finden dies alles in unserer bisherigen „BRD“-Staatssimulation genau so vor wie in jedem anderen sozialistischen System. Weil sie ein sozialistisches System ist (war).

Das Lügensystem mit seinen schönklingenden Selbstbeschreibungen abzuschaffen bedeutet aber auch, dass es keinen Deckel und keinen Mantel mehr für Angst, Neid, Unwissenheit, Ohnmacht, Überforderung und Tricksereien gibt. Deshalb ist es auch nicht so leicht und braucht Zeit, eine grundsätzlich andere, nicht-sozialistische Organisationsform für das Land zu finden. Nicht weil es organisatorisch schwierig ist, sondern weil es psychisch eine riesige Herausforderung und Selbstkonfrontation für die Menschen bedeutet. Und da wird es geben Heulen und Zähneklappern. Das bedeutet auch: es gibt für das neue System erstmal einen enormen Personalmangel für alle Verantwortungspositionen. Denn wer im kranken System oben war, ist per Definition im gesunden System nicht zu gebrauchen.

Und die Gesunden werden auch einige Zeit brauchen, um zu verstehen, dass sie sich nicht mehr umständlich vor Gewalt und Wahnsinn schützen und verstecken müssen, sondern plötzlich in ihren Stärken und Kompetenzen als Einzelne gefragt und gebraucht werden, was bis gestern noch ideologisches Generaltabu war.

An den fragenden Leser

Wir müssen beginnen, all dies zu durchschauen und uns für die umgekehrte Strömung zu interessieren. Das heißt, wir müssen wieder lernen und kulturell verankern, was es bedeutet, erwachsen zu werden, aus kindlicher Unmündigkeit und Abhängigkeit zu entwachsen und dafür die Entwicklung im Geistigen, d.h. vor allem im rationalen Denken zu suchen. Nur so können wir uns von der Notwendigkeit befreien, dass menschliche Gemeinschaften durch Machtstrukturen von oben nach unten bestimmt und bevormundet werden.

Die große Aufgabe, die der Menschheit jetzt bevorsteht, ist, Kultur und soziale Organisation auf der Basis von Verstand und Vernunft aufzubauen. Das ist ein solches Novum in der Menschheitsgeschichte, dass es für die meisten Menschen noch gar nicht vorstellbar ist.

Was können wir tun? Was kann der Einzelne dafür tun?

Die erste Fähigkeit, die wir in uns kultivieren sollten ist das Zweifeln. Die Fähigkeit, ernsthaft zu zweifeln markiert den Übergang von der Kindheit zur Pubertät und damit zum Erwachsenwerden. Zu zweifeln und skeptisch zu sein bedeutet nicht, misstrauisch, ablehnend oder pessimistisch zu sein – das sind emotionale Reaktionen, die vor Überforderung schützen sollen und meist auf Angst und schlechten Erfahrungen beruhen.

Der Zweifel erlaubt uns, uns mit Glaubenssätzen, Vorstellungen und Behauptungen auseinanderzusetzen und sie einstweilig in der Schwebe zu halten, d.h. weder weiterhin blind zu glauben noch sie ebenso blind zu verwerfen (und etwas anderes zu glauben). Skepsis, was aus dem Griechischen kommt und so viel bedeutet wie „Betrachtung, Überlegung, Untersuchung“, hilft uns, dass unser Intellekt mit seinen analytischen und logischen Fähigkeiten die Oberhand gewinnt und nicht von Emotionen beeinträchtigt, gehemmt oder verwirrt wird. Von dort aus können wir beginnen, Begriffe zu überprüfen, indem wir nach ihren Definitionen und ihren Bezügen zu konkreten Tatsachen fragen. Wer stark ideologisch geprägt ist, hat gelernt, Begriffe ohne Bezug zu Belegen und logischen Verknüpfungen, sozusagen frei im Raum schwebend zu akzeptieren. So kann er nicht zu Verständnis kommen, denn Verständnis beruht auf Verknüpfungen und Integration. Je mehr korrekte und je genauere Verknüpfungen wir zwischen Begriffen herstellen können, desto mehr verstehen wir. Das macht unseren Verstand aus.

Der Verstand ist der analytische, zerlegende Teil unseres Intellekts. Ihn müssen wir als erstes schulen, denn nur so können wir präzise und verwendbare Begriffe bilden. Ansonsten bleiben unsere Sprache und unser Denken diffus und uneffektiv. Nur wenn wir genau sind in der mentalen Repräsentation von Erfahrungen und Gesetzmäßigkeiten, können wir Gedanken und Ideen derart neu verknüpfen, dass wir daraus wirksame und funktionierende Ideen ableiten können. So wie ein Ingenieur die Gesetzmäßigkeiten der Physik oder Elektronik oder wie ein Programmierer die Funktionsweise des Computers exakt beherrschen muss, um eine funktionierende Erfindung zu realisieren.

Im Technischen haben wir dafür nach wie vor genug Experten. Wo uns diese Fähigkeit jedoch völlig fehlt ist im Sozialen, wofür wir sowohl ein rationales psychologisches Verständnis des menschlichen Wesens als auch ein begrifflich sauberes geisteswissenschaftliches Fundament brauchen. Dazu gehört das Werkzeug einer rationalen, d.h. realitätsverbundenen Philosophie und speziell die philosophischen Disziplinen der Erkenntnistheorie (wie funktioniert richtige Erkenntnis?), der Ethik, der politischen Grundsätze und der Ästhetik.

Die Fähigkeit zu zweifeln können wir nur dann konstruktiv nutzen, wenn wir außerdem die Fähigkeit entwickeln Fragen zu stellen. Kinder tun das von Natur aus, wenn ihr Intellekt erwacht, und Jugendliche in der Pubertät stellen philosophische Fragen nach geistig Grundsätzlichem wie dem Sinn des Lebens, der Bedeutung des Lebens, der Hierarchie von Werten und Zielen usw. Wir müssen also die offenen Fragen unserer Kindheit und Jugend wiederentdecken. Dafür müssen wir nicht in ein philosophisches Seminar gehen – das dürfte sogar kontraproduktiv sein.

Beim Fragenstellen dürfen wir dann nicht in die Falle tappen, sofort Antworten haben zu wollen. Diese Voreiligkeit, die zu Oberflächlichkeit und Unzufriedenheit führt, beruht auf der Tendenz, die Spannung der Frage loswerden zu wollen. Wir müssen lernen, diese intellektuelle Spannung auszuhalten, indem wir uns zentrale, wesentliche Fragen immer wieder vergegenwärtigen und sie als Fragen in uns stehen und wirken lassen. Sie werden uns dann wacher und aufmerksamer machen und dadurch werden wir – wie Rilke es so schön ausdrückte – eines Tages in die Antwort hineinwachsen.

Nur so werden wir innere Landkarten entwickeln, die wir brauchen, wenn wir auf gesunde Weise gestaltend eingreifen wollen. Und das ist unsere Aufgabe vor allem für die Neugestaltung der sozialen und kulturellen Organisation, denn beides liegt nur noch als Trümmer- und Aschehaufen vor uns.

Ich werde an dieser Stelle, an der ich den Verstand so viel höher einschätze und seine Entwicklung so viel dringender sehe, immer wieder gefragt, was denn mit dem Gefühl sei, mit dem „Herzen“ und der Intuition. Die meisten Menschen haben nämlich Verstand und Gefühl oder Kopf und Herz als polare oder sogar antagonistische Begriffspaare gelernt und vertreten außerdem die Meinung, dass „das Herz“ wichtiger oder klüger oder irgendwie besser sei als „der Kopf“. Die Annahme einer Polarität ist falsch. Gefühl und der analytische Intellekt können insofern als zwei gegensätzliche psychische Funktionen betrachtet werden, als dass Gefühl integrierend und der Intellekt zerlegend arbeiten. Je nach Kontext ist mal das eine oder mal das andere wertvoller oder angemessener. Aber der Verstand beruht auf der Integration der Wahrnehmung inklusive aller Emotionen und Gefühle mithilfe übergeordneter Begriffe und Landkarten. Der Verstand ist jene höhere Bewusstseins-Instanz in uns, die auch Gefühle benennen, unterscheiden und sauber zueinander in Bezug setzen kann.

Viele Menschen glauben, innere Gefühlsregungen seien die höchste menschliche Instanz, weil sie leider nie die Erfahrung gemacht oder sich bewusst gemacht haben, dass Gefühle erst dann bewusst und vollständig integriert sind, wenn wir sie begrifflich fassen können. Ansonsten bleiben sie bloß nebelartig verschwommene Färbungen unserer Wahrnehmung, die unserem Intellekt wie mystische, unberechenbare Rätsel vorkommen. Man kann diese Rätsel aufgrund fehlenden Begreifens dann zu Göttern stilisieren, aber dies ist keine Integration sondern nur die Mystifizierung einer inneren Spaltung. Solche Menschen müssen mit zwei oder mehr Ichs jonglieren: ein irgendwie geheimnisvoll fühlendes, aber begriffsloses Ich und ein Ich, das darüber spricht und Konzepte darüber hat. Da gibt es keine psychische Einheit. Einheit entsteht nur durch Integration und diese ist nur begrifflich, d.h. über den Verstand möglich.

Die nächste Stufe über den analytischen und begrifflich differenzierenden Verstand  hinaus ist die Vernunft. Vernunft ist die Kapazität, aus Begriffen wieder ein Gesamtbild, umfassende Landkarten und damit inneren Überblick und Umsicht herzustellen. Während der Verstand auf Analyse beruht, beruht die Vernunft auf der darauf aufbauenden Synthese. Aus der vernünftigen, d.h. logischen und umsichtigen Synthese heraus entwickeln sich unsere Urteilskraft, unsere Entscheidungskompetenzen und damit unsere Verantwortungsfähigkeiten. Diese beruhen auf einem umfassenden Selbstbewusstsein, Empathiefähigkeit und Weitsicht. Ohne den Verstand ist nichts davon möglich.

Wenn wir eine Herz-OP vor uns haben, dann werden wir auch nicht in erster Linie einen möglichst gefühlvollen, intuitiven, emotional spontanen Chirurgen haben wollen, der „immer ganz authentisch seinen Impulsen folgt“, sondern einen, der sich sehr genau mit dem Herzen und der Technik auskennt, gut planen, präzise wahrnehmen und auch kommunizieren und vor allem rationale Entscheidungen treffen kann. Es wird völlig unerheblich sein, ob er uns gern hat, ob er ein „großes Herz“ hat, ob er „voller Liebe“ oder „unbedingter Wertschätzung“ ist. Wir werden nur wollen, dass er so wissenschaftlich und exakt wie möglich und bei seiner Aufgabe so wenig emotional wie möglich ist. Das macht ihn kompetent. Das Gleiche gilt für jede andere Professionalität und je mehr Technologie oder Macht im Spiel ist, desto mehr hängt davon ab, dass der Verantwortliche rational, berechenbar und vernünftig ist und eben nicht emotional und launisch.

Die Suche nach Integrationskraft

Die meisten Menschen, die sich mit Pop-Psychologie oder irgendeiner „New-Age“-Ideologie beschäftigt haben, haben gelernt, ganzheitliche und komplexitätserfassende Wahrnehmung und Verarbeitung mit Fühlen gleichzusetzen. Diese vage begriffliche Assoziation findet man in vielen Schattierungen und Nuancen bei so gut wie allen modernen „Entwicklungsratgebern“, wobei sie selten genauer beleuchtet geschweige denn mit klaren Begriffsklärungen untermauert wird. Es ist, als solle dieser impressionistische Sprachgebrauch die implizite Annahme vermitteln, dass man sich und die Welt besser über das Fühlen als über das begriffliche Denken verstehen könne. So direkt aussprechen kann man das nicht, denn dann würde schnell offensichtlich werden, wie absurd es ist. Denn Fühlen ist überhaupt gar keine Basis für Verstehen. Verstehen ist ausschließlich begrifflich möglich. Man kann allerdings auf Verstehen verzichten und dann – ohne Verständnis wohlgemerkt – darauf bestehen, dass man „lieber nur fühlen will“.

Wenn wir die Grundidee des überlegenen Fühlens über den Verstand in logisch exakte Terminologie übersetzen, dann postuliert sie die durchaus bedenkenswerte Theorie, dass das Fühlen eine höhere Integrationsstufe, also eine umfassendere und komplexere kognitive Repräsentation ermöglicht als das Denken. Und dass deshalb das Fühlen ein ganzheitlicheres, d.h. zusammenhängenderes und umfassenderes Verstehen ermöglicht.

Das ist allerdings bereits falsch. Ebenso falsch ist dann auch die Schlussfolgerung, die daraus gezogen wird, wobei „Schlussfolgerung“ zu sehr den Eindruck einer logischen Ableitung erzeugt, wo tatsächlich nur Behauptungen lose assoziiert aneinandergereiht werden: nämlich die Aussage, dass man das Denken, also eine begrifflich-analytische Kompetenz, gar nicht bräuchte, und sogar aufgeben müsse, um die Welt im Zusammenhang zu verstehen und überhaupt Ganzheiten wahrzunehmen. Die hemdsärmelige Version davon ist: „Schalt mal deinen Kopf ab und komm ins Fühlen! (sonst verstehst du es nicht).“

In dieser meist wohlmeinend-pädagogisch vorgebrachten Empfehlung können wir ein konturloses Sammelsurium entdecken aus Cliché-Buddhismus, missverstandenem Zen-Buddhismus und jener neurotischen Lebenshaltung, die sich mal Existenzialismus nannte und heute nach Jahrzehnten psycho-soziologischer Experimente salopp „die 68er-Bewegung“ genannt wird. Dieser fragwürdige ideologische Eintopf hat es immerhin auch in diverse Therapieansätze und Selbsterfahrungsgruppen geschafft, wo man sie, zu Appellen verkürzt, für die favorisierte psychosoziale Dressur verwendet: „Komm aus dem Kopf raus!“ oder „Hör auf zu denken und fühle stattdessen“. So kann ein falsches Menschenbild ohne kritisch-reflektierende Prüfung am rationalen Denken vorbei unmittelbar im automatischen Intellekt Platz nehmen, von wo aus sich der moderne Mensch permanent selbst mit Direktiven und Bewertungen anpeitscht und auspeitscht. Und damit kommt er in ein auswegloses Hamsterrad, weil er versucht, mit dem Kopf aus dem Kopf kommen.

Der fundamentale Fehler in den dahinterliegenden unausgesprochenen Überzeugungen liegt darin, dass der Intellekt, also die Fähigkeit zur Begriffsbildung und logischen Verknüpfung von Begriffen als Gegenspieler zur Fühlfunktion betrachtet wird. Ebenso sinnvoll wäre es zu behaupten, dass in der Küche ein Messer besser sei als eine Pfanne und man deshalb die Pfanne wegwerfen sollte. Kurz: wir brauchen natürlich beides.

Emotionen und die höher-kognitive Verarbeitung von Emotionen in Gefühlen sind Teil unserer Wahrnehmungsfunktionen. Der Intellekt jedoch ist keine Wahrnehmungs- sondern eine Integrations- und Verarbeitungsfunktion. Wir haben also zwei ganz unterschiedliche Aspekte von Intelligenz, die sich zusammensetzt aus Wahrnehmungs-, Verarbeitungs- und Kommunikations-Fähigkeiten.

Der Intellekt kann nur verarbeiten, was vorher über die Wahrnehmung, also sowohl über die unmittelbare Sinneswahrnehmung als auch über emotionale Reaktionen, aufgenommen wurde. Wahrnehmung an sich ist dabei bloß der Empfang von Reizen und die erste unmittelbare Reaktion darauf. Ein Säugling nimmt in diesem Sinne sehr viel auf, weil er noch nicht gelernt hat, zu filtern und zu sortieren, aber er kann mit seinen vielen Wahrnehmungen noch nichts anfangen. Seine Verarbeitungskapazität ist noch nicht geschult.

„Ganzheitlicher wahrnehmen“ macht nur Sinn, wenn diese Wahrnehmung ebenso ganzheitlich verarbeitet wird – und dafür ist unter anderem der Intellekt gefordert. Ansonsten würden wir von eine Flut von Eindrücken und unmittelbaren Reaktionen überschwemmt werden, mit der wir nichts anfangen können. So eine „ganzheitliche Wahrnehmung“ überflutet und lähmt Menschen, wodurch sie abhängiger von anderen werden. Sie sind nicht „hochsensibel“, sondern von ungefilterter Wahrnehmung inklusive ihrer emotionalen Reaktionen überfordert.

Wenden wir nun die erkenntnistheoretische Daumenregel an und überprüfen sowohl den Wirklichkeits- als auch den moralischen Gehalt jener „Schalt-den-Kopf-ab“-Lehren mit der Frage nach ihrem Zweck und ihren Resultaten. Was für eine Motivation und was für ein Interesse kann hinter einer Pädagogik stehen, die Menschen hilflos und abhängig macht? Es kann dabei (wieder einmal) nur um Macht gehen. Hier kommt eine systematische Lähmung und Schwächung von Menschen im Gewand wohlmeinender „Entwicklungshilfe“ daher und prägt eine ganze Kultur, weil den Menschen das intellektuelle Immunsystem fehlt, um den Betrug und die Abstrusität zu durchschauen und abzustoßen. Denn wer es durchschauen würde, würde es ablehnen. Niemand würde einer Empfehlung folgen, die ihn hilfloser und abhängiger macht, ihn tatsächlich auf die frühe, unfertige Entwicklungsstufe eines Kindes zurückwirft, ihm aber keine echten Vorteile bietet.

Worum es stattdessen für eine echte Entwicklung zur Selbständigkeit gehen muss, ist die Kombination von sensiblen, umfassenden Wahrnehmungsfähigkeiten (inkl. Emotionen) und entsprechend ganzheitlicher Verarbeitung. Verarbeitung bedeutet vor allem Begriffs- und Konzeptbildung, d.h. Bildung von kognitiven, abstrahierten Repräsentationen. Nur durch solche Repräsentationen können wir innerlich mit Eindrücken „arbeiten“, sie bewerten und neu verknüpfen. Ohne diese Fähigkeit wären wir nichts weiter als ein Empfangsapparat wie ein Radio oder Fernseher, der mechanisch auf Eingaben reagiert und nichts davon versteht.

Die Verarbeitung, also Begriffsbildung, ist umso besser, je differenzierter sie ist, d.h. je mehr Aspekte der wahrgenommenen Welt wir kognitiv repräsentieren und in Begriffe fassen können. Begriffe sind an Worte und Sprache gebunden, deshalb ist die Entwicklung einer differenzierten Sprache mit möglichst großem Wortschatz so fundamental wichtig für die Entwicklung von Intelligenz. Aus der Differenzierungsfähigkeit ergibt sich die Fähigkeit zur korrekten Abstraktion, die ja immer eine Zusammenfassung und Generalisierung vieler Aspekte unter einem bestimmten Gesichtspunkt ist. Wer wenig wahrnimmt, wird auch Schwierigkeiten mit korrekter Abstraktion haben.

Nur die Kombination aus (Sinnes-) Wahrnehmung, emotionaler Empfänglichkeit, gefühlten Zusammenhängen, differenzierter Begriffsbildung und Abstraktionsfähigkeit führt zu dem, was wir Verständnis nennen können. Verständnis ist eine durch und durch intellektuelle Leistung und an Begriffsbildung gebunden. Deshalb sprechen wir ja synonym auch davon, etwas zu begreifen. Es gibt kein „emotionales Verständnis“ ohne Begriffe. Wer uns in der Begriffsbildung, im Denken oder in der Konstruktion korrekter Abstraktionen behindern oder bremsen will, der verhindert – absichtlich oder unabsichtlich – dass wir verstehen, und greift damit unsere wichtigste Fähigkeit und unser fundamentales Bedürfnis als Mensch an.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es neben der Verarbeitung von Ganzheitlichkeit auch noch der Fähigkeit der Kommunikation bedarf, um kompetent und selbständig wirken zu können. Ansonsten würden wir auf der Stufe eines Menschen bleiben, der „alles versteht“, sich aber nicht verständlich machen und mit anderen nicht zusammen wirken kann. Menschen, die davon betroffen sind, können sehr lebendig Zeugnis davon ablegen, welche enormen Qualen der sozialen Isolation und Entfremdung dieser Zustand verursacht.

Auch Kommunikation beruht auf Begriffsbildung, wenn wir nicht auf dem Niveau von Pflanzen bloß über basale Reiz-Reaktionen „kommunizieren“ wollen oder auf dem Niveau von Tieren, die sich nur Signale geben können. Worte machen nur Sinn, wenn sie für Begriffe stehen. Ansonsten sind sie bloß Laute. Selbst die allereinfachsten Alltagsvorgänge, wie jemandem den Weg zu beschreiben oder sich zu verabreden sind ohne begriffliche Sprache nicht möglich. Von der Technologie, die heute unsere Zivilisation und unseren Lebensstandard ausmacht, ganz zu schweigen.

Wenn uns also Pop-Psychologen, Selbsterfahrungs-Animateure und New-Age-Missionare dazu anhalten, „unseren Kopf abzuschalten“, „nur auf unser Herz zu hören“ und „den Intellekt zu überwinden“, dann beweisen sie damit, dass sie etwas nicht verstanden haben. Vielleicht führen sie auch noch anderes im Schilde, das nicht im Sinne unserer Entwicklung ist. Die wirklich gutmeinenden unter ihnen liegen einfach nur ahnungslos daneben. Was sie vermeintlich wollen ist, dass wir unsere Wahrnehmungsfähigkeiten erweitern und sie durch unseren Intellekt nicht beschränken oder stören. Dafür aber muss der Intellekt richtig angewendet, nicht aufgegeben (was auch gar nicht möglich ist) oder betäubt werden. Richtiges intellektuelles Engagement bedeutet realitätstreue Begriffsbildung, also differenzierte und präzise Verwendung von Worten und Sprache für Wahrnehmungen und Abstraktion.

Und mit dem Wissen können wir nun auch die Ausgangsfrage nach der Integrationskraft beantworten. Emotionen haben die niedrigste Integrationskraft, weil sie nur auf unmittelbare Wahrnehmung auf der Basis fixer Prägungen reagieren können. Gefühle, verstanden als vielschichtige „kognitive Landschaften“ von Wahrnehmungen, Erfahrungen, Bildern und Werten sind schon um ein Vielfaches integrationsstärker. Das Denken jedoch ist potenziell noch integrationsstärker, weil wir damit abstrahieren können. Nur durch Abstraktion in übergeordnete Begriffe, Kategorien und Zusammenhänge können wir unser gesamtes Fühlen abbilden und integrieren. Darüber hinaus kann unser begriffliches Denken sogar über alles Persönliche hinauswachsen und Erkenntnisse und Zusammenhänge begreifen, die jenseits des Fühlens, also der unmittelbaren oder erinnerten Wahrnehmung liegen.

Ein Beleg dazu ist dieser Text hier, der es ermöglicht, begrifflich über das Fühlen nachzudenken, es also zu integrieren. Es ist aber umgekehrt nicht möglich, über das Fühlen dieses sprachlich-intellektuelle Erfassen zu integrieren. Die Redewendung „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ ist aus genau diesem Grunde falsch, denn ein Bild „sagt“ überhaupt nichts. „Sagen“ ist ein Begriff aus der Welt des Intellekts, also des Denkens und der Sprache, also aus der Welt der Kommunikation von präzisen Bezügen und Bedeutungen. Nur so kann man etwas sagen. Bilder stellen nur Reize dar, die interpretiert werden müssen.

Für die Freude

Wir müssen also den Absprung aus all diesen alten Glaubensmustern schaffen, die Gefühle über den Verstand stellen, und das beste, was wir dafür tun können, ist, sie konsequent und ausdauernd anzuzweifeln und zu hinterfragen.

Wenn wir den Verstand kultivieren, werden unsere Gefühle sich verändern. Sie werden sich mehr auf die Richtigkeit und auf den inneren Bezug von Begriffen und auf unser wachsendes Verständnis beziehen und nicht mehr reaktiv aus Kindheitsprägungen und alten Schutzmechanismen entstehen. Und wir werden etwas erleben, das nur durch das Training des Verstandes möglich ist: geistige Freude. Der „schöne Götterfunken“, den wir z.B. im Leuchten der Augen bei einem Kind sehen, wenn es einen passenden Begriff findet oder etwas plötzlich begreift, wird dann die überreiche und erfüllende Antwort auf jene Frage sein, die wir bis dahin vertrauensvoll aushalten müssen: Warum das Ganze?

Weil es echte Freude bringt.

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